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Gesellschaft / Kultur

Alexandria A. Bott

Lachen macht Schule! Humor in Therapie, Beratung, Erziehung und Unterricht

ISBN: 978-3-95425-764-5

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 128
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Auf sämtlichen Fernsehkanälen tobt Comedy, Lachclubs schießen weltweit aus dem Boden, Lachseminare boomen in der Wirtschaft und Clowns bringen in den Krankenhäusern die Patienten zum Lachen. Ist die neue Lachwelle ein Symptom unserer Spaß- und Eventgesellschaft oder ein Zeichen dafür, dass uns das Lachen im Halse stecken bleibt? Letztere Vermutung, dass wir das Lachen verlernt haben und nun Nachhilfestunden im Humor brauchen, war der Auslöser, der Bedeutung von Humor und Lachen auf den Grund zu gehen und die heilsame Wirkung des Humors im Rahmen dieser Arbeit zu betonen. Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, wie vielfältig Humor ist, dieses komplexe Phänomen zu verdeutlichen und den Humor als Interventionsmittel in Therapie, Beratung und Unterricht vorzustellen. Erkenntnisse der Humorforschung sollen in die vorliegende Arbeit einfließen und die gesundheitsfördernden Aspekte des Humors/Lachens dargestellt werden.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 3.3, Andere psychoanalytische Theorien zum Humor: Im folgenden Kapitel möchte ich einen groben Überblick über die Beiträge von Freuds Schülern und Nachfolgern zur psychoanalytischen Humortheorie geben. Die frühesten Rezensionen aus psychoanalytischer Sicht finden sich bei Brill (1911) und Ferenczi (1950) aus dem Jahre 1911. Mit Brills erster vollständiger Übersetzung von Freuds Werk im Jahre 1916 ‘Wit and Its Relation To Unconscious’ unterläuft diesem der Fehler, Witz mit wit (‚Intelligenz’, ‚Geist’, ‚Esprit’ und erst in einer weitläufigeren Bedeutung ‚geistvoller Witz’) zu übersetzen. Diesen Lapsus übernahmen zahlreiche Autoren nach ihm, bis im Jahre 1960 James Strachey in seiner Standard Edition die Übersetzung des Titels ändert in ‘Jokes And Their Relation To The Unconscious’ (vgl. Frings, W., 1996, S. 20). Viele Psychoanalytiker, die den Humor in enger Verbindung mit neurotischen Störungen sehen, wie Winterstein, Bergler, Dooley und Grotjahn, erkennen den Witz als Ausdruck von Aggression, Sadismus und Feindschaft, den Humor hingegen als Ausdruck von Depression, Masochismus und Narzissmus. Diese Autoren sehen im Humor einen Rückzug in die Illusion, bewirkt durch ‘negative Halluzinationen’ (vgl. Bernhardt, J., A., 1985, S. 60). Diese Annahme steht im Gegensatz zu Freuds Humortheorie, die ausdrücklich den Realitätssinn des Humorvollen hervorhebt. In einer Revision des im Jahre 1936 erstmalig veröffentlichten Buches ‘Psychoanalyse ohne Geheimnis’ (Lawrence S. Kubie, 1960) wird Psychotherapie definiert als ‘jedes Bemühen, das menschliche Denken, Fühlen und Verhalten zu formen, sei es durch Erziehung, Vorschrift oder Beispiel, durch Befehle oder Ermahnungen, durch Vernunft und Logik, Humor oder emotionale Begeisterung.’(Kubie, L, S., 1960, S. 25) Nun verhält es sich aber so, dass im gesamten Werk der Humor als psychotherapeutische oder psychoanalytische Technik nicht erwähnt wird. Eine Erklärung dafür mag der Umstand liefern, dass Kubie als einer der schärfsten Kritiker des Einsatzes von Humor in der Psychotherapie gilt. Er betonte das ‘zerstörerische Potential’ des Humors und fordert, dass auf den Humor des Patienten nicht reagiert werden soll, sondern es Aufgabe des Therapeuten sei, den Humor zu analysieren (vgl. Dumbs, F., 2002, S. 89). Alfred Winterstein zählt zu den Kritikern von Freuds Humortheorie. Er sieht den Humor als einen die Realität abwehrenden Prozess an. Er ist der Auffassung, dass im Über-Ich des Humoristen die Mutteridentifizierung stärker als normal ausgeprägt ist, und dies legt den Schluss nahe, dass diese mit narzisstischer Libido aufgefüllt wird. Die destruktive Energie hingegen bahnt sich den Weg zum väterlichen Über-Ich und wird in der die Außenwelt entwertenden Betrachtung des Geistes aufgezehrt. Auch die Ästhetiker erkannten dieses Janusgesicht des Humors. Volkelt sieht im Humor eine Synthese von Betrachtung und Gefühl. Andere betrachten ihn als Mischung von Witz und Sentimentalität. Für Winterstein ist der Humorist auf eine frühe orale (Sauge-)Stufe fixiert, sodass der Humor zugunsten der Realitätsabweisung eine Regression zur Mutter-Kind-Einheit zur Folge hat (vgl. Winterstein, A., 1932, S. 516). Im Zusammenhang mit diesen Annahmen, fasst Winterstein den Humor als Beitrag der Oralerotik zur Charakterbildung auf. Dies sieht er im Einklang mit der Tatsache, dass viele Humoristen Trinker oder zumindest dem Alkoholgenuss nicht abgeneigt waren (vgl. Winterstein, A., 1932, S. 521). Kraeplin spricht gleich vom ‘Trinkerhumor’. Nicht konform geht Winterstein mit Freuds ökonomischer Theorie, wenn er durch seinen dynamischen Erklärungsansatz keine Ersparung, der durch den nicht entbundenen Affekt entsprechenden Triebenergie, wahrnimmt. Seiner Ansicht nach gelangt diese Triebenergie an einer anderen Stelle zur Verwendung: Sie wird als Besetzung dem Über-Ich zugeführt. ‘Bei diesem Wechsel erfolgt eine Kompensation der Störung in den ichlibidinösen Besetzungsverhältnissen, die von seiten der Außenwelt drohte (narzißtische Kränkung) durch die herangezogene sublimierte Objektlibido’ (Winterstein, A.,1934, S. 521). Bei der Erregung humoristischer Lust handelt es sich für ihn um Zufuhr narzisstischer Lust, nicht um Ersparung. Seine Vermutung über den narzisstischen Charakter der humoristischen Lust erfährt Unterstützung durch die Tatsache, dass der Humorist und mit ihm der Empfänger des Humors nur lächeln, während ein lustvolles Lachen lediglich auf die Aufhebung eines bereitgehaltenen Affektaufwandes hindeutet (vgl. Winterstein, A., 1934, S. 521). Hans Strotzka schließt an die Kritik der oben angeführten Autoren an und bezweifelt, dass ‘die Spannungslösung durch den Humor immer die Bezeichnung ,ich- und realitätsgerecht’ verdient, wie sie die Psychoanalyse als ,gesund und echt’ fordert’ (Strotzka, H., 1957, S. 597). Auch er erkennt eine durch Humor erzielte Konfliktlösung als Scheinlösung, die wir vom neurotischen Symptom kennen. Er betont das traumatisierende Erlebnis des Ausgelachtwerdens in vielen Analysen. Das Ausgelachtwerden und das Nicht-ernst-genommen-Werden stellen für ihn eine der bittersten narzisstischen Kränkungen für prägenital formierte Persönlichkeiten, die eine gewisse Insuffizienz spüren, dar. Aus seiner Erfahrung als Psychoanalytiker weiß er nur allzu gut, dass man in der psychoanalytischen Praxis mit Patienten, die an Angst- und Schuldgefühlen leiden, konfrontiert ist. Diese Klienten empfinden häufig ein Lächeln bereits als Missachtung ihrer Persönlichkeit und Problematik. Außerdem gibt es noch die humorvolle Haltung als Widerstand des Patienten, auf Kosten von Ernsthaftigkeit des Analyseprozesses und des Psychotherapeuten. In diesem Fall sieht Strotzka eine oft nur schwierig zu überwindende, entwertende Aggression, die oftmals einer langwierigen Bearbeitung bedarf (vgl. Strotzka, H., 1957, S. 606). Abschließend spricht er von der Ambivalenz auf allen Stufen der Libidoentwicklung: Oral, anal und im Ödipuskonflikt. Schließlich finden wir sie auch wieder im Janusgesicht des Humors, der die anderen Ambivalenzkonflikte in den Grenzen seiner Möglichkeiten abwehren kann (vgl. Strotzka, H., 1957, S. 608). So zieht er in Erwägung: ‘Humor wäre also vielleicht letztlich eine Versöhnung der Ambivalenz in kontrollierter Regression’ (Strotzka, H., 1957, S. 608). Die ersten psychoanalytischen Theorien zum Thema Humor, die sich vom Drei-Instanzen-Modell lösen, stammen vom Psychoanalytiker und Narzissmusforscher, Heinz Kohut (vgl. Frings, W., 1996, S. 31). Das Auftreten der Fähigkeit zu echtem Humor beim Analysanden sieht H. Kohut als wichtiges Zeichen für die Umwandlung archaischer, pathogener narzisstischer Fixierungen im Verlauf der Analysen narzisstischer Persönlichkeiten (vgl. Kohut, H., 1973, S. 364). Darunter versteht er nicht den Humor, der noch der Abwehr dienen kann (wenn er einen oral-sadistischen Unterton von Sarkasmus enthält), sondern jenen Humor, der ausdrückt, dass die Hingabe des Patienten an seine Wertvorstellungen mit einem Gefühl für das richtige Maß einhergeht (vgl. Kohut, H., 1973, S. 365). ‘Das gemeinsame Vorhandensein von Idealismus und Humor zeigt nicht nur, daß der Inhalt und die psychische Lokalisierung der narzißtischen Positionen sich verändert haben, sondern auch, daß die narzißtischen Triebenergien jetzt gezähmt, neutralisiert und zielgehemmt sind’ (Kohut, H., 1973, S. 365). Weiters sieht Kohut den Humor als Indikator für den erfolgreichen Prozess des Durcharbeitens und eine stabile Besserung des Patienten: ‘Wenn andererseits die Wertvorstellungen des Patienten eine größere psychische Bedeutung für ihn haben, den realistischen Zielen seines Ichs integriert worden sind und seinem Leben ohne Dramatisierung einen neuen Sinn geben, während er andererseits jetzt gerade seine früher starr festgehaltene narzißtische Position mit Humor betrachten kann’ (Kohut, H., 1973, S. 365). Nach Kohut tritt der Humor in den meisten Fällen plötzlich auf und zeigt das verspätete Anzeichen der still gewachsenen Herrschaft des Ichs über die vorher beträchtliche Macht des Größen-Selbst und des idealisierten Objektes auf. Das Ich kann somit diese alten Strukturen mit einem Amüsement betrachten, das Ausdruck von Freiheit ist. ‘Es gibt lehrreiche Beispiele dafür, wie das Ich eines Patienten in Übergangsphasen an der Grenze zwischen fortbestehender Angst vor den noch nicht ganz integrierten narzißtischen Strukturen und der neuerworbenen Zuversicht verweilt, die ihm erlaubt, sich vorsichtig tastend eine humorvolle Einstellung anzueignen’ (Kohut, H., 1973, S. 366). Hier bietet sich ein Fallbeispiel eines Übergangszustandes zwischen versuchtem Humor und noch vorhandener Beklommenheit an: ‘Patient C. hatte den folgenden Traum, als er erwartete, öffentlich geehrt und gefeiert zu werden: ‘Die Frage eines Nachfolgers für mich kam auf. Ich dachte: Wie wäre es mit Gott?’’ (Kohut, H., 1973, S. 175). Dieser Traum zeigt, dass er das Ergebnis des nicht ganz erfolglosen Versuches darstellt, die Größenphantasie durch Humor zu mildern, wobei er gleichzeitig Angst auslöste und gegen neue Widerstände zu einer beängstigenden Erinnerung an Kindheitsphantasien führte, in denen der Patient glaubte, Gott zu sein. Eine meiner Meinung nach witzige Aussage stammt von einer kindlichen und selbstbezogenen Patientin Kohuts, die am Ende einer langen Analyse viel Humor entwickelt hatte, um rückblickend ihr Übertragungsproblem gegenüber ihrem Analytiker zu formulieren: ‘Ich glaube, Ihr unverzeihliches Verbrechen besteht darin, daß Sie nicht ich sind’ (Kohut, H., 1973, S. 366). Martin Grotjahn sieht den Humor in enger Verbindung mit neurotischen Störungen. Für ihn hängt der Witz mit Aggression, Feindschaft und Sadismus zusammen, während er den Humor in Zusammenhang mit Depression, Narzissmus und Masochismus sieht (vgl. Grotjahn, M., 1974, S. 36). Weiters betont er den engen Zusammenhang des Humors mit anderen Eigenschaften der Persönlichkeit. Er unterscheidet zwischen dem Optimisten, dem Pessimisten und dem Realisten. Den Optimisten sieht er in einem frühkindlichen Leben der Wunscherfüllung verhaftet, wobei sich diesem das Leben als eine Brust, an der er sich jederzeit nähren kann, anbietet. Unter dieser optimistischen Lebenshaltung zeigt sich in der Analyse oft eine verzweifelte Depression, die wiederum der Hilfe der allmächtigen Mutter bedarf. Die Ursache dieser ‘optimistischen Verblendung’ ortet Grotjahn in einer frühen Lebensphase, in der das Kind noch nicht zwischen ‘Ich’ und ‘Du’, zwischen Innen- und Außenwelt unterscheiden konnte, sondern an die Omnipotenz seiner Gedanken und Wünsche glaubte. Ähnlich dem Optimisten wählt der Mensch mit Humor ein schwieriges Leben. Da letzterer sich resigniert mit der Tatsache abgefunden hatte, von der guten Mutter verlassen und aus dem Kindheitsparadies vertrieben worden zu sein, gleicht er dem Depressiven. Allerdings verbringt er – im Gegensatz zum Depressiven – sein Leben nicht in Trauer und Klage, sondern er unternimmt etwas. Er spielt selbst die Rolle der guten Mutter zu seinem eigenen Nutzen. Sich selbst gegenüber gibt er sich freundlich und ist bemüht, eine tolerante und humorvolle Haltung auch gegenüber anderen zu entwickeln (vgl. Grotjahn, M., 1974, S. 51). ‘Nur in der Traurigkeit des humorigen Typs, der immer unter Tränen zu lächeln scheint, kommt manchmal der Kummer über den Verlust der guten Mutter zum Vorschein’ (Grotjahn, M. , 1974, S. 51). Obwohl, wie erwähnt, Grotjahn die aggressive Komponente des Humors erkannte, leistete er durch sein Buch ‘Vom Sinn des Lachens’ einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Humors in sozialen Arbeitsfeldern. Abschließend ist zu bemerken, dass sich die überwiegende Mehrheit der Psychoanalytiker für den Humor ausspricht. Nun ein Witz von Sigmund Freud: ‘ ,Wie geht’ s ?’ fragte der Blinde den Lahmen. ,Wie Sie sehen’, antwortete der Lahme dem Blinden.’ ‘ (Freud, S., 1996, S. 50).

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