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- Mut zu einem Leben mit Behinderung: Auch in einem schwierigen Umfeld ist ein Leben mit Behinderung lebenswert
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 416
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
In einem Supermarkt: ‘Guten Morgen! Können Sie mir bitte helfen?’ Erröten, Erblassen, weg. Das tut weh nicht immer ist defensives Verhalten gegenüber Behinderten nonverbal, oft auch massiv, brutal und unmenschlich. Auf dem Flohmarkt: Eine Kiste steht im Weg. ‘Können Sie bitte diese Kiste zur Seite tun, wir möchten hier durch?’ Antwort: ‘Dieser Durchgang ist nur für Menschen!’ Dazu das Grundgesetz: Im 1. Artikel, dem 1. Absatz: ‘Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt’. In Artikel 3, Absatz 1 heißt es ‘Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich’. Ursachen von Behinderungen werden in einfachen Sätzen nach medizinischen Erkenntnissen dargestellt, psychischen Probleme in ihren unterschiedlichsten Formen und Erscheinungsbildern beschrieben. Behinderte leben zurückgezogen, deprimiert, einsam auch ein Leben mit Behinderung ist ein wunderschönes und erfülltes Leben, man muss es nur in die Hand nehmen. Der Grundgedanke: Leben und nicht gelebt werden. Abgebaute Berührungsängste, und wir können alle miteinander leben, trotz der Behinderung aus dem ICH wird ein DU, aus dem DU ein tragkräftiges WIR.
Textprobe: Kapitel I, Der Begriff ‘Behinderung’: ‘Der ist doch behindert’, ein Satz, den man täglich hören kann, unabhängig von der Personengruppe. Schüler sagen diesen oder ähnliche Sätze, genau wie schon mancher Erwachsene den Ausdruck gebraucht hat: ‘So ein Idiot, ist der behindert?’ Es mag durchaus sein, dass solchen Sätzen meist eine besondere Situation vorausgegangen ist. Vielleicht wurde einem Autofahrer gerade die Vorfahrt genommen, sodass er sich so sehr darüber ärgert und an der Fahrzeugführungsfähigkeit des Anderen gezweifelt hat, ihm deshalb die Rolle eines Behinderten zuschreibt, der dann seiner Ansicht nach dann auch nichts im Straßenverkehr zu suchen hätte. Deutlich wird an dieser Stelle, dass der Ausdruck ‘behindert’ an vielen Stellen negativ konnotiert ist und ‘behindert’ meist im Sprachgebrauch mit dem Verständnis von ‘geistig – behindert’ gleichgesetzt wird. Was steckt jedoch wirklich in diesem Begriff, diesem Ausdruck, der für eine in unserer Gesellschaft und deren Sprachgebrauch so alltäglich geworden ist? Folgt man den Ausführungen Felkendorffs, so stellt man fest, dass es nicht leicht ist, eine Definition für den Begriff ‘Behinderung’ zu finden. Es gibt viele unterschiedliche Versuche das ‘Phänomen der Behinderung’ zu beschreiben. Felkendorff verdeutlicht dies an wenigen Beispielen: Unterschiedlichste Menschen werden als ‘behindert’ bezeichnet, obwohl die genannten Personengruppen nicht einmal identisch sind. Genannt seien an dieser Stelle Ausdrücke wie ‘Menschen mit einer Beeinträchtigung’, ‘Menschen mit einer Behinderung’ oder auch ‘Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf’. Behinderung wird demzufolge als ein lockerer Oberbegriff, ‘der sich auf eine bunte Mischung von unterschiedlichen körperlichen und kognitiven Merkmalen bezieht, die oft nichts anderes gemeinsam haben als das soziale Stigma der Begrenzung, Abweichung und Unfähigkeit’ gebraucht. Worin diese Gruppen übereinstimmen, ist, dass sie ‘als Opfer dessen, was die Soziologie als ‚soziales Problem’ bezeichnet’ gelten dennoch oder gerade in diesem Bewusstsein um die Schwierigkeit des Begriffes gebraucht Felkendorff den Begriff der Behinderung. Wichtig ist seiner Ansicht nach, dass man sich der Argumente, die gegen eine Verwendung des Begriffes ‘Behinderung’ sprechen, bewusst ist. Es handelt sich hierbei um : - das Argument der Stigmatisierung, - das Argument des ungerechtfertigten Essentialismus (ungerechtfertigte Hauptsachlichkeit), - das Argument der Defizitaritat (Mangel), - das Argument der Arbitraritat (der Begriff ist eine Konstruktion die bloßer Willkür der definierenden Instanzen entspringt), - das Argument der Individualisierung, - das Argument der segregativen (absondernde, trennende) Wirkung, - das Argument des potentiellen Missbrauchs durch Professionelle, - das Argument des Determinismus und, - das Argument der Überforderung. Der Autor betont an dieser Stelle ausdrücklich, dass mit den angeführten Argumenten bei weitem nicht alle Argumente, die gegen den Gebrauch angeführt werden konnten, genannt seien. Das Bewusstsein über die Problematik des Begriffes wäre anhand der Anführung der Argumente bereits geschärft. Die Reaktionen, die auf die Argumente gegen den Gebrauch des Begriffes ‘Behinderung’ folgen, subsumiert Felkendorff als vier große Strategien. Es handelt sich um folgende Strategien: 1. Betonung der Relativität, 2. Redefinition (Rückerklärung), 3. Substitution und, 4. Ersatzlose Aufhebung. Bei der Betonung der Relativität geht es darum, dass auf eine eigenständige Definition verzichtet wird. Das bedeutet für die Problematik der Behinderung, dass eine eigene Definition des Begriffes ‘Behinderung’ verzichtet wird. Damit ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass bereits vorhandene Definitionen vorgestellt werden. Die Redefinition behält zwar den ursprünglichen Begriff bei, definiert ihn jedoch um. Das bedeutet, dass unter dem einen Begriff anders geartete Definitionen stehen können. Das konkrete Beispiel für den Behinderungsbegriff lautet: Die anderen definieren Behinderung als individuelles Problem, wir hingegen definieren Behinderung als ein soziales Problem. Die Substitution beinhalten die Aufgabe des Begriffes und die Ersetzung dessen durch einen neuen Begriff. So könnten aus ‘Behinderten’ Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen werden. Ein anderes Beispiel für eine Substitution scheint mir der Begriff der ‘Sonderschule’ zu sein, der durch den Ausdruck ‘Schule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf’ ersetzt wurde. Die letzte Strategie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie den Begriff ersatzlos streicht. Meiner Ansicht nach ist die erste Strategie ein Ausweichmanöver um auf eine eigene Definition verzichten zu können. Die Redefinition ist für mich die ansprechendste Strategie, wobei man dabei bedenken muss, dass es für einen Diskurs sehr schwer ist, wenn man immer unterschiedlichste Definitionen hat. Das bedeutet: Wenn man eine Redefinition vornimmt muss man dies deutlich und erkenntlich machen. Die Substitution ist für mich keine wirkliche Lösungsstrategie. Diese Strategie vermeidet Schwierigkeiten, lost aber das Problem nicht. Es gibt zahlreiche Definitionsversuche zum Begriff ‘Behinderung’. Ehe ich an dieser Stelle ‘offiziellen’ und damit auch publizierten Definitionen folge, wird den Definitionen dreier Schülerinnen der Jahrgangsstufe 6 einer Offenbacher Haupt – und Realschule (heute eine IGS) Platz eingeräumt. Diese Schülerinnen antworteten mir auf die Frage: Was bedeutet für dich ‘behindert’? folgendermaßen: ‘Mir fällt zu dem Begriff ‚behinderte’ Menschen ein: Menschen, die nicht so gesund sind wie ein normaler Mensch zum Beispiel wenn die nicht gut laufen können oder sich nicht bewegen können’. Eine zweite Antwort lautete: ‘Eine Person, die körperlich nicht im Stande ist, sich wie ein normaler Mensch zu bewegen, beziehungsweise zu leben, wie ein gesunder Mensch lebt. Ich kenne zwei Arten von Behinderung: Die geistige Behinderung und die Körperbehinderung’. Eine dritte Schülerin antwortete kurz und bestimmt: ‘Sie sind auch Menschen wie wir’. Ein erstes Fazit: In diesen Bestimmungen durch die Schülerinnen finden sich wichtige Aussagen wieder: Erstens : Behinderte Menschen unterscheiden sich von normalen gesunden Menschen. Zweitens : Es gibt mindestens zwei Arten von Behinderung. Drittens : Die behinderten Menschen unterscheiden sich nicht von normalen Menschen, denn es sind Menschen, wie alle anderen auch. Die Definition der Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte (BAGH): Die BAGH legte eine Definition mit folgendem Wortlaut vor: ‘Behinderung ist jede Verhaltensweise, Maßnahme oder Struktur, die Menschen mit nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen Lebensmöglichkeiten nimmt, beschränkt oder erschwert’. Der Zeitraum liegt hier bei sechs Monaten. Die Definition nach Felkendorff ist darum bemüht, ‘Behinderung’ als eine defizitäre Eigenschaft einer Person abzulösen und der damit einhergehenden Individualisierung Einhalt zu gebieten. Bei einer Behinderung, so sollte es herausgestellt werden, handelt es sich um Beeinträchtigungen, die von Außen durch gesellschaftliche Verhältnisse hervorgerufen werden. Eine andere, wiederum inhaltlich erweitere Definition ist die Sozialrechtliche Definition: Im Sozialgesetzbuch IX findet sich eine klare Definition von Behinderung, beziehungsweise Schwerbehinderung ‘Menschen sind behindert, wenn sie ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeiten oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate für den für das Lebensalter typischen Zustand und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwer behindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben’. In aktuellen Ansätzen zur Definition von Behinderung nehmen neben medizinisch definierten Schädigungen auch infrastrukturelle Umweltbedingungen, sowie gesellschaftliche Einstellungen und das Verhalten gegenüber Menschen mit Behinderungen ein größeren Raum ein. So liegt dem UN – Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (‘Behindertenrechtskonvention’) ein dynamisch angelegten Verständnis zugrunde: Danach entsteht Behinderung aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit vorhandenen oder zugeschriebenen Beeinträchtigungen und mit Einstellungs - und umweltbedingten Barrieren. Behinderung nach der Behindertenrechtskonvention ist als offenes Konzept angelegt. Im bundesdeutschen Recht wird die Behinderung im Sozialgesetzbuch IX (siehe dort: § 2 Absatz 1), so festgelegt: ‘Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit langer als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.’ Diese Definition orientiert sich an der in der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stattfindenden Diskussion um die Weiterentwicklung der ‘Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit und Behinderung’ (ICIDH 1 und ICIDH 2), die nicht mehr die Orientierung an tatsächlichen oder vermeintlichen Defiziten (Defizitorientierung), sondern das Ziel der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen in den Vordergrund gestellt hat. Die WHO unterscheidet bisher ‘impairment’ (Schädigung Mängel oder Abnormitäten der anatomischen, psychischen oder physiologischen Funktionen und Strukturen des Körpers), ‘disability’ (Funktionseinschränkung Funktionsbeeinträchtigungen oder Funktionsmängel aufgrund von Schädigungen, die typische Alltagssituationen behindern oder unmöglich machen) und ‘handicap’ (soziale Beeinträchtigung Nachteile einer Person aus einer Schädigung oder Beeinträchtigung). Fazit: Felkendorff macht auf die Schwierigkeit des Begriffes ‘Behinderung’ aufmerksam und weist auf die damit eng verbundenen Gefahren hin. Nähere Bestimmungen, vorgenommene Definitionen des Begriffes ‘Behinderung’ werden im Folgenden dargestellt und auf mögliche, inhaltliche Veränderungen hin betrachtet.
Günter-Manfred Pracher wurde 1950 in Leiten, Niederbayern geboren. Im Schwarzwald aufgewachsen studierte er in Freiburg Evangelische Theologie und Religionspädagogik. Schwerpunkte in seiner Arbeit waren die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, sowie die Kranhausseelsorge. Nach einer dreijährigen Dienstzeit in der Gemeindearbeit (in Neckarzimmern und Karlsruhe) verließ er die Badische Landeskirche und wechselte in den Schuldienst nach Hanau in Hessen (Landeskirche Kurhessen und Waldeck). Vakanzvertretungen in den Dekanaten Hanau Stadt und Hanau Land waren neben der Arbeit an der Berufs- und Berufsfachschule seine Schwerpunkte. Hier fand er mit seinen Schülern Wege der neuen Begegnung mit dem christlichen Glauben und der Umsetzung im Alltagsleben soziale Projekte im Dienst am alten und kranken Menschen, die Zusammenarbeit mit dem Hessischen Rundfunk und dem Hessischen Fernsehen waren neben einer intensiven Begleitung seiner SchülerInnen bei aktuellen Lebensfragen bis hin zur Begleitung im Strafvollzug. 1989 musste er auf Grund seiner Krankheit in den Ruhestand treten. Um den Sinn des Lebens zu erhalten und anderen Menschen Mut zu einem Leben mit Behinderung zu machen, begann er problemorientierte Bücher zu schreiben.
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