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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 132
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Kann Religionsunterricht mit Hilfe biblischer Geschichten Kindern von heute helfen, ihren Alltag zu meistern? Können in Antworten für Probleme von damals auch Antworten für Fragen von heute gefunden werden? Und wenn ja – gilt das auch für Mädchen? Alle drei Fragen lassen sich mit ja beantworten, denn die Bibel birgt einen reichhaltigen Schatz an Geschichten von Menschen, die zu Helden werden, weil sie den Mut aufbringen, sich auf den Weg zu machen, sich zu suchen, sich dem Leben zu stellen und zu sich zu stehen. Die Menschen in diesen Geschichten haben Angst, machen Fehler, brauchen Umwege und finden und gehen letztendlich doch - mit Gottes Hilfe - ihren persönlichen Weg. Es geht ihnen im Wesentlichen nicht anders als uns. Ihnen beim Entdecken ihrer jeweiligen Heldenhaftigkeit zuschauen zu dürfen, kann uns helfen, unsere eigene zu entdecken. Für Jungen sind heldenhafte Identifikationsfiguren in der Bibel leicht zu finden. Wer hingegen die Heldinnen der Bibel für Mädchen erfahrbar machen will, muss sorgfältiger suchen, über ein gutes Hintergrundwissen verfügen, selbst moderne Unterrichtsmaterialien kritisch hinterfragen und manchmal selbst kreativ werden. Das vorliegende Buch will hierbei helfen.
Textprobe: Kapitel 1, Vorwort: ‘Heldinnen der Bibel’ - die Verknüpfung dieser beiden Begriffe mag zunächst irritieren. Zudem ist uns die weibliche Form - Heldinnen - wenig vertraut, da auch Frauen umgangssprachlich häufig als Helden bezeichnet werden. Was also macht die Frauen und Männer der Bibel zu HeldInnen? Um diese Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, zunächst den Begriff ‘HeldIn’ näher zu erläutern. Das vorherrschende Gesellschaftsbild einer Heldin / eines Helden lässt an die Superstars der Medien denken. Die heutigen HeldInnen sind SportlerInnen und Models, MusikerInnen und Fernsehstars. Sie sind schöner, stärker und schneller als alle anderen, sie sind reich, erfolgreich und berühmt. Die Wertschätzung, die ihnen zuteilwird, beschränkt sich allerdings auf das Äußere. Eine solche Definition hat meiner Meinung nach wenig mit ‘wahrem’ HeldInnentum zu tun. Ich möchte ihr eine Interpretation gegenüberstellen, die sich auf innere Stärke und Schönheit bezieht, die das Heldentum des ‘normalen’ Menschen beschreibt und in jedermanns Alltag anzutreffen ist. Ein solches ‘Alltags-Heldentum’ definiert sich durch den Mut, sich selbst zu finden und zu sich stehen, den eigenen Weg zu suchen und zu gehen, auch wenn dies vielleicht auf Umwegen geschehen muss. In diesem Sinne kann jeder Mensch zum Helden / zur Heldin - oder im religiösen Kontext zum/r Heiligen - werden und sich so dem Sinn des Lebens annähern. Es ist jedoch nicht einfach, der Übermacht der ‘Medien-HeldInnen’ eine solche ‘HeldInnen-Definition’ entgegenzusetzen. So wird es uns heutzutage nur allzu leicht gemacht, es sich ‘leicht zu machen’. Es ist einfacher und bequemer, Ausflüchte zu finden, als Zivilcourage zu zeigen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und bewusst den eigenen Weg zu gehen. Orientierungshilfe können hierbei Menschen sein, die diese Art des Heldentums für uns sichtbar gelebt haben. Martin Luther King, Mutter Theresa oder Mahatma Gandhi haben in diesem Sinne entscheidend auf die Lebenssituation zahlreicher Menschen eingewirkt und diese positiv verändert. Verglichen hiermit mag uns ein ‘Alltags-Heldentum’ bedeutungslos erscheinen. Dennoch zeichnen sich auch die oben genannten HeldInnen eben dadurch aus, dass sie mutig und konsequent ihren Weg gegangen sind. Ihr Tun mag bekannter und folgenreicher sein als das der ‘Alltags-HeldInnen’, ‘heldenhafter’ wird es jedoch dadurch nicht. Die Bibel ist reich an Geschichten über solche ‘Alltags-HeldInnen’, die ihren Weg gehen. Das Tröstliche an diesen Geschichten ist die Tatsache, dass alle Menschen darin Fehler machen, Umwege brauchen und letztendlich doch - mit Gottes Hilfe - ihren persönlichen Weg finden und gehen. In diesem Sinne wird die Lebensrelevanz der Bibel für die heutige Zeit deutlich, kann die ‘Frohe Botschaft’ erfahrbar werden. So verstanden, werden die biblischen Frauen und Männer zu HeldInnen, die auch uns als Vorbild und Identifikationsfigur dienen können. Wo finden sich aber die Heldinnen der Bibel? Helden sind uns hier wesentlich geläufiger. Gefragt nach Frauengestalten der Bibel fällt vielen zunächst Maria, die Mutter Jesu ein. Wer sich besser auskennt, kann sich auch noch an Maria aus Magdala erinnern. Mehr erinnerungswürdige biblische Frauengestalten gibt es in dem Bewusstsein vieler Menschen nicht. Ein Grund hierfür ist sicherlich darin zu suchen, dass die Hauptpersonen vieler biblischer Geschichten männlich sind. Dies wiederum lässt sich auf die patriarchal geprägte Geschichte der Bibelentstehung und -auslegung zurückführen. Vielen Frauen wird es somit erschwert, ihre eigene Wertigkeit in den biblischen Geschichten zu entdecken und Identifikationsfiguren für sich zu finden. Selbst die beiden allgemein bekannten Frauengestalten des Neuen Testaments - Maria, die Mutter Jesu und Maria aus Magdala - scheinen sich nur schlecht als Vorbilder zu eignen. Maria aus Magdala gilt aufgrund zahlreicher ebenso phantasievoller wie falscher Interpretationen als Sünderin, derer sich Jesus gnädig erbarmt. Konträr hierzu steht die Vorstellung der ‘anderen’ Maria, die so gut ist, dass sie geradezu übermenschlich wirkt und nahezu göttliche Züge trägt. Die eine scheint zu schlecht, die andere zu gut zu sein, um heutigen Frauen eine Identifikationsmöglichkeit zu geben. Das Marienbild hat sich über die Jahrhunderte hinweg so ent-menschlicht und ‘verkitscht’, dass es viele Frauen sogar abschreckt. Dennoch lässt die aus heutiger Sicht für viele übertrieben wirkende Marienverehrung auch die menschliche Sehnsucht nach der weiblichen Seite Gottes erahnen. Mir selbst eröffnete sich erste ein Zugang zu Maria, nachdem ich mit einem anderen Marienbild konfrontiert wurde, wie es beispielsweise das Musical ‘Ave Eva’ von Peter Janssens vermittelt. Nach diesem ‘neuen’ Marienbild präsentierte sich mir Maria als ein junges Mädchen, dass unverheiratet schwanger wird und sich den damit verbundenen Schwierigkeiten im damaligen Israel stellen muss - als ein ganz ‘normaler’Mensch also, der mit (zunächst) ganz normalen Alltagsschwierigkeiten zu kämpfen hat. Hierdurch wurde ihr Schicksal für mich menschlich und nachvollziehbar. So bot sich mir die Identifikationsmöglichkeit, die ich vorher vermisst hatte. Wichtig ist für mich hierbei nicht der genaue historische Lebenslauf Mariens, sondern die Annäherung an eine Frau, die mit existentiellen Problemen konfrontiert wird und sich diesen - im Vertrauen auf Gott - mutig stellt. Maria ist ihren Weg gegangen und hat das ihr Mögliche getan. Das macht sie zur Heldin - zur ‘Alltags-Heldin’. Für mich ist diese ‘neue’ Maria zur Schlüsselfigur geworden, die mich immer wieder dazu ermutigt, meinen Weg zu gehen. Es wäre schön, wenn auf diese Weise auch andere Frauen der Bibel neu als ‘Heldinnen’ entdeckt und verstanden werden könnten, um so heutigen Frauen zu helfen, ihr Heldinnentum wahrzunehmen. Die androzentrische Prägung des Christentums und vor allem der katholischen (Amts-)Kirche hat den Frauen - und ebenso den Männern - sehr viel vorenthalten von dem, was Jesus uns eigentlich ermöglicht hat. Immer wieder wurde die Bibel bewusst oder unbewusst, gezielt oder aber in bester Absicht missbraucht, um Frauen systematisch klein zu halten. Über Generationen hinweg wurde (und wird) Frauen damit Leid zugemutet, welches Wut erzeugt und nur schwer auszugleichen ist. Ein guter Anfang wäre es, ein Umdenken zuzulassen und zunehmend die ‘andere’ Seite der Kirche zu bestärken, in der immer noch etwas von dem Feuer der Urgemeinden brennt, wenn auch auf Sparflamme. Die Vergangenheit lässt sich nicht ändern, wohl aber die Zukunft. Es gilt, die Kraft, die aus der Wut entsteht, dafür einzusetzen, das Feuer wieder zu entfachen und neue Wege zu gehen, die Frauen mitgehen können. Wer Heldinnen in der Bibel sucht, der muss sehr genau hinsehen und viel Zeit und Geduld mitbringen. Wer diese Mühe jedoch nicht scheut, wer bereit ist, sich die Frauen der Bibel ohne androzentrische Brille anzuschauen, der kann Heldinnen ent-decken, die das ver-kehrte Frauenbild zurechtrücken und uns Frauen heute zum Vorbild - auch in Bezug auf Emanzipation - werden können. Im Religionsunterricht können diese Heldinnen auch den Schülerinnen Identifikationsmöglichkeiten schaffen, die diese selbst zu ‘Heldinnen’ werden lässt, zu Frauen, die mutig und selbst-bewusst ihren Weg gehen, nicht trotz, sondern aufgrund ihres Christseins.
Petra Stichert, geb. Nitsch, (geb. 1972, Düsseldorf) studierte Grundschullehramt mit Hauptfach katholische Religion in Frankfurt am Main (Abschluss 1995) und Pädagogik für Lernbehinderte und Erziehungshilfe auf Sonderschullehramt in Köln. Heute unterrichtet sie unter anderem Religion an einer Schule für Erziehungshilfe in Baden-Württemberg.
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