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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Alles, was dem Volke nützt, ist Recht, alles, was ihm schadet, ist Unrecht. Dieses Zitat Hans Franks, Hitlers Kronjurist und Generalgouverneur, bekannt als Schlächter von Polen , konzentriert Prinzipien, Anspruch und Praxis nationalsozialistischer Bevölkerungspolitik in einem Satz. Hierarchisierung und Selektion, Integration und Ausschluss, Förderung und Reduzierung sind die Logiken eines solchen Denkens einer permanenten Evolution des Volkes. Doch was ist dieses Volk? Eine stichhaltige Definition sucht man in den zeitgenössischen Quellen vergebens. Die vorliegende Arbeit stellt die Frage, wie die Deutschen den Begriff des deutschen Volkes in der Praxis in einem ethnisch heterogenen Mikrokosmos anwendeten. In Ostoberschlesien lebten Deutsche, Polen und Tschechen zwischen Neiße und Warthe zusammen mit Slonzaken, Wasserpolen und Oberschlesiern. Hitler, der die Zukunft Deutschlands in jenem Osten sah, hatte schon immer für eine Germanisierung plädiert, die nur am Boden vorgenommen werden kann, niemals an Menschen. Damit wird deutlich: Die Fragen der Bevölkerungspolitik mussten mit der Annexion Ostoberschlesiens 1939 komplexer werden und die gefundenen Antworten umso radikaler.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Felder der Bevölkerungspolitik im Regierungsbezirk Kattowitz: Nachdem die Ausgangslage der Besatzungspolitik erörtert worden ist, sollen nun im Folgenden zwei Felder der biopolitischen Bevölkerungspolitik im Regierungsbezirk Kattowitz untersucht werden. Den ersten Teil bildet der Themenkomplex räumliche Exklusion und Integration . Meines Erachtens wurde bereits allein durch die Grenzziehung nach Außen wie nach Innen bestimmt, welche Bevölkerungsteile in das Deutsche Reich integriert und welche ausgeschlossen werden sollten. Der darauf folgende Themenkomplex beschäftigt sich mit der Erfassung der Bevölkerung im Regierungsbezirk Kattowitz. 4.1 Räumliche Exklusion und Integration: 4.1.1 Die Grenzziehung: Die Frage nach dem konkreten Grenzverlauf gab im Herbst 1939 Anlass für eine weitläufige Kontroverse in der nationalsozialistischen Führungsriege. Denn wie weit die Grenzen nach Osten ausgeweitet werden sollten, war noch unklar geblieben. Angesichts der Tatsache, dass eine weitgehende Annexion West- und Nordpolens neben einer größeren Autonomie in der Lebensmittelversorgung, auch einen erheblichen unerwünschten Bevölkerungszuwachs mit sich brachte, sollte die Grenzfrage zu einer Gratwanderung zwischen antagonistischen Prämissen werden. Hitler hatte schon mehrfach deutlich gemacht, dass die Wiederherstellung der Grenzen von 1914 nicht ausgereicht hätte, um die innere Geschlossenheit des deutsche Volkes und seine Ernährung sicherzustellen, geschweige denn, dass diese militärisch gesehen sinnvoll gewesen wäre. Der Fortbestand des deutschen Volkes könne nur durch die Erweiterung seines Lebensraums gesichert werden. Es standen verschiedene Konzepte im Raum, die von maximalistischen, von Seiten des Wehrwirtschaftsstabes unter General Thomas, bis hin zu eher verhaltenen Vorschlägen seitens der Zivilverwaltung reichten. Mit der genauen Ausarbeitung des Grenzverlaufes beauftragte man eine Kommission im RMdI unter Dr. Ernst Vollert, dem Leiter der Abteilung für Volkstumsfragen im RMdI. Vollert hatte, ähnlich wie auch Albert Forster und Josef Wagner, Bedenken das Reichsgebiet über das ehemalige preußische Territorium hinaus zu erweitern, da er vor allem hinsichtlich Westpreußens die Aussiedelung von über fünf Millionen Polen für ein zu großes und schwieriges Unterfangen hielt. Dass das Reichsgebiet ethnisch homogen werden sollte, war durch alle Reihen hindurch Konsens. Daher sprach sich auch Vollert in seinem Memorandum Vorschlag zur territorialen Begrenzung von Westpreußen dafür aus, das Reichsgebiet auf die Grenzen von 1914 zu beschränken, da auf diesem Weg die vornehmste Aufgabe […] dieses alte deutsche Land möglichst schnell wieder zu einem deutschen Lande zu machen, am effektivsten und erfolgreichsten erfüllt werden könnte. Was Vollert für Westpreußen forderte, wollte Wagner in Oberschlesien durchsetzen. Ihm war aufgrund seiner Erfahrungen in Westoberschlesien in der Zwischenkriegszeit durchaus bewusst, dass sich die Germanisierung in Ostoberschlesien als ein weitaus komplizierteres Unterfangen herausstellen sollte, als der Volkstumskampf in Westoberschlesien. Das ethnisch zerklüftete Ostoberschlesien war von Bevölkerungsgruppen bewohnt, die sich in ihrem Selbstverständnis als Polen, Tschechen, Deutsche, Juden und/oder Schlesier wahrnahmen und wie bereits weiter oben erwähnt, sich auch zum Teil rassisch als eigenblütige[s] Einheitsvolk slavo-germanischer Blutmischung wahrgenommen hatten. Mit dem Wissen um diese komplizierte ethnische Gemengelage, musste Wagner die Forderung nach einer rigorosen Erweiterung Oberschlesiens angesichts des Germanisierungsauftrags wie eine Zumutung erscheinen. Zusammen mit dem Präsidenten des Zivilstabes, Otto Fitzner, erhob er Protest. Für Fitzner war die Annexion der Gebiete östlich der Reichsgrenze von 1914 ebenso nicht tragbar. Er vertrat die Ansicht, dass man eine Eingliederung der Kreise zwischen Tschenstochau (Czestochowa) und Saybusch (Zywiec) mit ihrer rassisch inferioren Bevölkerung, ökonomischen unwesentlichen Produktionskapazitäten und Rohstoffvorkommen in den schlesischen Raum kaum befürworten könne und des Weiteren könne dieser schwer verdaubare Brocken nur geschluckt werden, wenn eine rücksichtslose Aussiedelung der Polen und Juden des Raumes und die Rückbesiedelung mit deutschen Menschen in Frage komme. Indes befürworteten unter anderem die Wehrmacht und Wirtschaftskreise eher maximalistische territoriale Erweiterungen und sprachen sich für weitgehende Einbezugnahme der Industrie und Bergbauzentren sowie der landwirtschaftlich geprägten Kreise im ehemals russischen und österreichischen Teilungsgebiet aus, die nie zuvor innerhalb deutscher Grenzen gelegen hatten. Die enormen ökonomischen Ressourcen der Region um Ostoberschlesien und den Revieren Dabrowa und Jaworzno hatten schon in der Vorkriegszeit das Interesse verschiedener deutscher Wirtschaftskreise auf sich gelenkt. Von privatwirtschaftlicher und auch staatlicher Seite waren eine Reihe von Studien zu den ökonomischen Kapazitäten und Potentialen angefertigt worden. Göring und breite Kreise der Wirtschaft setzten sich dementsprechend für die Zusammenlegung der benachbarten Industriegebiete und damit der Erweiterung der Grenzen in ehemaliges russisches und österreichisches Teilungsgebiet ein, um so einen neuen Großoberschlesischer Wirtschaftsraum zu schaffen. Aus volkstumspolitischer Sicht allerdings wäre eine derartige Erweiterung Schlesiens nicht wünschenswert gewesen. Von der Vorstellung geleitet, dass Wissenschaft zur politischen Praxis verpflichte, hatten Volkskundler und Wissenschaftler in Breslau und Berlin den Anspruch an der praktischen Lösung der künftigen Gestaltung Europas mitzuwirken und der Politik mit historisch und volkskundlichen fundiertem Fachwissen beratend zur Seite zu stehen. In diesem Sinne hatte der Historiker Prof. Hermann Aubin am 18. September an den hochrangigen NS-Historiker Albert Backmann geschrieben, dass die Wissenschaft […] nicht einfach warten [kann] bis sie gefragt wird, sie muss sich selbst zu Wort melden. 1939, schon vor der Eroberung Polens, fühlte er sich zum Neuaufbau des Ostens berufen und vertrat die Auffassung, dass die Befreiung der Sudetenländer […] und noch mehr die von Ostoberschlesien – wie er euphemistisch den Überfall auf Polen nannte – nur auf Basis von historischen Voraussetzungen und tiefe[r] historische[r] Analyse vonstattengehen könne. Zusammen mit dem Breslauer Volkskundler Prof. Walther Kuhn war er der Ansicht, dass die Mischbevölkerung in Oberschlesien und im Teschner Schlesien, die beide einer angeblichen Schicksalsgemeinschaft entsprechend generell als Schlonsaken bezeichneten, nicht als Zwischenschicht angesehen werden sollte, sondern diese vielmehr als Deutsche gelten sollten. Kuhn wehrte sich gegen eine Herabwürdigung der sogenannten schlesischen Mischbevölkerung und machte deutlich, dass rassische Kriterien hier fehl am Platz seien. Vielmehr sollte betont werden, dass diese Bevölkerungsgruppe, die wohl nach Abstammung und Mundart polnisch, aber nach Kultur und Gesinnung deutsch ist, und dass im Osten in der Mischzone die nationale Gesinnung das einzig entscheidende ist. Folglich müsste sich eine Grenzziehung nach den sprachlichen und völkischen Trennlinien richten, was mehr oder weniger eine Wiederherstellung der Reichsgrenzen von 1914 bedeutet hätte. Am 28. September 1939 fand sich auf Weisung der Publikationsstelle Dahlem in Breslau der Berliner Arbeitskreis zusammen, an dem unter anderem Kuhn und Aubin teilnahmen. Die Publikationsstelle war unter anderem vom RMdI, Reichsnährstand und dem REM angefragt worden, wissenschaftliches Material zu Fragen der Besatzungsplanung bereitzustellen, da sie dieses als Beistand gegen ihre Konkurrenten in Planungsaufgaben, dem im Entstehen begriffenen SS-Apparats, zu verwenden gedachten. Ausgehend von den Denkschriften Kuhns und Aubins, fasste Dr. Theodor Schieder, der Leiter der Landesstelle Ostpreußens für Nachkriegsgeschichte, die Grundpositionen in der Schrift Siedlungs- und Volkstumsfragen in den wiedergewonnenen Gebieten zusammen. Darin unterstellte er der polnischen Bevölkerung und dem polnischen Staat die Vernichtung und Verdrängung des ansässigen deutschen Volkstums , was wiederum neben dem volkstumspolitischen nicht tragbaren Zustand der deutschen Volkswirtschaft Schäden in Höhe von 2,5 Millionen Morgen Grundbesitz zugefügt hätte. Aufgrund dessen forderte er die Rückerstattung und Wiedergutmachung in Form von Enteignung und Deportation der ansässigen polnischen Bevölkerung. Vor allem bestünde eine Gefahr in den polnischen Flüchtlingen, weshalb er sich für die Verhinderung des Abströmens von Polen aus den wiedererworbenen Gebieten in die bisher völkisch gefährdeten Grenzgebiete des Altreichs aussprach. Denn zentral war für ihn die deutliche Abgrenzung von polnische[m] und deutsche[m] Volkstum , da seines Erachtens Gefahren rassischer Vermischung und völkischer Unterwanderung virulent seien und den deutschen Volkskörper degenerierten. Daher plädierte Schieder für die Deportation der jüdischen und polnischen Bevölkerung aus dem annektierten Gebiet, um so Platz für die deutsche Kolonisation durch ethnisch Deutsche aus dem Baltikum und der UdSSR zu schaffen. Was die sogenannten Mischbevölkerungen Polens, wie die Kaschuben, Wasserpolen , Masuren und Goralen, anging, so favorisierte er die Integration dieser Bevölkerungsgruppen in die deutsche Volksgemeinschaft .

Über den Autor

Steffen A. Wasko, geboren in Heilbronn, studierte in Freiburg, Berlin und Patras Geschichte, Philosophie, Geographie und Latein. Nach verschiedenen Auslandsaufenthalten, u.a. in Paris, Jerusalem, Tripolis, legte er 2014/15 das erste Staatsexamen in Geschichte, Philosophie und Geographie ab. Während seines Studiums spezialisierte er sich auf Deutschland und Polen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, im Besonderen auf die deutsche Besatzungspolitik 1939-45. In der Philosophie gilt sein Forschungsinteresse den kritischen Theorien der Moderne, insbesondere den Frühschriften Karl Marx', der Kritische Theorie und auch der Kritik Heideggers an der Moderne. Momentan arbeitet Wasko in Freiburg i.Br. an seiner Promotion zu den Verbindungen Heideggers Zeug- und Dingbegriffs zu den Marxschen Frühschriften.

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