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- Neue Kriege – Neue Krieger: Kindersoldaten in Norduganda
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Einsatz von Kindersoldaten in Konflikten unserer Zeit rückt seit einigen Jahren mehr und mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Sie spielen in zahlreichen Konflikten in Afrika und anderen Teilen der Welt eine entscheidende Rolle nicht nur als Opfer von Gewaltakten, sondern auch als Akteure des Krieges.In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, weshalb Kinder rekrutiert werden und welche Rolle sie in bewaffneten Konflikten spielen. Eingebettet wird dies in die von Kaldor und Münkler angestoßene politikwissenschaftliche Debatte um Neue Kriege. Sie vertreten die These, Konflikte hätten sich grundlegend gewandelt und heutige Kriege seien gekennzeichnet durch Ökonomisierung, Entstaatlichung und Asymmetrisierung. Ein Großteil der heutigen afrikanischen Kriege erfüllt genau diese Attribute.Die Bedeutung des Einsatzes von Kindersoldaten wird Vertretern der These der Neuen Kriege meines Erachtens jedoch unterschätzt. Gerade Kindersoldaten sind essenziell für diese neue entstaatlichte Kriegsführung, die sich im Besonderen gegen die Zivilbevölkerungen richtet. In dieser Arbeit soll die These überprüft werden, dass diese Kriege ohne den Einsatz von Kindern überhaupt nicht durchführbar seien. Kindersoldaten sind billig, leicht rekrutierbar und einsetzbar, leichter zu indoktrinieren und sind offensichtlich zu größeren Grausamkeiten fähig – genau dies sind die Gründe, weshalb diese Art der Kriegsführung nur mit und durch Kinder möglich ist. Diese These soll anhand einer Fallstudie überprüft werden. Hierzu wurde der seit 1986 andauernde Bürgerkrieg in Norduganda gewählt, ein aktueller Konflikt, der die Attribute der Neuen Kriege aufweist. Die Lord’s Resistance Army (LRA) kämpft im Norden des Landes für einen unabhängigen Gottesstaat, als Hauptgegner stellt sich ihr die Ugandische Armee entgegen. Kindersoldaten werden in der Regierungsarmee zwar offiziell nicht rekrutiert, die Bataillone der LRA jedoch werden zu entscheidenden Teilen aus Minderjährigen gebildet, weshalb dieser Konflikt prädestiniert scheint für die Erforschung der Rolle von Kindersoldaten. Etwa 50% der LRA- Kämpfer sind unter 16 Jahren. Anhand dieses Konfliktes lässt sich induktiv bestätigen, dass diese Art der Kriegsführung nur mit dem Einsatz von Kindersoldaten möglich ist. Der ugandische Bürgerkrieg wäre ohne die Rekrutierung von Kindern (eben auch als Element der Kriegsführung gegen die Zivilbevölkerung) und deren Einsatz nicht durchführbar.
Textprobe: Kapitel 1.2 Asymmetrisierung: Die Asymmetrisierung der Kriegsführung ist insbesondere auf Akteursebene relevant. Die beteiligten bewaffneten Gruppen sind asymmetrisch, was bedeutet, dass sich beispielsweise eine Regierungsarmee und eine oder mehrere kleinere bewaffnete Organisationen gegenüber stehen, die von Warlords geführt werden. Mit der Asymmetrisierung der beteiligten Konfliktparteien geht eine Deregulierung der Kriegsführung einher. Die Errungenschaften des Kriegsvölkerrechts sind nicht mehr von Bedeutung. Als dessen wichtigster Punkt ist die Unterscheidung zwischen Soldat und Zivilist zu nennen, die in den Neuen Kriegen nicht mehr getroffen wird – dies erklärt, warum der Großteil der Opfer Zivilisten sind und diese Kriege eben auch genau gegen die Zivilbevölkerung geführt werden. Es ist somit die ,wichtigste Errungenschaft des Kriegsvölkerrechts, die Unterscheidung zwischen Kombattanten und Nichtkombattanten, […] damit hinfällig geworden’ . Die ,Gesellschaft’ ist dadurch nicht nur Schauplatz des Krieges geworden, sondern auch dessen Ziel. Gerade Rebellenorganisationen im subsaharischen Afrika haben nicht die Schlagkraft, ihren Kampf beispielsweise gegen eine Regierungsarmee zu führen, sondern bedienen sich des Mittels der Demonstration von Macht und Schlagkraft gegenüber der Zivilgesellschaft – Massaker, Massenvergewaltigungen, Verstümmelungen sind so die sichtbare Folge dieses Mittels der Kriegsführung. Die viel betonte ,Barbarisierung’ der Kriegsführung in den Neuen Kriegen ist somit eine direkte Folge aus der Asymmetrisierung und der damit einhergehenden Deregulierung der Kriegsführung. Die ,binäre Codierung’ des Kriegsvölkerrechts wurde für den Staatenkrieg entwickelt und lässt sich offenbar nicht auf heutige Bürgerkriege übertragen – vor allem, wenn diese in gewaltoffenen Räumen stattfinden und aus ökonomischen Gründen geführt werden (siehe oben). Es wurde also für den Staatenkrieg ein Kriegsrecht entwickelt, das ,rechtlich zulässige Gewaltanwendung von kriminellen Gewaltakten unterschied und schließlich sehr präzise Trennlinien zwischen Kombattanten und Nonkombattanten’ festlegen konnte. Aus der Aufhebung dieser Trennung folgt, dass sämtliche Regulierungen in den Neuen Kriegen obsolet wurden beziehungsweise nicht mehr beachtet werden: ,Die neuen Kriege sind also vor allem dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen sämtliche Begrenzungs- und Regulationsmechanismen fehlen, die im Rahmen der klassischen Staatenkriege entwickelt worden sind – von der Begrenzung der Kriegsdauer durch das Versiegen der Ressourcen, die zur Weiterführung des Krieges vonnöten sind, bis zu den ethischen und rechtlichen Selbstbindungen, die von der Idee der Ritterlichkeit bis zur Haager Landkriegsordnung und den Genfer Konventionen reichen.’ Diese Deregulierung hat die oben erwähnte Brutalisierung zur Folge. An den Opferzahlen lässt sich diese Tendenz ablesen (über 80% der Kriegsopfer der aktuellen Konflikte sind Zivilisten), aber dieser Beweis von Macht, die durch die Asymmetrisierung der Kriegsführung nur an der Zivilgesellschaft demonstriert werden kann, hat neben den Todesopfern noch weit mehr Praktiken der ,Kriegsführung’ zur Folge, die ganze Gesellschaften zerstören. Zum einen ist die Praxis der Vergewaltigung zu einem ,systematischen Mittel der Kriegsführung geworden […]’ und zum anderen kommt es mehr und mehr zu Massakern und Verstümmelungen wehrloser Opfer: ,Immer wieder wird darüber hinaus von Verstümmelungen getöteter oder verwundeter Gegner und in Verbindung damit von der Trophäisierung abgetrennter Körperteile berichtet. Vor allem aber sind Massenvergewaltigungen zu einem permanenten Begleiter dieser Formen der Gewaltanwendung geworden […].’
Kristof Krahl setzte sich intensiv mit zentralafrikanischen Konfliktstrukturen auseinander, sowohl in der theoretischen Forschung als auch in Bürgerkriegsgebieten im globalen Süden. Mittlerweile arbeitet er für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
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