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Gesellschaft / Kultur

Zoltan Tefner / Juhani Laurinkari / Nelu Bradean-Ebinger

Kleine Völker im großen Nest. Fallstudien über Finnland, Ungarn und die Europäische Union

ISBN: 978-3-95935-410-3

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 156
Abb.: 12
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Der vorliegende Sammelband nimmt mit Finnland und Ungarn zwei kleine Länder innerhalb der europäischen Union in den Fokus, die von den großen europäischen Staaten wie Deutschland, Frankreich oder England oftmals eher als Nebensache gesehen werden. Die Texte von ungarischen und finnischen Wissenschaftlern zeigen, wie sich kleine Völkergemeinschaften in dem großen Nest der Europäischen Union durchsetzen können. Dabei wurde bewusst eine heterogene Sammlung von Texten in den vorliegenden Band aufgenommen, da dies die Vielseitigkeit und Unterschiedlichkeit Europas aufzeigt.

Leseprobe

Textprobe: VERGLEICH DES FINNISCHEN UND DES UNGARISCHEN MODELLS DER SOZIALPOLITIK MIT HISTORISCHEN BEZÜGEN AB 1867: Zum Vergleich des finnischen und des ungarischen Sozialsystems bieten sich mehrere methodologische Mittel und Herangehensweisen an. Sie richten sich danach, ob man sich in der Forschung und Darstellung nur auf die jeweils konkreten, gegenwartsbezogenen Fragen konzentriert oder ob man sich ein viel differenzierteres Bild von den Unterschieden beider Sozialwirtschaften machen will. Kurz und bündig: unter anderem nach Göran Therborn, dem schwedischen Soziologen, sei es richtig, dass man bei der Untersuchung der sozialen Aktivität eines Staates von der historischen Gestaltung der sozialen Rahmenbedingungen in dem untersuchten Land ausgeht. Historische Rahmenbedingungen: Die historischen Rahmenbedingungen Finnlands sind gerade die Faktoren, in denen sich das Land wesentlich von Ungarn unterscheidet. Daraus folgt die unterschiedliche Schwerpunktbildung der Sozialpolitik. Zweitens können wir der geographischen sowie der geopolitischen Verschiebung des kontinentalen Zentrums eine große Bedeutung beimessen. Wir wissen wohl, dass die historischen und die geographischen Unterschiede eine untrennbare Einheit bilden und dass sie einander zu jeder Zeit gegenseitig bestimmen. Es reicht vielleicht diesbezüglich, wenn wir nur auf die theoretischen Ansätze des französischen Historikers Fernand Braudel hinweisen: Die geographische Umgebung, das Klima, die Demographie, der Verkehr und die Kommunikation beeinflussten die Menschheitsgeschichte in hohem Maße. Finnische Anfänge: Finnland existierte in den Jahrhunderten des europäischen Mittelalters nicht als selbständiges Staatsgebilde, wohingegen Ungarn bis zur Türkenzeit als eines der mächtigsten Königreiche Europas galt. Es besteht gleichzeitig kein Zweifel darüber, dass diese Eigenstaatlichkeit nach der türkischen Eroberung 1541 stark reduziert wurde, als die ganze Landesmitte, einschließlich der politischen Hauptstadt Buda, von dem Ottomanischen Reich einverleibt wurde. Finnland unterstand seit dem 12. Jahrhundert dem Schwedischen Königreich und hatte, abgesehen von den ganz frühen Jahren der finnischen Geschichte, keine politische Souveränität, weder im mittelalterlichen noch im neuzeitlichen Sinne. Der westliche Teil des heutigen Landes fiel als ein Teil der Kalmarer Union (1342–1524) Schweden zu (im Grunde genommen bis zum 30. Längengrad), der Ostteil, der seit je her von finnisch-karelischer Ethnizität geprägt war und weit von den schwedischen Machtzentren (Åbo, Tammerfors) entfernt lag, zerfiel in kleine Wohngemeinschaften der ländlichen Bevölkerung. Die von Schweden ausgegangene evangelische Bewegung bekehrte vor allem die westfinnischen heidnischen Stämme, während im Osten, in den karelischen Regionen, das Heidentum weiter bestand. Später gewann hier die russische Religion, der Prawoslavismus, an Boden. Ungarische Anfänge: Obwohl zunächst die Türken und danach die Habsburger in Ungarn die Oberhand gewannen, zerriss nie die Kontinuität der Eigenstaatlichkeit, die eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart bildete. Ungarn als europäische Großmacht beruhte – ähnlich wie England – auf dem vertragsmäßigen Kompromiss zwischen dem jeweiligen König und dem die ungarische Nation bildenden Adel. Seit 1222 hatte Ungarn eine De-Facto-Verfassung, die Goldene Bulle, die qualitativ in keiner Hinsicht minderwertiger war als ihr Quasi-Gegenstück, die englische Magna Charta. Das ungarische Staatsrecht wurzelte tief in fruchtbarem Boden, und aus diesen ersten Produkten der mittelalterlichen Rechtsschaffung ergab sich hinlänglich eine ganze Reihe von staatsrechtlichen Regulierungen. Mehrere Hunderte von Gesetzesartikeln und Statuten schufen die Basis und den Rechtstitel für ein eigenständiges Staatsleben und für die staatliche Souveränität. Und nachdem seit Ende des 17. Jahrhunderts der Kampf ums Dasein, um die staatliche Unabhängigkeit und der nationale Widerstand den allgemeinen Trend der Politik und eine die ganze nationale Gemeinschaft zusammenfassende Lebensform bildeten, dienten diese vielen Dokumente als Unterlagen, mit denen man die Rechtmäßigkeit und Legitimität dieser Freiheitskriege einwandfrei beweisen konnte. Die feudalistische politische Elite in der frühen Neuzeit sowie später im 19. Jahrhundert die bürgerlich-liberalkonservativen Kräfte haben auf diesen Rechtstiteln hartnäckig beharrt. Der hartnäckige Widerstand ließ blutige Jahre kommen. Es kamen blutige Ereignisse wie die Wesselényi-Verschwörung, die separatistische Bewegung von Imre Thököly, der Rákóczi-Freiheitskrieg und schließlich der ruhmreichste Moment in der ungarischen Geschichte, der Aufstand 1848/49, der nur mit russischen Waffen niedergeschlagen werden konnte. Dieses folgerichtige Ausharren, obwohl die führende Schicht in Ungarn deswegen sehr viele Verluste erleiden musste (Emigration, Gefängisurteile, Todesstrafe und Vermögenseinziehungen in astrologischer Zahl), hat endlich Früchte getragen. Durch den österreichisch-ungarischen Ausgleich im Jahre 1867 erhielt Ungarn die Eigenstaatlichkeit wieder, nachdem die damalige Elite vernünftige politische Kompromisse eingegangen war. Diese Souveränität war eine beschränkte Souveränität, das Militär und die Außenpolitik wurden zu gemeinsamen Angelegenheiten” deklariert, aber den eigenen Einfluss auf diese gemeinsamen Angelegenheiten vermag das Land ohne Weiteres geltend zu machen. Und in der Innenpolitik erlangte es die vollständige Freiheit. Und als in den 1880er Jahren im Bismarck’schen Deutschland die ersten Anzeichen für ein staatliches Verantwortungsbewusstsein im sozialen Sektor sichtbar wurden, konnte die ungarische Regierung handeln, ohne darüber nachzudenken, ob Wien der Einführung gewisser sozialpolitischer Maßnahmen zustimmen würde oder nicht. Die Erkämpfung der staatlichen Handlungsfreiheit führte auf diese Weise zu einer besseren Sozialpolitk, wenn auch nicht entsprechend unseren zeitgenössischen Vorstellungen von Univeralismus und einer sich über alle Gesellschaftsschichten, Verteilungssegmente und Subsysteme erstreckenden Sozialpolitik. Das nach dem Ersten Weltkrieg territorial drastisch verkleinerte Land hat diese Bestrebungen mit in die neue Ära hinübergenommen. In der durch den Namen Vizeadmiral Miklós Horthy geprägten, bis 1944 andauernden Epoche mangelte es nicht an sozialen Errungenschaften. Von diesen möchte ich noch zwei erwähnen, die die zeitliche Kontinuität hervorheben: das die Wohnungsprobleme mildernde sogenannte ONCSA-Programm” und den Gesetzesartikel XXI von 1937, der den 8-stündigen Arbeitstag verordnete.

Über den Autor

Juhani Laurinkari, Prof. Dr. Dr. Dr. (h. c.), wurde 1946 in Helsinki geboren. Er absolvierte Universitätsstudien in den drei Fachgebieten Theologie, Soziologie und Ökonomie. Mit 21 Lebensjahren war er der jüngste evangelische Priester, später der jüngste Doktor und der jüngste Professor in ganz Finnland. Heute arbeitet er als Professor Emeritus an der Universität Ostfinnland Kuopio. Bereits während seiner Ausbildung und als Student entwickelte er ein besonderes Interesse am Thema des Buches. Fasziniert von den beruflichen Perspektiven des dritten Sektors” konnte er die Verbesserung des menschlichen Lebens und die Frage des gemeinsamen Guts mit der Problematik des Genossenschaftswesens verbinden. Nelu Bradean-Ebinger, Prof. Dr. Dr. Dr., wurde 1952 in Arad (Rumänien) geboren. Er erwarb sein MA-Universitätsdiplom in Germanistik in Budapest. Weitere Stufen, wie den Dr. phil. und CSc. erreichte er an der Ungarischen Akademie der Wissenschaften. Seit 2005 ist er Professor an der Corvinus-Universität am Institut für Internationale Studien und aktiver Teilnehmer am Leben der ungarndeutschen Minderheit sowie Vorstand in der Jakob-Bleyer-Gemeinschaft. Fasziniert von den beruflichen Perspektiven der Dialektologie der germanischen Sprachen legt er besondere Aufmerksamkeit auf die Zwei- und Mehrsprachigkeit.

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