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- Nicht ohne die Familie. Junge Erwachsene mit Werkstattempfehlung am Übergang Schule – Beruf – Eine qualitative Studie zur beruflichen Qualifizierung auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt mit dem Persönlichen Budget gemäß SGB IX
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2023
AuflagenNr.: 1
Seiten: 292
Abb.: 17
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Selbstbestimmung und Teilhabe statt Fürsorge und Separation von Menschen mit Behinderung stellen eine gesellschaftliche Leitkategorie dar, welche bislang nur unzureichend umgesetzt ist. Besonders am Übergang Schule-Beruf zeigt sich, dass institutionelle Separationen noch immer dominieren. Schulabsolvent:innen mit sogenannter geistiger Behinderung werden mehrheitlich auf Werkstätten für behinderte Menschen verwiesen, obwohl grundsätzlich ein Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist. Dieser kann mit dem Persönlichen Budget umgesetzt werden. Während zur Umsetzung und Nutzung des Persönlichen Budgets empirische Befunde vorliegen, gibt es bislang kaum Erkenntnisse, wie sich nachschulische Übergänge auf den allgemeinen Arbeitsmarkt mit dem Persönlichen Budget gestalten. Um diese Forschungslücke zu schließen, wurden derartige Übergänge auf den Arbeitsmarkt mittels einer subjektorientierten, qualitativen Forschungsmethodologie analysiert. Förderliche sowie behindernde Momente wurden entlang der individuellen Übergangsprozesse ausdifferenziert, auch zu Fragestellungen, ob und inwiefern Selbstbestimmung und Teilhabe mit dem Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt einhergehen.
Textprobe: 2.3.3 Habitus: Der Habitusbegriff gilt als generatives Erkenntnisprinzip für die Umsetzung von Struktur in Praxis sowie von Praxis in Struktur (vgl. Ecarius, Wahl 2009, 13 Lenger et al. 2013, 19 van Essen 2013, 34f.). Er beschreibt das Verhältnis zwischen den individuellen Dispositionen auf der Subjekt-Ebene und den gesellschaftlichen Möglichkeiten auf der strukturellen Ebene (vgl. Lenger et al. 2013,14). Der Habitus steht für die Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsmuster sowie für die Körperlichkeit und die ästhetischen Einstellungen eines Menschen. In ihm kommen die verinnerlichten sozialisatorischen Erfahrungen zum Vorschein (vgl. Ecarius, Wahl 2009, 13 Lenger et al. 2013, 14). Mit seiner Habitustheorie wendet sich Bourdieu von der rationalen Handlungstheorie ab (vgl. Bourdieu, Wacquant 2006, 153), denn der Habitus eines Menschen determiniert Handlungspraktiken, oftmals auch unbewusst (vgl. Lenger et al. 2013, 20). Als das inkorporierte Soziale bringt der Habitus das Soziale noch einmal hervor. Die soziale Realität ist zweimal existent, sie existiert in den Sachen wie in den Köpfen, innerhalb sowie außerhalb der Akteure (vgl. Bourdieu, Wacquant 2006, 161). Der Habitus kann als strukturierende Struktur bezeichnet werden, da eine bestimmte Grundhaltung spezifische soziale Praxisformen hervorbringt. Gleichzeitig stellt der Habitus auch eine strukturierte Struktur dar, weil seine Ausformung von sozialen Bedingungen abhängt. Vor allem ist der Habitus durch spezifische gesellschaftliche Positionen geprägt, die Angehörige einer sozialen Gruppe innerhalb der Sozialstruktur einnehmen, welche den Positionen im sozialen Raum entsprechen (vgl. Bourdieu 1987, 279ff.). Der Habitus besteht nicht von Geburt an, er wird gesellschaftlich und historisch erworben (vgl. Wayand 1998, 227). Die Familie bildet den zentralen Ort der individuellen Habitusentwicklung, wobei dieser familienspezifische Habitus von der Zugehörigkeit der Familie zur sozialen Gruppe im sozialen Raum geformt ist (vgl. Ecarius, Wahl 2009, 14). Der individuelle Habitus entspricht dem Habitus der Klasse, das heißt der sozialen Gruppe, der diese Person angehört (vgl. Lenger et al. 2013, 22). Positionsklassen entsprechen der Habitusklasse (vgl. Bourdieu 1998, 29): Der Habitus ist die sozialisierte Subjektivität (Bourdieu, Wacquant 2006, 159), das Individuelle ist auch etwas Gesellschaftliches (vgl. ebd.). Akteure, die ähnliche Positionen im sozialen Raum einnehmen, entwickeln ähnliche Praktiken (vgl. Bourdieu 1985, 12). Der Habitus ist demzufolge sozialstrukturell geprägt, durch die bestimmte Position, die ein Individuum bzw. eine Gruppe innerhalb der relativen Gesellschaftsstruktur einnimmt. Die Position eines Individuums sowie sein kulturelles, ökonomisches und soziales Kapital beeinflussen die Erfahrungen und Wahrnehmungen und bringen spezifische Praxisformen hervor (vgl. Schwingel 1995, 66f.). In den Dispositionen des Habitus ist somit die gesamte Struktur des Systems der Existenzbedingungen angelegt, so wie diese sich in der Erfahrung mit einer bestimmten Position innerhalb dieser Struktur niederschlägt (Bourdieu 1987, 279). Unterschiedliche Existenzbedingungen, unterschiedliche soziale Lagen, bringen unterschiedliche Formen des Habitus hervor (vgl. ebd., 278). Wie die Positionen im sozialen Raum sind auch die Habitus differenziert und differenzierend (vgl. Bourdieu 1998, 21). Sie bilden unterschiedliche Klassifikationssysteme aus, sodass beispielsweise bestimmte Verhaltensweisen von einer Person als distinguiert, von einer anderen Person als angeberisch und von wiederum einer anderen Person als vulgär bewertet werden (vgl. ebd.). Als Produkt seiner Geschichte stellt der Habitus ein offenes Dispositionssystem für Praxisformen dar und ist immer wieder neuen Erfahrungen ausgesetzt, die ihn beeinflussen. Dabei ist er dauerhaft, jedoch nicht unveränderlich. Der Habitus als Dispositionssystem zeigt sich erst im Verhältnis zu bestimmten Situationen. Je nach Situation kann der gleiche Habitus unterschiedliche Praktiken hervorbringen (vgl. Bourdieu, Wacquant 2006, 167f.). In modernen Gesellschaften ist die soziale Praxis in viele verschiedene Bereiche ausdifferenziert. Um Praktiken für sämtliche Bereiche darzulegen, unterteilt Bourdieu die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche in soziale Felder, wie beispielsweise das Feld der Arbeit, der Bildung, der Familie oder der Politik. Die Praktiken stehen in enger Beziehung zu den jeweiligen sozialen Feldern (vgl. Barlösius 2004, 150).
Roxana Hank-Raab schloss ihr Studium für das Lehramt an Förderschulen 2004 an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt ab. Bereits während des Studiums sammelte die Autorin umfassende praktische Erfahrungen in berufsvorbereitenden Lehrgängen, so dass schon früh ihr Interesse für nachschulische Übergänge im Kontext von Benachteiligung und Behinderung geweckt wurde. In ihrer mehr als zehnjährigen Tätigkeit als Förderschullehrkraft arbeitete die Autorin überwiegend an berufsbildenden Schulen mit jungen Erwachsenen am Übergang Schule-Beruf. Ihre Tätigkeit in der Berufsvorbereitung motivierte die Autorin sich der Thematik theoretisch und empirisch weiter anzunähern, so dass sie 2015 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sonderpädagogik an der Universität Koblenz-Landau ihre Forschung aufnahm, deren Ergebnisse in der vorliegenden Veröffentlichung nachzulesen sind.
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