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Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 148
Abb.: 13
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die Hochschullandschaft in Deutschland unterliegt nicht nur durch die im Bologna-Prozess angestoßenen Reformen einem fortwährenden Wandel. Auch seitens der Studierenden ist ein erhebliches Veränderungspotenzial zu erkennen, da diese zunehmend heterogener in ihrer Zusammensetzung und ihrer Lernbiografie werden. Die Tendenz, dass eine Berufs- und Bildungsbiographie im Laufe eines lebenslangen Lernens im akademischen Sektor mündet, wird zunehmend größer und ist auch bildungspolitisch gewünscht und markiert einen Paradigmenwechsel in der deutschen Bildungslandschaft. Ein effizientes und lernorientiertes Bildungssystem sollte daher individuelle Lernwege ermöglichen. Dabei steht der Grundsatz im Vordergrund, dass Inhalte und Wissen nur dann zu wiederholen und erneut zu prüfen sind, wenn sie nicht gleichwertig sind. Dies stellt Hochschulen vor die Herausforderung, einen transparenten und qualitätsgesicherten Weg zu finden, wie mit bereits erworbenen nicht-akademischen Kompetenzen innerhalb eines Studiums umgegangen werden kann. Mögliche qualitätsgesicherte Wege und der gesetzliche Status Quo sollen in dieser Untersuchung dargestellt und in einen gemeinsamen Kontext gestellt werden.
Textprobe: Kapitel 4.2, Bologna-Prozess: Im Jahr 1998 gaben die für Hochschulfragen zuständigen Minister von Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien in Paris eine gemeinsame Erklärung ab, die eine Harmonisierung der Architektur des europäischen Hochschulsystems zum Ziel hatte. Danach sollten alle Studiengänge in zwei Zyklen unterteilt und zudem weitere Maßnahmen ergriffen werden zur Steigerung der Transparenz der Studienangebote und zur Mobilität der Studierenden. Schon am 19. Juni 1999 unterzeichneten die Minister von 29 europäischen Staaten die Bologna-Erklärung mit dem Ziel der Einführung eines Systems von leicht erkenn- und vergleichbaren Studienabschlüssen (vgl. Teichler, 2005, S. 312). In der Bologna-Erklärung heißt es u.a., die Einführung gestufter Studiengänge solle zu einer größeren Kompatibilität und Vergleichbarkeit beitragen und damit die studentische Mobilität in Europa erleichtern (Teichler, 2005, S. 318). Der Vollständigkeit halber findet sich ein Auszug der Bologna-Erklärung in Anhang I (Anlage 1). In der Bologna-Erklärung finden sich sechs zentrale Ziele: ein System leicht verständlicher und vergleichbarer Abschlüsse. gestufte Abschlüsse in Bachelor und Master. ein Leistungspunktesystem zur Förderung größtmöglicher Mobilität Studierender. den Abbau von Mobilitätshindernissen sowohl für Studierende als auch für Wissenschaftler und Verwaltungspersonal. die Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung. mehr Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Curricula, etc. (vgl. Kuda, Kassebaum, 2012, S. 71). Diese Ziele jedoch haben keine rechtlich bindende Wirkung, sondern sollen vielmehr durch die freiwillige Kooperation und durch die entsprechende Zusammenarbeit der Hochschulen erreicht werden. Dabei gelte es, die uneingeschränkte Achtung der Vielfalt der Kulturen, der Sprachen, der nationalen Bildungssysteme und der Autonomie der Universitäten zu wahren. Dieser Anspruch offenbart das Dilemma des Bologna-Prozesses, der einerseits auf eine Politik der Vereinheitlichung setzt, sich gleichzeitig jedoch die Hintertür offen hält, nicht allzu stark in die nationalen und föderalen Systeme eingreifen zu müssen (vgl. Maassen, 2004, S. 13). Walter (2006, S. 17) bezeichnet den Bologna-Prozess als Wendepunkt europäischer Hochschulpolitik, indem er wie folgt schreibt: Wendepunkte ziehen, bildlich gesprochen, eine Schleppe hinter sich her und werfen einen Schatten voraus. Sie markieren in einer Entwicklungsreihe denjenigen Punkt, von dem aus sich etwas überraschen und unerwartet umkehrt. Sie stellen nur partiell einen Bruch dar vielmehr sind sie eine Kehre, von der aus sich das Geschehen unter neuen Vorzeichen und mit neuen Merkmalen weiterentwickelt. Als Rahmen dieses Wendepunktes sind v.a. die im zweijährigen Rhythmus stattfindenden Ministerkonferenzen zu nennen (vgl. Müller, J., 2011, S. 62). Durch die Bologna-Beschlüsse erfolgte ein Paradigmenwechsel. Durch eine Modularisierung, die an learning work-load orientiert ist und sich am Aufwand der Studierenden orientiert, wird das Konzept der fächerorientierten Lehre abgelöst. Dabei verweist bereits die Bologna-Erklärung auf die Kompetenzanrechnung von außerhalb der Hochschule erbrachten Leistungen im Kontext eines lebenslangen Lernens (vgl. Diller, 2010, S. 4). Die Bedeutung des lebenslangen Lernens für die Entwicklung des europäischen Hochschulraumes hebt erst die Nachfolgekonferenz 2003 in Berlin hervor. Dazu zählt die wechselseitige Anerkennung von hochschulisch erworbenen Kompetenzen genauso wie die Anrechnung außerhochschulisch erworbener Lernergebnisse (vgl. Kuda, Kassebaum, 2012, S. 71). Konkretisiert wird diese Intention in den Beschlüssen von Kopenhagen 2005, mit denen sich das folgende Kapitel beschäftigt. 4.3, Kopenhagen-Prozess: Der Kopenhagen-Prozess, der im November 2002 durch die Europäische Kommission und die Bildungsminister Europas initiiert wurde, sollte die Ziele des Europäischen Rates von Lissabon (siehe 4.5) voranbringen. Flexibilität und Mobilität der Arbeitskräfte und damit die wirtschaftliche Attraktivität Europas sollten erhöht werden durch Transparenz und Durchlässigkeit sowie Anerkennung und Anrechnung beruflicher Bildungsinhalte im nationalen und europäischen Rahmen. Dabei sind drei genannte Ziele von besonderer Bedeutung: die Entwicklung eines Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR). gemeinsame Kriterien zur Qualitätssicherung in der Berufsbildung. sowie die grenzüberschreitende Anerkennung von Fähigkeiten und Qualifikationen durch die Entwicklung eines Leistungspunktesystems für die berufliche Bildung (ECVET) (vgl. Kuda, Kassebaum, 2012, S. 77). Sowohl auf EQR als auf ECVET wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung noch detaillierter eingegangen, die gemeinsamen Kriterien zur Qualitätssicherung in der Berufsbildung sollen im Kontext der Studie nicht näher betrachtet werden. Dieser im November 2002 verabschiedete Beschluss soll die Entwicklung der Ansätze zum lebenslangen Lernen sowie verwandte nationale Strategien unterstützen. Zusätzlich wurde der Kopenhagen-Prozess angestoßen mit dem Ziel, die Zusammenarbeit im Berufsbildungsbereich zu verbessern (vgl. Brockmann, Clarke, Winch, 2011, S. 167). Durch diesen Prozess wurden konkrete Maßnahmen ergriffen, um berufliche Bildung in Europa und den Arbeitsmarkt enger miteinander zu verknüpfen. Höchste Priorität erhielten dabei die Ziele zur Förderung des lebenslangen Lernens sowie zur Herstellung der Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen (vgl. Reglin, 2011, S. 156). Dabei setzt die Kopenhagen-Erklärung die folgenden Prioritäten: Europäische Dimension: Die europäische Dimension der beruflichen Bildung soll mit dem Ziel einer engeren Zusammenarbeit gestärkt werden, um Mobilität und Kooperation zu erleichtern und zu fördern. Transparenz, Information und Beratung: Durch den Einsatz und die Rationalisierung von Informationsmitteln und Netzwerken soll eine verstärkte Transparenz in der beruflichen Bildung hergestellt werden. Dabei sollen bereits bestehende Instrumente wie z.B. Europäischer Lebenslauf oder EUROPASS eingebunden werden. Außerdem sollen sämtliche politischen Aktivitäten, Systeme und Praktiken gestärkt werden, die Information, Beratung und Orientierung auf allen Bildungsstufen fördern, insbesondere in Fragen des Zugangs zu allgemeiner und beruflicher Bildung sowie der Übertragbarkeit und Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen. Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen: Die Möglichkeiten der Transparenz, Vergleichbarkeit, Übertragbarkeit und Anerkennung von Kompetenzen / Qualifikationen soll untersucht und durch die Schaffung von Referenzebenen, gemeinsamen Zertifizierungsgrundsätzen und gemeinsamen Maßnahmen gefördert werden. Außerdem sollen gemeinsame Grundsätze zur Anerkennung nicht formalen und informellen Lernens entwickelt werden ebenso wie Grundätze zur Validierung eben dieses Lernens mit dem Ziel der Sicherstellung einer verbesserten Vergleichbarkeit auf europäischer Ebene. (vgl. Rothe, 2008, S. 76f.). Damit verleiht der Kopenhagen-Prozess der beruflichen Bildung innerhalb der europäischen Bildungskooperation eine neue Stellung bzw. Priorität (vgl. Pahl, 2006, S. 18). Allerdings zeigt sich im Vergleich zur Zielsetzung der Schaffung von Transparenz die Zielsetzung der Anerkennung und Anrechnung von Qualifikationen und Abschlüssen vielfach komplexer und komplizierter (vgl. Pahl, 2006, S. 19). 4.4, Verschränkungen von Bologna- und Kopenhagen-Prozess: Der Bologna-Prozess beschreibt das politische Vorhaben zur Schaffung eines einheitlichen Hochschulraumes in Europa, während der Kopenhagen-Prozess sich mit der europäischen Zusammenarbeit auf der Ebene der beruflichen Bildung beschäftigt (vgl. Kuda, Kassebaum 2012, S. 68). Beide Prozesse sind aufgrund ihrer unterschiedlichen Organisationslogiken weder bei der Initiierung noch bei der Umsetzung unmittelbar miteinander verknüpft. Kopenhagen zielt auf die Modernisierung des Berufsbildungssystems, Bologna richtet sich auf das Hochschulsystem. Nichtsdestotrotz vereinen sie gemeinsame Ziele: die bessere Vergleichbarkeit der jeweiligen nationalen Bildungsabschlüsse und eine erhöhte Durchlässigkeit zwischen allgemeiner, beruflicher und hochschulischer Bildung (vgl. Kuda, Kassebaum 2012, S. 70). Zusammen mit dem 3 Jahre später eingeleiteten Kopenhagen-Prozess hat die Bologna-Reform das Potenzial, die bisher noch wenig vorhandene Durchlässigkeit von beruflicher und akademischer Bildung voranzubringen (vgl. Konegen-Grenier 2012, S. 40). Beide Prozesse sowie deren Umsetzung sind dabei in Widerspruchsverhältnisse eingebettet, da von unterschiedlichen Interessen zwischen den europäischen und nationalen Institutionen auszugehen ist (vgl. Kuda, Kassebaum, 2012, S. 68). 4.5, Lissabon-Konvention: Der Europarat und die UNESCO schlossen 1997 ein Übereinkommen über die Anerkennung von Qualifikationen im Hochschulbereich in Europa. Auf dem Weg zu einem europäischen Hochschulraum stellt dieses Abkommen eine wichtige Zäsur dar. Im Speziellen wurde hier verankert, dass innerhalb eines Anerkennungsverfahrens transparente und zuverlässige Kriterien verwandt werden sollen.
Birgit Czanderle, M.A. wurde 1978 in Mannheim geboren. Nach einem Studienabschluss in Betriebswirtschaftslehre an den Hochschulen Mannheim und Heidelberg ist die Autorin seit 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an verschiedenen Hochschulen tätig. Im Jahr 2013 schloss sie ihr Studium der Erwachsenenbildung (M.A.) erfolgreich ab. Durch ihre langjährigen Erfahrungen im Hochschulbereich konnte sie die Entwicklung der Durchlässigkeit in diesem Sektor entsprechend beobachten und operativ begleiten und auf der Basis dieser Erfahrungen das vorliegende Buch verfassen.
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