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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Forschungsbefunde belegen, dass Kinder mit Literacy-Erfahrungen in der frühen Kindheit, d.h. reichhaltigen Erfahrungen rund um die Buch-, Erzähl- und Schriftkultur, langfristig Entwicklungsvorteile sowohl im Bereich der Sprach- als auch der Schriftsprachkompetenz besitzen. Das Literacy-Konzept aus dem anglo-amerikanischen Raum bleibt in der deutschen Kindergartenpraxis bisher bedauerlicherweise nahezu unberücksichtigt. Mit der vorliegenden Veröffentlichung soll daher darauf aufmerksam gemacht werden, welch großes Lern- und Bildungspotenzial in einer dialogisch durchgeführten Bilderbuchbetrachtung sowie im Medium Bilderbuch selbst für die sprachliche und insbesondere schriftsprachliche Entwicklung steckt.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Literacy – eine Begriffsbestimmung: Die Terminus Literacy besitzt ein breites Bedeutungsspektrum. Er findet beispielsweise als Metapher für eine anwendungsorientierte Grundbildung Verwendung (vgl. Nickel 2007a, S. 1). Dabei wird u.a. zwischen Mathematik-, Health-, Financial-, Scientific-, sowie Reading- und Writing-Literacy unterschieden (vgl. Nickel 2005, S. 85). Zwar sind Reading- und Writing-Literacy spezifische Formen von Literacy, doch kommt ihnen ‘eine Schlüsselrolle für alle weiteren Formen von Literacy zu’ (Nickel 2007a, S. 1). Die Konzeption von Literacy ist der Vorstellung von grundlegender Bildung sehr ähnlich, ‘nicht jedoch als Allgemein-Bildung im Sinne deklarativen Wissens […], sondern in pragmatischer und funktionalistischer Weise’ (Nickel 2005, S. 86). Die Schlüsselformen Reading- und Writing-Literacy definieren ‘in pragmatischer Absicht grundlegende Kompetenzen, die in der Wissensgesellschaft für die individuelle Lebensbewältigung praktisch bedeutsam sind und Menschen befähigen, Lesen [und Schreiben] in verschiedenen Verwendungssituationen einsetzen zu können. Dabei werden die kulturellen Bedeutungen von Bildungsinhalten und die Entwicklung von Kompetenzen für ein selbstgesteuertes und lebenslanges Lernen betont’ (Hornberg et al. 2007, S. 23 Zus. v. C.K.). Der Begriff ‘Literacy’ ist nicht nur konzeptionell, sondern auch terminologisch schwer zu fassen. Im Deutschen existiert für ihn keine angemessene Entsprechung. Die Übersetzung ‘Lese- und Schreibkompetenz’ greift zu kurz, denn ‘der Begriff bezieht sich auf weit mehr als die Grundfertigkeiten des Lesens und Schreibens’ (Ulich 2003, S. 6). Unter Literacy wird ‘eine komplexe und hoch entwickelte Erweiterung kommunikativer Fertigkeiten und gesprochener Sprache’ (Whitehead 2007, S. 61) durch die Teilhabe an der Buch-, Reim- Erzähl- und Schriftkultur einzelner Sprachgemeinschaften (vgl. Ulich 2006, S. 258) verstanden. Der Begriff ‘Literacy’ umfasst damit Kompetenzen, Einstellungen und Wissen wie Interesse an Schrift, die Fähigkeit sich schriftlich auszudrücken, Vertrautheit mit Büchern sowie Schriftsprache und ‘literarischer’ Sprache , Schreib- und Lesefreude, Text- und Sinnverständnis, Sprachgefühl, sprachliche Abstraktionsfähigkeit etc. (vgl. Ulich 2003, S. 6). Er impliziert Facetten der sprachlichen, schriftsprachlichen, narrativen und allgemein medialen Entwicklung (vgl. u.a. Kain 2006, S. 19). Demzufolge schränkt die zum Teil vorgenommene wörtliche Übersetzung ‘Literalität’ (vgl. u.a. Nickel 2007b) den Bedeutungsbereich des Begriffes ‘Literacy’ stark ein. Der Terminus ‘Literalität’ verweist nämlich ausschließlich ‘auf die mediale Dimension der Schriftlichkeit, die konzeptionelle Dimension bleibt ausgeklammert’ (Dürscheid 2002, S. 61). ‘Literacy hingegen bezieht auch den Bereich der Literarität, also die ästhetische Dimension der Ideen und Imaginationen mit ein’ (Nickel 2007, S. 87). Am ehesten lässt sich der Terminus durch die Bezeichnung Schriftlichkeit verdeutlichen. Koch und Oesterreicher unterscheiden sprachliche Äußerungen hinsichtlich zwei Dimensionen, der medialen und der konzeptionellen Mündlichkeit bzw. Schriftlichkeit (vgl. Dürscheid 2002, S. 48). ‘Die mediale Dimension bezieht sich auf die Realisationsform der sprachlichen Äußerung, die konzeptionelle Dimension auf die in der Äußerung ausgewählten Ausdrucksweise’ (ebd.). Das Medium der Realisierung sprachlicher Äußerungen kann entweder mündlich oder schriftlich sein. Wird eine Äußerung ausgesprochen, wird sie phonisch (in Form von dynamischen Schallwellen) kodiert. Im Falle der Verschriftung liegt eine graphische Kodierung in Form von statischen Symbolen vor (vgl. ebd vgl. Nickel 2007, S. 87). Während das Medium der Realisationsform dichotomische Merkmale trägt, ist die Konzeption, die die Äußerung prägt, gradierbar. Die jeweilige Ausdrucksweise ist zwischen den Endpunkten eines Kontinuums, dem Mündlichkeitspol und dem Schriftlichkeitspol, einzuordnen. So ist die Kommunikation in Chatrooms konzeptionell dem Mündlichkeitspol zuzuordnen, denn Chatkommunikation weist beispielsweise weniger Informationsdichte auf und ist durch Prozesshaftigkeit gekennzeichnet. Gleichzeitig ist sie jedoch graphisch kodiert und damit medial schriftlich. Ein wissenschaftlicher Vortrag hingegen ist medial mündlich, weist jedoch die für die konzeptionelle Schriftlichkeit charakteristischen Merkmale auf, wie beispielsweise Nominalisierungen, Funktionsverbgefüge und hypotaktische Konstruktionen und ist damit eher als konzeptionell schriftlich zu beschreiben (vgl. Dürscheid 2002, S. 52). Diese zwei Beispiele lassen erkennen, wie unterschiedlich sich Schriftlichkeit im Alltag der Menschen äußert. Von Anfang an begegnen Kinder den variationsreichen sowie vielfach kombinierbaren Formen von medialer und konzeptioneller Schriftlichkeit bzw. Mündlichkeit. Sie erkennen Buchstaben z.B. auf Straßenschildern, Lebensmittelverpackungen und in der Zeitung. Beim Vorlesen von Geschichten und Texten oder beim Aufschnappen der Worte des Nachrichtensprechers im Radio oder im Fernsehen nehmen sie akustisch konzeptionell Schriftliches wahr. Es wird deutlich, dass Literacy ‘ein Prozess der Enkulturation [ist], der in einen bestimmten Rahmen eingebettet ist. Die Chance zu entsprechenden Erfahrungen wird nicht unwesentlich vom soziokulturellen Milieu bestimmt. Barton (1994), Barton/Humiliton (1998) und Barton/Hamilton Hamilton/Ivanovic (2000) untersuchen in diesem Zusammenhang unterschiedliche literacy practices, die für verschiedene Domänen, lokale und soziale Lebenszusammenhänge charakteristisch sind. Sie weisen darauf hin, dass Schriftgebrauch stets historisch und sozial situiert ist und dass literacy events stets als an spezifische Wissensbestände, Werte und Einstellungen gebunden sind. Sie sind als Teil eines Habitus zu verstehen’ (Huneke 2008, S. 4 Zus. V. C.K.). Demnach kann ‘nicht davon ausgegangen werden, dass Literacy etwas ist, über das man verfügt oder nicht, sondern dass Literacy einem Set sozialer Praktiken entspricht, das sich in seiner Verfügbarkeit und Ausgestaltung von Person zu Person unterscheidet (Barton 1994 1997)’ (Nickel 2007a, S. 1). Des Weiteren ist die Ausformung von Literacy ein lebenslanger Prozess. ‘Weder beginnt sie mit der Schulzeit noch endet sie mit ihr. Literacy wird zu allen Zeiten und in verschiedenen Handlungsfeldern im Gebrauch weiterentwickelt’ (Nickel 2007a, S. 1). Kapitel 3, Der Erwerb von Literacy: Das Literacy-Konzept stützt sich auf die Annahme, dass sich die Prozesse des Hörens, des Spracherwerbs, des Lesens und Schreibens nicht zeitlich aufeinander aufbauend, sondern in ständiger Wechselseitigkeit entwickeln (vgl. Teale/Sulzby 1989 in Kammermeyer/Molitor 2005, S. 130). Die Zusammenhänge in der Entwicklung dieser Prozesse sollen im Folgenden erläutert werden. Schwerpunktmäßig wird dabei auf den Erwerb der mündlichen Fähigkeiten und das Erlernen des Schreibens und Lesens eingegangen, weil eben die mündlichen Fähigkeiten ein wichtiges Fundament für das Schreiben und Lesen lernen bzw. den Literacy-Erwerb sind (vgl. Mand 2008, S. 13). ‘Wortschatz, Grammatik und pragmatische Kompetenzen […] sind wichtig, wenn Kinder lesen und schreiben lernen’ (ebd.). Je weiter der Spracherwerb der Kinder fortgeschritten ist, desto erfolgreicher verläuft das Lesen- und Schreibenlernen (vgl. Klein 2005, S. 16). Gleichzeitig ist das Schreiben- und Lesenlernen zentral für die Weiterentwicklung sprachlicher und kognitiver Prozesse (vgl. u.a. Valtin 2000, S. 17). ‘Die Auseinandersetzung mit der Schrift erfordert individuelle metasprachliche Fähigkeiten[] [..] [sowie] sprachanalytisches Vorgehen und fördert dieses zugleich’ (Huneke 2008, S. 3 Zus. V. C.K.). ‘Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben lernen haben [daher auch] Auswirkungen auf die Weiterentwicklung der mündlichen Sprache’ (Füssenich 2005, S. 25, Zus. V. C.K.). Im Folgenden geht es weniger darum, den Entwicklungsverlauf des Sprach- und des Schriftspracherwerbs differenziert darzustellen, sondern eher darum, aufzuzeigen, was unter dem jeweiligen Terminus zu verstehen ist und auf welche Art und Weise sich der Sprach- und Schriftspracherwerb vollzieht.

Über den Autor

Corinna Kühn wurde 1984 in Münster geboren. Sie ist staatlich anerkannte Erzieherin und schloß an der Technischen Universität Dortmund im Jahr 2011 ihr Studium für das Lehramt an Berufskollegs mit der beruflichen Fachrichtung Sozialpädagogik und dem Unterrichtsfach Deutsch ab. Im Jahr 2013 absolvierte sie in Münster das 2. Staatsexamen. Seitdem ist sie an der Liebfrauenschule in Coesfeld tätig und unterrichtet neben angehenden Erzieherinnen und Erziehern weitere Schülerinnen und Schüler in Bildungsgängen mit einem pädagogischen Schwerpunkt.

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