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Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 148
Abb.: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im Fußball spielen die Fans auf den ersten Blick eine nebensächliche Rolle, denn ohne die Vereine würde auch das Fußballpublikum gar nicht existieren. Bei genauerer Betrachtung wird ihre Bedeutung allerdings umso größer. Zuschauer haben schon immer zum Sport dazugehört dies gilt allerdings auch für ihre Selbstdarstellung als Gruppe, die sich teilweise in Diskriminierung, Gewalt oder ähnlichen Vergehen zeigt (Pilz, 2009, S.186f.). Momentan bekommt das Thema Sicherheit in Stadien einen besonderen Stellenwert, da Fanausschreitungen beim Fußball derzeit immer wieder in den Mittelpunkt der Berichterstattung rücken (ebenda, S.17ff.). Die logische Folge sind Diskussionen über neue Sicherheits- und Präventionsmaßnahmen, die nun verstärkt umgesetzt werden sollen, um die Sicherheit anderer Zuschauer zu gewährleisten (Piastowski, 2010, S38). In der vorliegenden Arbeit wird explizit auf die sich verändernde Fankultur und die Präventionsmaßnahmen des DFL-Sicherheitspapiers eingegangen. Die explorative Studie beschäftigt sich speziell mit der subjektiven Wahrnehmung der neuen Maßnahmen durch Fans. Aufgrund der starken Beeinträchtigungen für die Zuschauer hat das Thema Gewaltprävention eine besonders hohe gesellschaftliche Relevanz, weswegen insbesondere die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen aus Sicht der Fans untersucht werden soll.
Textprobe: Kapitel 3, Sicherheit in deutschen Stadien: Die Diskussionen um mehr Sicherheit in deutschen Stadien sind allgegenwärtig, runde Tische mittlerweile selbstverständlich (DFL, 01.05.2011). Dabei haben die modernen Arenen bereits stark an Komfort und Sicherheit gewonnen und spätestens seit der Fußball-WM 2006 befindet sich die Sicherheit in Deutschland auf höchstem Niveau, was vor allem auf die bauliche Infrastruktur und geschultes Personal zurückzuführen ist (van der Koi, 2010, S.52ff.). Zuvor stand Zuschauergewalt bereits in den 70er und 80er Jahren im Fokus und somit auch neue Sicherheitsmaßnahmen (Behn et al., 2005, S.289), woraus auch eine verstärkte Präsenz der Polizei entstand (Friedmann, 2009, S.1). Fortan war es der Anspruch Gewalt vor allem durch präventive Maßnahmen entgegenzutreten (Behn et al., 2005, S.289). Sicherheit stellt auch heute noch in erster Linie ein logistisches Problem dar, da an mehreren Orten gleichzeitig für Sicherheit gesorgt werden muss. Im Notfall müssen Einsatzkräfte schnell am Ort sein oder Fans evakuiert werden, jedoch tragen auch selbstverständliche und präventive Maßnahmen zur Sicherheit in und um Stadien bei (Brüchert, 2010, S.1f.). Es wird allerdings auch betont, dass die Gewalt an sich innerhalb von 30 Jahren nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat und nun besonders in der ersten Bundesliga angekommen ist (Kraus, 2010, S.183). Das Thema Sicherheit im Sport ist eng verbunden mit Gewalt und stellt neben dem Doping eines der meistdiskutierten Problemfelder dar. Häufig werden Ausschreitungen in Verbindung mit dem Massensport Fußball als neues Phänomen dargestellt, jedoch ist Gewalt eben keineswegs eine jüngere Entwicklung (Pilz, 2009, S.186). Für die Sicherheit in deutschen Stadien sind neben dem Veranstalter auch die Sicherheitsbehörden verantwortlich. Es ist offensichtlich, dass Staat und Vereine nicht dieselben Standpunkte haben. Zudem spielen jedoch auch noch weitere Gruppen wie die Fans, Medien und Ordnungsdienste eine Rolle, die Lage zwischen verschiedenen Akteuren ist aufgrund verschiedener Sichtweisen durchaus als verfahren zu bezeichnen (Bündnis aktiver Fußballfans, 2004, S.167ff. TU Darmstadt, 2011, S.10 Sülzle, 2011, S.159). Im Fußball gilt die Spannung und Dynamik als eine Art Katalysator für Gewalt, jedoch macht es noch einen Unterschied ob diese Atmosphäre eine beiläufige Begleiterscheinung ist oder von Leuten gewollt inszeniert wird (Friedmann, 2009, S.6). In diesem Zusammenhang ist sogar historisch belegt, dass Zuschauer den Fußball aufsuchten um aggressive Handlungen auszuüben und der Sport dadurch einen Teil seiner Attraktivität ausmacht (Moser, 2009, S.12 Sülzle, 2011, S.162ff.) so ist auch zwischen der weiterentwickelten Fankultur und dem Sicherheitsproblem eine Verbindung zu erkennen: ‘Dominierten bis in die 1990er Jahre die fußballzentrierten Kutten und gewaltgeneigte sogenannten Hooligans die Fanszene, so übernahmen die ab Mitte/Ende der 1990er Jahre bis heute sogenannten Ultras diese Rolle in den größten Fangruppierungen der Vereine, wobei (zunächst) weniger Gewaltbereitschaft als vielmehr ausgefeilte Choreografien und eine Abneigung gegen die zunehmende Kommerzialisierung im Vordergrund standen. (…) In der jüngeren Vergangenheit wird den Ultras jedoch von zahlreichen Autoren eine höhere Gewaltbereitschaft bescheinigt (Herold, 2012, S.145). Im Sachstandsbericht über die Sicherheitsmaßnahmen im deutschen Fußball ist festgehalten, dass die Ultra-Kultur eine bemerkenswerte Entwicklung genommen hat. Die gewalttätige Hooligan-Kultur hatte bei der WM 1998 ihren negativen Höhepunkt, als deutsche Hooligans den französischen Polizisten Daniel Nivel schwer verletzten (TU Darmstadt, 2011, S.13). Dennoch ist die Sicherheitslage in Deutschland eigentlich kaum als bedenklich zu bezeichnen, da trotz vereinzelten gewalttätigen Auseinandersetzungen, keine schweren Gewaltexzesse oder Schwerverletzte in der Chronologie belegt sind (ebenda). Auffällig ist aber, dass selbst Funktionäre dem Thema Gewalt im Fußball kritisch gegenüberstehen, so zum Beispiel der ehemalige DFB-Sicherheitschef Helmut Spahn: ‘(…) wir werden die Gewalt aus dem Fußball genauso wenig völlig verbannen können, wie es eine Gesellschaft ohne Kriminalität geben wird’ (Kraus, 2010, S.186). Weiter merkt er an, dass die Gewalt den Zahlen nach zugenommen hat, ein höheres Niveau jedoch nicht erkennbar ist und vor allem die Masse an Zuschauern stark gewachsen ist, so dass im Verhältnis gesehen vielleicht sogar eine positive Entwicklung vorhanden ist (Linkelmann & Thein, 2012, S.238). Es wird daher im folgenden Abschnitt verstärkt auf die Gewalt im Fußball und der Gesellschaft eingegangen (3.1) und die unterschiedlichen Parteien die mitwirken und deren Verhältnis zueinander erläutert (3.2). Abschließend werden die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen genauer betrachtet, um den Beitrag der jeweiligen Mitwirkenden und die große Fülle an Maßnahmen zu beleuchten (3.3). 3.1, Gewalt im Fußball und der Gesellschaft: ‘Obwohl die Anwendung direkter körperlicher Gewalt in unserer Gesellschaft unter Strafe steht, ist sie überall präsent. Der Fußball macht dabei keine Ausnahmen’(Gabler, 2011, S.122). Gewalt bei Sportveranstaltungen existiert seit dem es den Sport gibt, lässt sich weit bis vor Christus verfolgen und es verging keine Phase der Geschichte in denen der Sport frei von Gewalt war (Friedmann, 2009, S.6). Weigelt (2004) berichtet beispielsweise von Überlieferungen, in denen 450 vor Christus in Delphi betrunkene Zuschauer randalierten oder es im Mittelalter Krawalle gab. Von 1895 bis 1914 kam es zu ca. 200 Fällen von Ausschreitungen pro Jahr (Weigelt, 2004, S.23f.). Der Verband und die Politik griffen zur Hochzeit der Gewalt gegen den Hooliganismus ein um diesen aus deutschen Stadien zu verbannen (Bündnis aktiver Fußballfans, 2004, S.165). Hier hatte die fortschreitende Professionalisierung des Fußballs zunächst einen positiven Einfluss, so dass die gewalttätigen Ereignisse in Stadien nach dem Höhepunkt Mitte der 1980er Jahre zurückgingen. Nach der Wiedervereinigung kam es jedoch zu einem rapiden Anstieg, welcher sich auf die hohe Gewaltbereitschaft der ostdeutschen Fußballfans zurückführen lässt. Anschließend stabilisierten sich die Zahlen ein wenig, auch wenn eine Trendwende nicht erkennbar ist (Bliesener, 2006, S.290 Weigelt, 2004, S.37). Die deutsche Geschichte ist ein erster Hinweis auf den gesellschaftlichen Zusammenhang von Gewalt. In der DDR wurde der Sport politisiert und Talente extrem gefördert. Den Bewohnern sollte verinnerlicht werden wie überlegen man dem ‘Klassenfeind’ ist, doch auch hier wurden immer wieder jugendliche Stimmen laut, die durch rassistische Sprüche auffielen um zu protestieren. Mit den steigenden Sicherheitsvorkehrungen wie Zäunen und zusätzlichen Beamten stieg auch die Gewalt. Die Anzahl der Aufstände nahm zu und verlagerte sich dafür außerhalb der Stadien (Weigelt, 2004, S.33+35). Ein weiteres Anzeichen für einen solchen Zusammenhang zeigt sich darin, dass die Ultras zu Beginn ihrer Entwicklung keineswegs gewaltbereit waren, jedoch aufgrund ihrer ‘extremen’ Einstellung dafür gehalten wurden. Der Druck durch die stigmatisierende Gesellschaft ging an den Ultras nicht spurlos vorbei, so dass sie tatsächlich gewaltbereit wurden. Diese Etikettierung lässt sich auch allgemein auf die Fanszene des Fußballs übertragen (Pilz & Wölki, 2006, S.277 Kabs, 2008, S.124). Die Polizei hingegen sieht den Wandel in der Fanszene schon länger als sehr bedenklich und verweist auf die steigende Anzahl an Ermittlungsverfahren, Verletzten und Einsatzstunden (Radek, 2010, S.24). Zudem trägt zusätzlich die nachlässig recherchierte oder auch beabsichtige Berichterstattung der Medien zu einer stigmatisierenden Darstellung der Fans bei, welche das Bild in der Gesellschaft prägt (Gabriel, 2010, S.48f. Gabler, 2011, S.154). Man muss jedoch auch festhalten, dass es immer weniger Ultras gibt, die sich deutlich von Gewalt distanzieren, was letztlich zu der weiteren Ausdifferenzierung in Form der Hooltra-Gruppierung führte (Pilz, 2009, S.193). Leistner (2008) versuchte die Gewalt im Fußball etwas differenzierter zu betrachten und unterscheidet daher zwischen spieltagsbezogener Gewalt und spieltagsunabhängiger Gewalt. Weiterhin spielt die Form der Ausübung und die Intensität der Gewaltausübung eine Rolle. Es zeigen sich verschiedene Formen der Gewalt, die unterschiedliche Motive oder kriminelle Energie mit sich bringen. So sind spieltagsbezogene und ritualisierte Gewaltformen für die jungen Fans eine Art Einstieg, da aufgrund der Sicherheitsinstanzen das Risiko kalkulierbar bleibt (Pilz, 2009, S.195f.). Die Erkenntnisse lassen sich gut auf die oben genannte Ausdifferenzierung der Ultras übertragen. Besonders junge Ultras scheinen die Grenzen immer weiter auszuloten, speziell die spieltagsbezogenene Gewalt hat sich in dreifacherweise brutalisiert. So verlagern sich (1) die Auseinandersetzungen von öffentlichen Räumen teilweise in das Privatleben der Beteiligten, (2) die Gewalt richtet sich auch gegen unbeteiligte Personen und (3) es werden auch Waffen eingesetzt (ebenda). Pilz, (2012), beschreibt jedoch Repression als letztes Mittel, das zur Lösung des Problems herangezogen werden sollte und setzt auf die Einsicht der Fans. In einer Studie der Hochschule Fresenius wurden bereits erste Erkenntnisse zur Sicherheit in deutschen Fußballstadien gewonnen, hierbei stellte man fest, dass viele Zuschauer bei Auswärtsspielen und vor allem nach dem Spiel Angst vor gewalttätigen Übergriffen haben. Allerdings spiegelte diese Studie lediglich die Meinung von 150 Zuschauern wieder, so dass kein umfassendes Bild von der Meinung der Fans erzeugt werden konnte (Hochschule Fresenius, 04.06.2012). Eine Möglichkeit die Gewalt in Stadien quantitativ zu betrachten stellt die Statistik der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) dar, die jährlich von der Polizeibehörde erstellt wird. Zur Veranschaulichung wird die Übersicht der letzten 12-Jahre herangezogen. Die absoluten Zahlen weisen alle einen Anstieg aus und auch die Entwicklung der letzten 5 Jahren zeigt konstant einen steigenden Trend: Die Personen der Kategorien B (gewaltgeneigt) und C (gewaltsuchend) haben insgesamt um 1.688 Personen zugenommen, was 17,5% Zuwachs entspricht. Die 1.142 verletzten Personen setzen sich aus 235 Polizeibeamten, 514 Störern und 393 Unbeteiligten zusammen, der Zuwachs zum Vorjahr beträgt 296 Personen und damit ca. 35%. 3.3, Maßnahmen zur Gewaltprävention: Ebenso wie die Gewalt selbst, kann man auch Sicherheitsmaßnahmen bis weit in die Antike verfolgen. So lassen sich aus Überlieferungen Ratschläge lesen, die heutigen Einsatzplänen der Polizei bei sportlichen Großveranstaltungen gleichen (Pilz, 2009, S.186). Es lässt sich also feststellen, dass schon damals gewisse Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Ordnung ergriffen wurden (Pilz, 2012, S.214f.). Da der Hooliganismus im deutschen Fußball in den 1980er Jahren immer mehr zu einem erheblichen sozialen und staatlichen Problem wurde, wuchs die Einsicht, dass neue Maßnahmen nötig sind. Die Bewältigung sollte von da an sowohl durch ordnungspolitische und strafverfolgende sowie situationsangepasste repressive und sozialpräventive Maßnahmen erfolgen (Herold, 2012, S.142f.). Dieser Paradigmenwechsel wurde 1993 im ‘Nationalen Konzept Sport und Sicherheit’ (NKSS) verabschiedet, nachdem man feststellte, dass sich die ‘Strategie des massiven Polizeieinsatz’ eher als kontraproduktiv erwies (Piastowski, 2010, S.38f.). Ein wesentlicher Schritt nach vorne stellten die Fanprojekte dar, jedoch auch die Verbindlichkeit und Sicherheitsbestimmungen zur Arbeit der Polizei und Ordnungskräfte (Herold, 2012, S.142f.). Medien: Die sonst häufig kritisierten Medien setzen inzwischen ihren Fokus in der Berichterstattung weniger auf Gewalt, um den Gewalttätern keine Bühne mehr zu bieten, zum anderen erfolgt durchaus eine differenzierte Betrachtung der Positionen. In jüngster Vergangenheit versuchten sogar mehrere TV-Sender, die Fußball ausstrahlen, gemeinsam mit einem TV-Spot sich für eine positive Fankultur und gegen Gewalt zu positionieren. Der Name dieser Initiative lautet ‘100 Prozent das Spiel – 0 Prozent Gewalt’. Fanprojekte: 2010 betreuten bereits 40 Fanprojekte die 36 Mannschaften der beiden Bundesligen (Piastowski, 2010, S.38). ‘Bei einem Fanprojekt handelt es sich um eine professionelle öffentlich-rechtliche Fan-Betreuung’ (Moser, 2009, S.21), deren Sozialarbeiter enge Beziehungen und Kontakte zur Fanszene aufbauen. Die Unterstützung drückt sich durch klassische Angebote wie Streetwork, Einzelfall- und Lebenshilfe aus, aber auch soziale Gruppenarbeit, um den Fans bei der Selbstorganisation zu helfen (ebenda). Neben den präventiv-repressiven Maßnahmen der Polizei wurde damit die Sozialarbeit als wichtige Präventivmaßnahme etabliert (Friedmann, 2009, S.49 Kabs, 2008, S.125ff.). Das Hauptziel ist es, Gewalt zu verhindern, indem gewaltfreie Konfliktlösungen aufgezeigt werden. Weitere wichtige Aspekte der Fanprojekte sind: Das Schaffen von Schuldgefühlen, Abbau extremistischer Orientierungen, Abbau delinquenter Verhaltensweisen, Steigerung des Selbstwertgefühls (Friedmann, 2009, S.50). Im Zuge des NKSS wurde eine Koordinationsstelle Fan-Projekt bei der Deutschen Sportjugend eingerichtet (Moser, 2009, S.72). Die Arbeit der Fanprojekte wird allerdings nur selten entsprechend gewürdigt, da sie am erfolgreichsten ist, wenn Fans sich unauffällig verhalten (Friedmann, 2009, S.50).
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