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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

In dieser Studie werden zwei kleine Häuser miteinander verglichen: das Haus am Horn in Weimar, das im Jahr 1923 durch Georg Muche entworfen wurde, und das Schröderhaus in Utrecht, welches Gerrit Rietveld 1924 plante und erbaute. Hinter beiden Häusern steht jeweils eine einflussreiche avantgardistische Strömung der Klassischen Moderne der 1920er Jahre, die mit allen bisherigen Traditionen brach und - typisch für diese Zeit - die Architektur in ihren Prozess der Konfrontation und der Klärung einbezog: die Künstler der Gruppe De Stijl mit Wurzeln in den Niederlanden und das Staatliche Bauhaus in Weimar. Um diesen Gebäuden gerecht zu werden, muss ihr Vergleich über eine Beschreibung und Analyse der Architektur hinausgehen: Das Haus am Horn ist nicht einfach ein kleiner weißer Würfel es ist auch das erste Haus, an dem das Bauhaus sein Programm des großen Baus umsetzen konnte. Das Schröderhaus ist gleichwohl nicht nur das bunte Zuhause, das sich die junge Witwe Truus Schröder bauen ließ, sondern auch das erste Gebäude, an dem die Prinzipien der Künstlergruppe De Stijl vollkommen realisiert wurden. Auf dem Weg vom Manifest zum Muster wurde gleich mehrfach Neuland betreten: Die Architekten der beiden Gebäude hatten nie zuvor ein Haus geplant und gebaut. Weder das Bauhaus noch De Stijl hatte zuvor die Gelegenheit gehabt, ihre manifestierten Grundsätze in einem Neubau umzusetzen. Beiden Häusern haftet der experimentelle Charakter eines Versuchs oder auch Musters an und beide sind heute nicht nur ein Gegenstand der Denkmalpflege, sondern als solcher auch in die UNESCO-Liste des Welterbes eingetragen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Das Haus am Horn und das Schröderhaus im Vergleich: Wer frei in die Welt blickt, hat auch den Mut, sein Haus so hinzustellen . Der Hauptteil dieser Arbeit beschäftigt sich mit dem Vergleich zweier kleiner Häuser, die zu den frühesten Beispielen des Neuen Bauens der Moderne der 1920er Jahre gehören. Ihr Vergleich ist deshalb so reizvoll, weil sie neben ihrer völlig unterschiedlichen Entstehungsgeschichte vieles gemeinsam haben, aber ebenso große Unterschiede aufweisen. Der Bau zum Haus am Horn begann im April 1923 und dauerte vier Monate bis zur Ausstellungseröffnung am 15. August 1923. Der Rohbau des Schröderhauses entstand ebenfalls in vier Monaten von Anfang Juli bis Oktober 1924 als die Familie Schröder zum Ende des Jahres 1924 einzog, war der Innenausbau allerdings noch nicht ganz fertiggestellt. In beiden Häusern materialisierten sich die zuvor über mehrere Jahre in der Theorie verbliebenen Gestaltungs- und Architekturprinzipien einer künstlerischen Schule zum ersten Mal, und in beiden Fällen war der Architekt diesen gegenüber nicht ohne Distanz verbunden, wie aus den Kapiteln 2.1 und 2.2 hervorgegangen ist. Im Bezug auf beide Häuser spielten neben den künstlerischen auch soziale Aspekte eine große Rolle. Truus Schröders Budget war limitiert, und ihr Anspruch war es, maßhaltig und damit maßstäblich zu leben. Das Haus am Horn wurde nicht nur in der Zeit der durch die Inflation größten Finanznot errichtet, sondern sollte als Musterhaus beispielhaft für neues Wohnen der klassenlosen demokratischen Gesellschaft sein. Im Folgenden nähert die Verfasserin sich der Betrachtung der Architektur über den städtischen Zusammenhang an, um mit der Innengestaltung und Farbigkeit abzuschließen, welche in beiden Fällen Teil des Gesamtkonzeptes waren. Im Anschluss daran wird die Entwicklung der Häuser bis zum heutigen Tag unter Erwähnung der Nutzungen, Unterschutzstellung und Restaurierungen beschrieben und das heutige Nutzungskonzept kurz skizziert. 4.1, Das Haus in seiner Umgebung: 4.1.1, Städtebaulicher Kontext des Hauses am Horn: 4.1.1.1, Die Stadt Weimar: Weimar ist heute die viertgrößte Stadt im Bundesland Thüringen und liegt auf etwa halbem Weg zwischen der Landeshauptstadt Erfurt im Westen und der zweitgrößten Stadt Jena im Osten. Beide sind etwa 20 Kilometer entfernt. Vom 16. Jahrhundert bis 1918 war Weimar Hauptstadt des Großherzogtums Sachsen-Weimar. 1919 gründete die Nationalversammlung in Weimar die erste Republik in der deutschen Geschichte. Weimars Herrschende hatten der Stadt in der Neuzeit zu einem außergewöhnlichen kulturellen Reichtum verholfen: in der Zeit der Weimarer Klassik im Übergang des 18. In das 19. Jahrhundert lebten zum Beispiel Goethe, Schiller und Herder in der Stadt. 1860 gründete der Großherzog die Großherzoglich-Sächsische Kunstschule Weimar. 1907 folgte die Gründung der Großherzoglich-Sächsischen Kunstgewerbeschule Weimar. Die Großherzoglich-Sächsische Kunstschule erhielt 1910 den Rang einer Hochschule - aus beiden ging 1919 das Staatliche Bauhaus in Weimar hervor. 1846 wurde Weimar an die Eisenbahnstrecke Erfurt-Halle angeschlossen. Der daraufhin vielerorts folgende industrielle Aufschwung erreichte die Stadt jedoch nicht sie blieb eine Stadt der Residenz und der Verwaltung. Zwischen 1914 und 1918 wuchs sie von 37.000 auf etwa 50.000 Einwohner an. 4.1.1.2, Das Grundstück: Der frühere dörfliche Vorort Oberweimar liegt am südlichen Ende des langgestreckten Parks an der Ilm rechts des Flusses. Oberweimar wurde 1922 nach Weimar eingemeindet und ist seitdem ein Stadtteil. Die Entfernung zur Weimarer Innenstadt beträgt etwa 2 Kilometer. Im Jahr 1920 bekam das Staatliche Bauhaus auf seinen Antrag hin von der Staatsregierung auf einem Flurstück Oberweimars ein Grundstück zugewiesen. Damals lag die Gemeinde noch jenseits der Stadtgrenze. Das betreffende Grundstück war trapezförmig es bestand zu einem Teil aus einem Kiefernwäldchen und zum anderen aus Brachland und maß etwa 1,65 Hektar. Das Grundstück lag und liegt noch heute an der kleinen, wenig befahrenen Straße Am Horn, die dem Osthang des Ilmtals folgt. Die schmale Straße erstreckt sich von Nordnordwest nach Südsüdost. Sie beginnt am Nordzipfel des etwa 2 Kilometer langen Ilmparks, verläuft immer entlang seiner Ostbegrenzung und steigt dabei stetig an. 150 Meter nördlich des Hauses macht die Straße einen leichten Knick Richtung Westen. Das Haus am Horn hat die Hausnummer 61. Zu Fuß war und ist das Grundstück auch aus dem Park an der Ilm kommend erschließbar dies war zur Erbauungszeit der übliche Weg und maßgeblich für die Lage des Hauses auf dem Grundstück. Der Hang von der Ilm hinauf zum Grundstück steigt recht steil an, die Kuppe liegt noch ein Stück oberhalb der Straße Am Horn. Das Grundstück genoss also die Privilegien einer Lage direkt gegenüber des weitläufigen Parks an der Ilm an einem Hang mit weiter Fernsicht an einem ruhigen Sträßchen, entlang dessen nur eine lockere Bebauung mit durchaus repräsentativen Eigenheimen als Nachbarschaft vorhanden war. Deren etwa 30 Bewohner hatten bei Bekanntgabe der Bebauungsplanung heftig gegen die Verunstaltung der Straße durch die geplante Bauhaus-Siedlung protestiert – schließlich handle es sich bei ihnen um ältere Leute , die dort zurückgezogen und in ruhiger Weise zu leben gedenken und sich und ihren Frieden durch die Bauhaus-Schüler, denen in Weimars konservativer Gesellschaft ihr vermeintlich zweifelhafter Ruf stets vorauseilte, gefährdet sahen. Die wohl berühmteste Nachbarschaft jedoch ist Goethes Gartenhaus, das im Park an der Ilm in nur etwa 250 Metern Entfernung nordwestlich liegt. 4.1.1.3, Lage und Orientierung des Hauses: Teilt man das trapezförmige Grundstück, dessen Basis entlang der Straße Am Horn liegt, in neun Quadranten, so liegt das Haus in der mittleren Quadrantenreihe links und ist um 6 Meter von der nördlichen Grundstücksgrenze nach innen gerückt. Das Haus liegt, verglichen mit der Nachbarbebauung, recht weit im Grundstücksinneren. Der quadratische Baukörper weist neben dem Zurückspringen aus der Straßenfluchtlinie eine leichte Verdrehung aus dieser auf bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass seine Orientierung sich auf die Hauptachse der Straße bezieht, bevor sie 150 Meter nördlich des Hauses, wie erwähnt, leicht abknickt. Heiko Donath spricht von einer bewussten Nicht-Korrespondenz, ja Korrespondenzverweigerung gegenüber der umgebenden Bebauung des Straßenzuges und einer damit verbundenen Verstärkung der Andersartigkeit und Neuheit , weist aber gleichzeitig darauf hin, dass diese Antihaltung sich allein auf die unmittelbare Umgebung bezieht: dem aus dem Ilmpark kommenden Besucher präsentiert das Haus sich hingegen durch seine Positionierung äußerst vorteilhaft und elegant in seiner Dreidimensionalität wie ein Halbprofil auf einem Portraitfoto. Da das Hanggelände zum Park hin abfällt, wurde für das Haus eine ebene Stufe mit recht steiler Böschung an der Süd-Ecke modelliert. Auf dieser erhöhten Terrassierung steht der Baukörper frei wie auf einem großzügigen Sockel und war im Jahr 1923 schon von Weitem sichtbar heute ist dieser Eindruck durch hoch gewachsene Bäume nicht mehr mit dem damaligen Bild vergleichbar. Die gute Sichtbarkeit half den Besuchern der Bauhaus-Ausstellung 1923 bei der Orientierung, denn die übrigen Räumlichkeiten der Ausstellung befanden sich in der Weimarer Innenstadt. Betreten wird das Grundstück von der westlichen Ecke aus. Ein etwa 3 Meter breiter Weg mit mehreren betonierten Treppenstufen und großzügigen Absätzen führt auf das künstlich angelegte Plateau des Hauses hinauf und trifft den Eingang in einem spitzen Winkel dieser befindet sich mittig in der Nordwestfassade. Vor dem Eingang entsteht eine kleine Hofsituation, während der Weg sich am Haus vorbei fortsetzt und über weitere Stufen in den oberen Gartenteil führt, wo sich ursprünglich der Gemüsegarten befand. Durch die Geländemodellierung zum ebenen Plateau kann das Haus umlaufen werden und hat allseitig unterschiedlich breite Terrassen.

Über den Autor

Sonja Stadje wurde 1980 in Wesel geboren und wuchs in Oberhausen auf. Ab 2001 Architekturstudium an der Hochschule Bochum, Zwischenstopp beim Bühnenbild am Theater Freiburg, Auslandssemester an der Academie van Bouwkunst Maastricht, Diplom (FH) 2008. Ab 2009 Quereinstieg in die Denkmalpflege und Grabungstechnik, ab 2011 Masterstudium Schutz Europäischer Kulturgüter an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Abschluss als Master of Arts 2014. Sonja Stadje ist seit ihrem ersten Studienreferat begeistert vom Rietveld-Schröderhaus, so dass sie der Gelegenheit zu dieser Studie nicht widerstehen konnte. Als bekennende Multipotentialite plant sie eine Zukunft als Freitraumplanerin, Fotografin, Raumstrategin und Erbauerin eines Tiny House.

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