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Gesellschaft / Kultur

Heide Marie Herstad

Lachstrukturen und Lachkontexte: Das Komische, Phantastische, Absurde, Satire und Ironie

ISBN: 978-3-95935-196-6

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 264
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Lachen, welches sowohl ein physischer wie emotionaler Bewusstseinsprozess ist. Die erste Fragestellung dieser Abhandlung heftet sich an die Bedingungen, die Lachen auslösen, die konkret in den Strukturen der Produkte nachgewiesen werden können, die Lachen auslösen. Die andere Fragestellung behandelt das Phänomen des Lachens selbst, das aber nur in Analogie und vermittels der Wirkung der Produkte ermittelt werden kann, denn einerseits wird im und mit dem Lachen die logische Erkenntnis unseres reflexiven Weltverständnisses betrogen und unterminiert, doch andererseits begreifen wir emotional das Paradox der Wirklichkeit. Lachen gehört in den Bereich der Unterhaltung. Lachen kann aber auch effektiv in der pädagogischen Ausbildung eingesetzt und genutzt werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3 LACHEN ALS PRODUKT: Dieses Kapitel behandelt Theorien des Komischen und strukturelle Modelle des Komischen. Hierbei werden folgende Gebiete erfasst: (1) Die verbalen Strukturen des Komischen, (2) die nichtverbalen Strukturen des Komischen wie Mimik, Gestik, Pantomime und (3) das Komische im semiotischen Zeichensystem. Zum semiotischen Zeichensystem gehören zum Beispiel das Geschehen auf der Bühne in der szenisch-theatralischen Gestaltung der Wirkungsmittel von Bühnenbild, Kostüme, Masken, Requisiten, Musik, Gesang und Tanz, in der Darstellung von Epochen, Zeitalter, Milieu, in der Kombination aller verbalen und nichtverbalen Elemente und aller bildlichen-metaphorischen und symbolischen Zeichen. 3.1 Theorien des Komischen: Ich versuche kurz, wesentliche Beiträge der Theorien des Komischen zu beschreiben. Zusammenfassend kann zu all diesen Theorien gesagt werden: Jede Theorie des Lachens hat einen Wahrheitsgehalt. Keine der Theorien vermag, Lachen voll und ganz ausschöpfend zu beschreiben. Trotzdem kann vermutet werden, dass es allgemeinverbindliche Strukturen in den Lachprodukten gibt, und dass diese Strukturen mit bestimmten Verhaltensmustern des Menschen übereinstimmen. Seit Aristoteles gib es viele Theorien über das Lachen, das Komische, die Komödie, Humor usw., zu viele als dass sie hier auch nur annähernd vollständig erfasst werden könnten. Ich werde darum die wesentlichsten Theorien zur Lachforschung in nur einigen wenigen Hauptpunkten zusammenfassen. Die Theorie der Überlegenheit: Das ist die Theorie der Machtausübung, der Dominanz und des agressiven Witzes. (Vgl. Charney, 1987, 3 Nelson, 1990, 3 Palmenfeldt, 1996, 14) Hier hat das Lachen seine Wurzeln im Bösen. Das Lachen ist das Böse an sich: Laughter is often discordant, malicious, or vindictive (Nelson, 1990, 2) Die Theorie der Unangemessenheit: Die Theorie der Unangemessenheit wird auch Inkongruenz- oder Kontrasttheorie genannt. Nach Rommel, (1975, a, 21) ist sie in der deutschen Forschung vorherrschend: Nach dieser Theorie wird das Lachen dadurch hervorgerufen, dass zwei miteinander im Gegensatz stehende Vorstellungen in engsten Zusammenhang gebracht werden (Rommel, 1975, a, 4). In die Inkongruenz-Theorie brachte Kant zum ersten Male die Diskussion auf das Spannungsgefälle. Nach Rommel (1975, a) liegt Kants Verdienst auch darin, dass er Lachen mit Lust in Verbindung brachte, und dass die Theorie der Inkongruenz als im Kontrast in absteigender Richtung, mithin von entspannender Wirkung (Rommel, 1975, a, 6) bezeichnet wurde. Nach Lessing ist Lachen das Resultat von Ungereimtheiten (vgl. Hügli, 2001, 11) nach Goethe entspringt es sittlichen Kontrasten (ebenda). Jeder Kontrast kann nach Hegel Lachen auslösen (ebenda), er muss aber strukturell vom Objekt vorgegeben sein. Lächerlich wird diese von der Struktur vorgegebene Wirklichkeit erst im Rezeptionsaugenblick. Als lächerlich wird dabei jede Abweichung von moralischen, ethischen und religiösen Anschauungen, intellektuellen Maßstäben, konventionellen und kulturellen Normen und von psychischen Bedingungen empfunden. Das heißt, auch wenn der Anlass zum Lachen vom Gegenstand strukturell vorgegeben sein muss, so ist er doch nur potentiell und latent vorhanden. Er erfüllt sich erst im Rezeptionsaugenblick und das auch nur abhängig von der psychischen, intellektuellen und soziokulturellen Voraussetzung des Rezipienten. Die Kontrasttheorie weist damit auf das gesamte System von Normen, Regeln und Gesetzen zurück, vom Erlaubten und Unerlaubten, vom Erhofften und Tabubelegten, vom Erwünschten und Verachteten, das jede Reaktion des Menschen bedingt. Die Theorie des zweckfreien Spiels: Diese Theorie wurde in der Romantik von Schlegel, Schelling, Ast und Hegel entwickelt: Komik und Komödie seien ihrem Wesen nach entfesselte Subjektivität durch sie wird alle Realität und Objektivität in Freiheit und Idealität, d. h. in Schein und Spiel verwandelt. (Rommel, 1975, a, 12) Das Komische wurde hier im zwecklosen Spiel des Endlichen (Rommel, 1975, a, 13) durch Selbstvernichtung zum Unendlichen geführt. Nelson (1990, 7) weist schon darauf hin, dass die eine Theorie nicht unbedingt die andere ausschließen muss. Ich möchte hier noch einen Schritt weitergehen: Das Unangemessene und das Missverhältnis findet sich in allen Formen des Komischen, auch in dem Gelächter der Überlegenheit. Demgegenüber finde ich nicht Überlegenheit in allen Formen des Lachens. In den Lachprodukten der Angst und Verzweiflung kann es nicht unbedingt nachgewiesen werden. Sie können darum nicht mit den Lachprodukten der Feigheit und Hinterhältigkeit gleichgesetzt werden. Von hier ausgehend könnte man sagen: die Komik der Überlegenheit ist ein Teilbereich des übergeordneten Komikbereiches des Missverhältnisses. Die gleiche Hypothese postuliere ich auch für die vierte Hauptrichtung der Komiktheorien, der Theorie vom Freiwerden psychischer Kräfte. Die Theorie vom Freiwerden der psychischen Kräfte: Aus der Theorie des Kontrastes wurde von Spencer die Theorie der Spannung entwickelt. Nach Spencer ist es jedoch der Mensch selbst, der in Spannung gesetzt wird. (Vgl. Rommel, 1975, a, 25) Der bekannteste Vertreter dieser Richtung ist ohne Zweifel Sigmund Freud. Auch hier kann man sagen, dass sich das Unangemessene und das Missverhältnis bereits in den von Freud genannten Beispielen finden. Demgegenüber kann aber ein Freiwerden psychischer Kräfte nicht in allen Bereichen des Komischen nachgewiesen werden. Dies zeigt sich besonders im Bereich der nichtverbalen Komik. Damit gilt auch hier, dass das Freiwerden psychischer Kräfte als ein Teilbereich des übergeordneten Bereichs des Missverhältnisses angesehen werden kann. Neuere Komikforschung: Auch die Resultate der neueren Komikforschung, die Palmenfelt diskutiert, können unter diesem Aspekt betrachtet werden Thielst skiljer mellan det fria skrattet (som återfinns i barns lek), det frigörande skrattet (det vill säga satiren, parodins och ironins offensiva humor) och det distanserande skrattet. (Palmenfelt, 1996, 14) Alle diese Theorien bezeichne ich als Teilgebiete der Theorie des Missverhältnisses und der Unangemessenheit, weil sich in allen Gebieten der Lachprodukte und der Komik immer ein Missverhältnis nachweisen lässt (vgl. Palmenfelt, 1996, 17), auch im freien Lachen und Spiel der Kinder, auch im befreienden Lachen der Satire und im Gelächter der einsamen, frustrierten Seele. 3.2 Strukturelle Modelle des Komischen: Weizsäcker (1996) formuliert das Gesetz der Einheit der Natur. Solange wir nicht beweisen können, dass der Mensch außerhalb der Naturgesetze steht, solange können wir auch vermuten, dass die Naturgesetze in gleicher Weise für den Menschen gelten: Die Einheiten der Gestalten ist, wenn man sich ernstlich darauf einlässt, ein großes und ganz erstaunliches Erlebnis. (Weizsäcker, 1996, 231) Wenn man die Einheit der Natur für den Menschen a priori postuliert, müsste dies auch auf dem Gebiet des Lachens gelten. Die medizinisch—biologische Forschung hat nachgewiesen, dass es genetische Faktoren gibt, die Lachen mechanisch auslösen können. Lachen kann durch Berühren, Kitzeln, chemische oder elektronische Stimuli hervorgerufen werden. Was nicht klargelegt und erforscht ist, ist die Relation zu den kognitiven Prozessen, die Lachen auslösen können. Wie schon oben diskutiert, entsteht Lachen immer durch irgendwelche Fehlleistungen. Oben wurde dies Missverständnis genannt. Diese Fehlleistungen finden sich im verbalen, im nichtverbalen, im strukturellen und im pragmatischen Bereich. 3.3 Verbale Strukturen des Komischen: Die Linguistik lässt sich in zwei Forschungsgebiete einteilen: die diachronische und die synchronische Sprachwissenschaft. Das gilt für die Phonetik, für die Syntax und genauso gut für die Semantik, Semiotik und Pragmatik. (Vgl. Grewendorf, 1995, 298) Beim verbalen Witz ist die diachronische Betrachtungswiese genauso wichtig wie die synchronische, denn alle Veränderungen im sprachgeschichtlichen Bedeutungswandel sind keineswegs Phänomene, die früher existierten, heute jedoch vergessen und belanglos sind. Das ist kein toter Stoff, ohne Relevanz. Ganz im Gegenteil kann vermutet werden, je effektiver unser Zugang zu allen Formen, Variationen, Differenzierungen, Ausweitungen, Verengungen, Bedeutungsveränderungen und Assoziationen jedes einzelnen Wortes und Morphems ist und zu der lexikalischen, syntaktischen, semantischen und semiologischen Bedeutungsvielfalt, um so größer ist die Lache und der Spaß. Witz manifestiert sich immer in dem, was war, was sein könnte, was möglich wäre, aber auch in dem, was unmöglich ist. Gerade das unbewusste Wissen des Rezipienten ist beim Witz oft entscheidend für die Qualität der Lachwirkung. Hier kann nur ein kurzer Einblick gegeben werden, wie viele Bedeutungsvariationen sich im historischen Wandel an einen Wortkomplex heften können. Best (1989) befasst sich zum Beispiel auf die Wortfeldforschung bei Witzen. Er erforscht den Witz als einen wortgeschichtlich und begriffsmäßig ästhetischen, intellektuellen, Nach Best muss die ursprüngliche Bedeutung von Witz als allgemeines intellektuelles Vermögen (Best, 19989, 7-14) im Zusammenhang mit dem Französischen ésprit (Best, 19989, 14-20) interpretiert werden, denn das allgemeine intellektuelle Vermögen wurde durch die französische Bedeutungsverknüpfung zu witzig (Best, 19989, 6) und geistreich (Best, 1989, 6). Diese Bedeutung wurde in der Auseinandersetzung mit der deutschen Geisteswissenschaft relativiert. Um die Jahrhundertwende zum 18. Jahrhundert wurden zur Konnotation des Witzes moralische Kriterien eingeführt, an denen der Witz gemessen wurde. Witz war jetzt das, was moralisch gefällt oder missfällt (Best, 1989, 23). So wurde dem Witz Scharfsinn (Best, 1989, 26) zugelegt, das Vermögen zum Analogieschluss (Best, 1989, 28), die geordneten Verknüpfung des Ungleichartigen (Best, 1989, 28) und die Ähnlichkeit, Gleichheit und Proportionen der Dinge zu erkennen (Best, 1989, 37). Im Rokoko kam das Scherzhafte hinzu (Vgl. Best, 1989, 38). In der Auseinandersetzung mit der französischen Kultur war eine abwertende Tendenz vorherrschend. Im gleichen Fahrwasser, im gleichen Zeitgeist wurde Witz und Komik auf der Bühne gebranntmarkt, verfemt oder einer Dressur unterzogen. Der Witz sollte belehrend und wohlanständig werden. Man nahm den Witz bierernst, besonders als man versuchte, den Witz als Kunstprodukt im Theater professionell zu servieren. Haman warnte schon zu Lessings Zeiten davor aus dem Witz ein Handwerk zu treiben zu suchen. (Best, 1989, 63) Derart teuflische Verdammungen der Witzkultur waren seid Gottsched, Lessing, Haman immer wieder zu hören: Witz entkörpert (Best, 1989, 84) das Leben. Bei den Junghegelianern war der Witz ein Frivoles Gaukelspiel (Best, 1989, 89). Dem steht aber immer auch eine positive Wertung gegenüber. So bezeichnet Schlegel den Witz als Gesellschaftskunst (Best, 1989, 75). Freud bescheinigt ihm eine kathartische Funktion. Die Linguisten erforschen seine sprachlichen Leistungen in der Sprache und gegen die Sprache. (Vgl. Best, 1989, 136-140) Die Soziologen untersuchen seine gesellschaftliche Funktion: Politische Witze sind (Miss)-Stimmungsbarometer. Sie sind auch abhängig vom Maß der Freiheit und vom Maß der inneren Befriedigung eines Landes und haben somit eine Venntilfunktion. (Röhrich,1992, 55) Zu all dem erfuhr der Begriff Witz eine Verschiebung. Bezeichnete er ursprünglich eine intellektuelle Fähigkeit und ein geistiges Vermögen, so wurde er im Verlauf des 19. Jahrhunderts zum Stilmittel als Kampfmittel (Best, 1989, 106f.) bei Karl Kraus. Im heutigen Sprachgebrauch wird er fast ausschließlich als Produkt gebraucht (Vgl. Best, 1989, 124). Zu dem unbewussten Sprachwissen gehört aber nicht nur die Veränderung des Begriffes Witz im historisch kulturellen Kontext, das heißt, seine diachronische Bedeutungsveränderung. Das un unbewusste Wissen des Witzes umfasst potentiell das gesamte Register der zeitlich aktuellen Bedeutungen des Wortes der Sprache, auch mundartliche Nuancen, soziokulturelle, politische, berufliche Variationen, Gruppensprachen usw. Erst wenn der Einzelne es vermag, im Bruchteil einer Sekunde zwischen verschiedenen Registern zu wechseln, kann er hieraus Lust gewinne. Erst das Oszillieren zwischen verschiedenen Bedeutungsvariationen unterschiedlichster Provenienz, historisch, umgangssprachlich, fachsprachlich usw. gewährleistet sprachlichen Witz.

Über den Autor

Dr. phil. Heide Marie Herstad, geboren 1943, machte 1973 den Magistra Artium in Theaterwissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin. Sie legte 1992 das Staatsexamen in Deutsch und Französisch als Fremdsprache an der Pädagogischen Hochschule in Trondheim in Norwegen ab. Danach arbeitete sie mehrere Jahre lang als Deutsch- und Französischlehrerin an Gymnasien in Norwegen. 2001 promovierte sie an der Pädagogischen Fakultät der Universität Jyväskylä in Finnland in Dramapädagogik. Sie war verantwortlich für den Dramaunterricht an verschiedenen Universitäten in Norwegen. 2005 machte sie den nordischen Mastergrad in Tanz an den Universitäten in Trondheim in Norwegen, Kopenhagen in Dänemark und Stockholm in Schweden.

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