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Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 180
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Seit Januar 2000 sind Leistungserbringer des deutschen Gesundheitssektors dazu verpflichtet, Qualitätssicherung zu betreiben. Kern dieser Bemühungen sind Aufrechterhaltung von Pflegequalität und Vermeidung von Pflegefehlern. Qualitätssicherung dient aber nicht nur der Erfüllung von Sozialgesetzen und marktwirtschaftlicher Anforderungen: Besonders Kinder sind gegenüber den vielen auf sie einwirkenden Berufsgruppen – mit ihren speziellen Vorstellungen von Behandlung – verwundbarer als Erwachsene. Patienten sind meist nicht in der Lage, ihren stationären Aufenthalt objektiv bewerten zu können. Diese Tatsache gestaltet sich umso komplexer, je weniger der Patient in der Lage ist, Beschwerden oder Unwohlsein klar und verständlich auszudrücken. Der Arbeitsalltag ist in den vergangenen Jahren selbst auf deutschen Kinderstationen immer hektischer geworden. Darunter droht das Kindeswohl zu leiden, was sich wiederum nachteilig auf den Genesungsprozess auswirken kann. Im Rahmen der vorliegenden Studie stellt der Autor ein Modell vor, mit dessen Hilfe Qualitätsbeauftragte, Sozialarbeiter und Kinderkrankenschwestern sinnvolle Qualitätssicherung auf der pädiatrischen Station realisieren können.
Textprobe: Kapitel 2, Theoretischer Rahmen: 2.1, Der Begriff der Zufriedenheit und gängige Abfragemethoden: In der Regel werden Zufriedenheitsabfragen von Patienten bezüglich ihres stationären Krankenhausaufenthaltes per Interview oder mithilfe eines Fragebogens realisiert. Diese Methode der Zufriedenheitsmessung wird innerhalb der einschlägigen Literatur kritisch betrachtet. Zum einen existieren keine einheitlichen theoretischen Konzepte und Definitionen des Zufriedenheitsbegriffs (Vgl. Jakob, Bengel 2000, S. 282). Zum anderen ist der Zustand der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit ein individueller und daher nicht objektivierbarer Gefühlszustand. Diese Subjektivität begründet die nordamerikanische Pflegetheoretikerin P. Benner durch die Existenz eines Kontextes, in dem ein Mensch lebt, fühlt und handelt. Sinnzusammenhänge sind abhängig von der Umwelt, in welcher ein Mensch aufgewachsen ist. Die Interpretation der Welt erfolgt daher immer auf sehr individuelle Weise (Vgl. Benner/Wrubel 1997, S. 65). So wird nachvollziehbar, warum einem Kind das im Krankenhaus angebotene Spielzeug besonders gut gefällt - etwa weil es zuhause kaum Spielzeug besitzt - während ein anderes Kind, das mit vielen und teuren Spielsachen zuhause aufwächst, das gleiche Spielzeug schlichtweg als ‘öde’ bezeichnet. Solche und ähnliche Faktoren kennen wir alle und mit ihnen die Erfahrung, dass sich ‘über Geschmack streiten lässt’. Ähnliche Faktoren, die oft in Fragebögen zu finden sind, betreffen ‘Essen’, ‘Einrichtung’ und ‘Freundlichkeit des Personals’. Jeder Mensch bewertet dieses aufgrund seines persönlichen Kontextes anders. Es besteht der Zweifel daran, ob solche Aspekte fragebogenrelevant und damit verbesserungsfähig sind. Ein ähnliches Beispiel betrifft vorinstallierte Fernseher in (Kinder-) Krankenzimmern. Fast alle Kinder finden es ‘toll’, einen Fernseher anschalten zu können, wann immer sie es wünschen. Genauso viele Eltern halten davon ganz und gar nichts. Gäbe es aber keine Fernseher in Krankenzimmern, würden Kinder sie vermissen. Hier zeigt sich, dass neben dem Kontext, aus dem Kinder stammen, weitere Faktoren wie Alter und Entwicklungsstand Wünsche und Vorstellungen beeinflussen und letztere daher noch weniger objektivierbar machen. 2.2, Reaktionen von PatientInnen auf Zufriedenheitsabfragen: Neben kaum objektivierbaren Ergebnissen aus Zufriedenheitsabfagen steht die Frage, was es in PatientInnen auslöst, wenn sie nach ihrer Zufriedenheit befragt werden. Diese Frage drängte sich dem Forscher nach einzelnen Beobachtungen auf: Wurden beispielsweise während der Beobachtung Situationen vom Forscher erfasst, die er für das Kind als unangenehm bzw. angenehm interpretierte, sagten die Kinder im anschließenden Interview, dass ‘alles im Krankenhaus schön sei’. Diese für Kinder typischen ‘Gefälligkeitsantworten’ (Vgl. Heinzel 2000, S. 38) sind unter der These ‘Patient satisfaction rates are too high’ bekannt und werden auch in der deutschen Forschung (Vgl. Alt 1995, S. 2) beschrieben. Ein dreijähriges Forschungsprojekt zum Thema Patientenzufriedenheit in Hamburg-Eppendorf bestätigt dies. Die dort tätige Forscherin kam zum Ergebnis, dass die Fragebogenangaben von Patienten, die in zahlreichen Krankenhäusern begleitet, beobachtet und befragt wurden, im krassen Gegensatz zu den beobachteten Gegebenheiten, den Interviewinhalten oder einfach dem gesunden Menschenverstand standen (Vgl. Lecher, 2002, S. 5). Es kam sogar vor, dass PatientInnen dem Arzt gegenüber sehr dankbar waren, obwohl aus medizinischer Sicht kein optimaler Heilungsverlauf zu verzeichnen war oder sogar Komplikationen auftraten (Vgl. Wüthrich-Schneider 1999, S. 65). Gründe für diese ‘falsch-hohe’ Zufriedenheit können zum einen im ‘Bewältigungsverhalten’ (Vgl. Lecher 2002, S. 90) von Patienten in unliebsamen Situationen liegen. Zum anderen liegt es bei Kindern an der ‘Sprachbarriere’, den bereits erwähnten Gefälligkeitsantworten. Eine weitere Schwierigkeit ergibt sich bei Kindern aus der Tatsache, dass sie oft nur das wiedergeben, was ihnen erwachsene Bezugspersonen vorgeredet haben (Vgl. Heinzel 2000, S. 39). Dies liegt am geringeren Umfang an Wissen und Erfahrung von Kindern, was sie von der Meinung der sie umgebenden Erwachsenen abhängig macht. Aufgrund der räumlichen Enge im Krankenhaus sind Kinder regelmäßig den Meinungsäußerungen ihrer Eltern ausgesetzt, was sie konsequenterweise in ihrer persönlichen Meinungsbildung beeinflusst. 2.3, Der Begriff der Empfindung: Gerade weil sich der Zugang zu angenehmen oder unangenehmen Erfahrungen aus den o. g. Gründen als schwierig erweist, soll überprüft werden, wie diese trotzdem erkannt und erfasst werden können. Ein Schlüssel dazu liegt in der Kindheitsforschung und mit ihr in der Erforschung kindlicher Empfindungen. Der Begriff ‘Empfindung’ definiert sich über die Emotionspsychologie. Zum einen sind Empfindungen Manifestationen von angenehmen bzw. unangenehmen Emotionen (Vgl. Otto et al. 2000, S. 103). Zum anderen sind sie das Gegenteil von Gleichgültigkeit, und ‘sie entstehen nur, wenn eigene Ziele, Interessen und Bedürfnisse betroffen sind’ (Vgl. Ulich 1989, S. 34). Die Emotionspsychologie stellt die Verbindung von Empfindungen zu bedürfnisrelevanten Faktoren, wie Angst und Freude, dem Ausdruck von befriedigten bzw. unbefriedigten Bedürfnissen her. Diese Faktoren laufen ‘- im Vergleich zu anderen psychischen Erscheinungen – bevorzugt auch über nicht-verbale Kommunikationskanäle’ (Vgl. Ulich 1989, S. 39). Kinder besitzen ‘die Fähigkeit, Signale auszusenden, die von der Umwelt als sozial interpretiert werden’ (Vgl. Rossmann 1995, S. 68). Daher nutzen Emotionspsychologen vorzugsweise qualitativ orientierte Analysen, wie die offene Beobachtung, um diese Signale erfassbar zu machen (Vgl. Otto et al. 2000, S. 469). Auf diese Weise können Empfindungen, welche die leib-seelische Zuständlichkeit und das Involviertsein (Berührtsein) widerspiegeln, nachgewiesen werden. In den durchgeführten Beobachtungen wurde z.B. Angstempfinden durch Angespanntheit und das Kneten des Stofftieres beobachtet. Auslöser für die Angst bot eine Fernsehszene, in der eine Zeichentrickfigur nach einer Messerattacke verblutete. Menschen erleben sich beim Auftreten von Empfindungen in der Regel passiv (Vgl. Ulich et al. 1992, S. 56f). Diese Tatsache ist in Bezug auf das Krankenhauserleben von besonderer Bedeutung, denn aus der Erfahrung des Autors äußern PatientInnen und Angehörige oft das Gefühl von Ausgeliefertsein und Hilflosigkeit in Bezug auf Krankheit, Pflege und Behandlung. 2.4, Kindliche Bedürfnisse: Aufbauend auf die Emotionspsychologie lässt sich ableiten, dass angenehme bzw. unangenehme Empfindungen menschliche Bedürfnisse widerspiegeln (Vgl. Otto 2000, S. 103). In der Rückschau auf die Ergebnisse der Forschungsphase tauchen regelmäßig Interpretationen wie ‘Angst’, ‘Schmerz’, ‘Nacht’ oder ‘Bewegungsmangel’ auf. Solche Aspekte lassen sich auf die außergewöhnliche psychische und physische Belastung eines Kindes im Krankenhaus zurückführen. Dieser Betrachtungsansatz zielt ab auf die ‘Erfassung der Bedürfnisse eines Kindes während eines Klinikaufenthaltes, ferner [auf] die Berücksichtigung von kindlichen Bedürfnissen während der Behandlung’ (Vgl. Biermann 1978, S. 79ff). Dies bedeutet für die Praxis, dass die Kinderkrankenschwester die Angstempfindungen eines Kindes erkennt und adäquat darauf reagiert. Dies hat zum Ziel den physisch und psychisch eingeschränkten Kräften [eines Kindes] so zu begegnen, dass ‘seine Kräfte mobilisiert werden, damit es die jeweils gegebenen individuellen psychischen Schwierigkeiten und Nöte bewältigen kann’ (Vgl. Biermann 1978, S. 85). Daher sollen im Folgenden weniger allgemeine - nach Benner kontextabhängige - Wünsche betrachtet werden, als mehr kindliche Grundbedürfnisse. Gerade durch sie kann in erheblicher Weise das Wohlbefinden eines Kindes beeinflusst werden. Dies begründet sich nicht nur mit der Annahme, dass Kinder versuchen, ‘Unlust’ zu vermeiden (Miller 1993, S. 166): ‘Mallmann sagt, dass die Befriedigung jeder acht Bedürfnisse Voraussetzung für die Vermeidung von Krankheit sei’ (Kollak et al. 1999, S. 41). Selbst ohne wissenschaftlichen Hintergrund wird nachvollziehbar, dass einem Kind in Angst machenden Momenten, wie Verbandswechsel oder Injektion, das Bedürfnis von Sicherheit wichtiger ist als die Freude an Besitz oder Erreichbarkeit von ‘tollem’ Spielzeug. Das hier angesprochene Bedürfnis nach Sicherheit steht zweifellos über dem Besitz von Gegenständen, die den Geschmack eines Kindes treffen oder nicht. Angst drückt das Bedürfnis nach mehr Sicherheit aus. Bedürfnisse werden allgemein als Bedarfs- oder Mangelzustand bezeichnet, in dessen Folge ein psychisches Spannungsgefälle auftritt. Der Mensch strebt nach Beseitigung des zu Grunde liegenden Mangels (Bedürfnisbefriedigung, Vgl. Hondrich, K.O. 1975, S. 26). Nach dem hierarchischen Stufenmodell von Maslow werden körperliche Bedürfnisse (Nahrung, Schlaf, Bewegung etc.) und geistige Bedürfnisse (Sicherheit, Geborgenheit und Liebe, Wertschätzung und Selbstverwirklichung) unterschieden (Vgl. Der Brockhaus - Psychologie 2001, S. 68). H. Smith (Vgl. Smith 1999, S. 18ff) und Hondrich haben das Maslowsche Stufenmodell erweitert. Diese Erweiterung sieht den Menschen als ‘ein System, dessen Einheiten Bedürfnisorientierungen mit unterschiedlicher Intensität sind’. Dies ist in Bezug auf Macht und damit verbundene Konflikte von Bedeutung, die bei der Erfüllung von Bedürfnissen Einfluss haben können. Diese Sichtweise wendet sich eher dem Verhältnis der Konfliktpartner zu, als der inneren Befindlichkeit von Individuen im Verhältnis zu befriedigten oder nicht befriedigten Bedürfnissen (Vgl. Hondrich 1975, S. 30f). Diese Aspekte spielen für die Situation des Kindes im Krankenhaus nur insofern eine Rolle, als sie Opfer von Machtkämpfen unter Erwachsenen werden können, etwa wenn sie – wie in den Beobachtungen aufgeführt - Streitereien Erwachsener ausgesetzt sind. Kritische Stimmen aus dem Umfeld des Autors sahen die Maslowsche Bedürfnispyramide als ein nicht mehr gebräuchliches, da überholtes Modell. Weil es aber immer noch von PflegetheoretikerInnen genutzt wird (Kollak et al. 1999, S. 56), wird auch in dieser Diplomarbeit darauf zurückgegriffen. Das Stufenmodell von Maslow unterscheidet Bedürfnisse hierarchisch nach ihrer Wichtigkeit. So ist die Sorge um Sicherheit das wichtigste Bedürfnis eines Menschen. Danach folgen Geborgenheit, Liebe und Wertschätzung. Am Ende steht die Selbstverwirklichung des Menschen (Vgl. Hondrich, K.O. 1975, S. 26, Kollak et al. 1999, S. 57). Dieses Prinzip rückt nachrangige Bedürfnisse in den Hintergrund: Wertschätzung und Selbstverwirklichung bleiben für den Menschen bedeutungslos, solange seine Sicherheit nicht garantiert ist. Die Erfüllung aller Grundbedürfnisse ist Voraussetzung für die gesunde psychologische Entwicklung eines Kindes. Wenn Grundbedürfnisse des Kindes u.U. über einen längeren Zeitraum unerfüllt bleiben, kann das Kind Schaden nehmen, was sich wiederum ungünstig auf seine weitere Entwicklung auswirkt (Kollak et al. 1999, S. 41). Im Folgenden wird der Zusammenhang von Bedürfnissen und der Entwicklung von Kindern innerhalb seiner Entwicklungsphasen beschrieben, um die Wichtigkeit zu unterstreichen, mit kindlichen Empfindungen - besonders während eines stationären Aufenthaltes - adäquat umzugehen. Bedürfnisse haben in jeder existierenden Kultur einen so hohen Stellenwert, dass diese ‘allgemein akzeptierte Normen entwickelt, um den Bedürfnissen eines Kindes in den verschiedenen Stufen der Reifung entgegenzukommen’ (Vgl. Miller 1993, S. 156, zitiert in Holoch et al. 1999, S. 183). Der Psychoanalytiker Erik H. Erikson hat in seinem Stufenmodell der Entwicklung dargelegt, dass eine gesunde kindliche Entwicklung nur mit der adäquaten Antwort auf kindliche Bedürfnisse einhergeht. Dies geschieht, indem das Kind die Erfahrung macht, dass ‘zwischen der Welt und den persönlichen Bedürfnissen eine Übereinstimmung besteht’. Diese Übereinstimmung ist z.B. erreicht, wenn ein Kind Hunger hat und Nahrung erhält, wenn es weint und getröstet wird, oder wenn es Angst empfindet und sich nicht allein gelassen, sondern beschützt fühlt. Diese Erfüllung der zitierten Bedürfnisse prägt die Entwicklung des kindlichen Urvertrauens innerhalb des ersten Lebensjahres entweder in der einen oder in der anderen Richtung. Werden die Bedürfnisse gestillt, entwickelt das Kind ein gesundes Urvertrauen gegenüber der Umwelt und seinen Menschen. Geschieht dies nicht, bleibt das Kind lt. Erikson für immer misstrauisch gegenüber seiner Umwelt (Urvertrauen vs. Urmisstrauen, Vgl. Flammer 2004, S. 85).
Alexander Weber absolvierte als Kinderkrankenpfleger 2007 den Diplomstudiengang Pflegemanagement an der Evangelischen Hochschule Berlin (EHB). Neben Tätigkeiten als Honorardozent in Berlin und Neustrelitz ist er als Qualitätsbeauftragter in der ambulanten Kinderintensivpflege in Berlin tätig. In seinem aktuellen Buchprojekt beschäftigt er sich mit Euthanasie an unheilbar kranken Kindern.
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