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- Genossenschaftliche Selbsthilfe und nachhaltige Soziale Arbeit: Eigenständige Soziale Sicherung in der Gemeinwesenökonomie
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 140
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Aufgrund der demographischen Entwicklung und der zunehmenden Verlagerung sozialer Sicherung ins Private besteht die Gefahr, dass sich die Lebenslagen älterer Menschen verschlechtern. Durch eine Auslese mittels der Einteilung der älteren Generation in Produktive und nicht Produktive könnte eine wachsende Zahl älterer Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Produktive Ältere, die entweder die nötigen finanziellen oder gesundheitlichen Ressourcen haben, sind in die Gesellschaft integriert und die Kranken und Hilfsbedürftigen mit mangelnden materiellen Ressourcen werden ausgeschlossen. Die Problematik der Hilfeleistung wird zunehmend in die Familie verlagert und zum Großteil von Frauen geleistet. Aufgrund der Zunahme hilfsbedürftiger älterer Menschen bei gleichzeitiger Abnahme jüngerer Menschen, dem strukturellen und sozialen Wandel, kommt es zu vielschichtigen Problemen in der Gesellschaft, die vor einer völlig neuen Aufgabe steht. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit alternativen Ansätzen eigenständiger zivilgesellschaftlicher Organisation der sozialen Sicherung. Exemplarisch wird die genossenschaftliche Selbsthilfe zur Förderung der Hilfe auf Gegenseitigkeit in Form eines Zeitdepots dargestellt.
Textprobe: Kapitel 3, Neue Ansätze Sozialer Arbeit mit älteren Menschen: Jürgen Habermas hat in ‘die neue Unübersichtlichkeit’ ausgeführt, dass die drei Steuerungsleistungen moderner Gesellschaften, Markt, Macht und Solidarität, in eine neue Balance gebracht werden müssten. ‘Die sozialintegrative Solidarität in der Zivilgesellschaft müsste sich gegen die ‘Gewalten’ der beiden anderen Steuerungsressourcen, Geld und administrative Macht, behaupten können’ (Habermas 1985 S. 158). Solidarität ist das Steuerungsmedium der Gemeinwesenökonomie, die sich im intermediären Sektor verortet. Das Ziel der Eigenständigkeit dieses Sektors korreliert unmittelbar mit der Stärkung der Steuerungsressource Solidarität in der Zivilgesellschaft. Gemeinwesenarbeit als intermediäre Instanz hat die Aufgabe, Solidarität in der Zivilgesellschaft zu stiften. Hierzu ist es notwendig, dass intermediäre Organisationen ‘keine eigene vierte Handlungslogik ausbilden, sondern vielmehr die bekannten drei ‘reinen’ Handlungslogiken in jeweils spezifischer Weise miteinander kombinieren’ (Olk/Rauschenbach/Sachße 1995 S. 17). Dies birgt zwar die Gefahr des funktionalen Dilettantismus, aber auch die Chance ‘im Sinne synergetischer Effekte die jeweiligen Vorteile ... miteinander zu verbinden’ (Olk/Rauschenbach/Sachße 1995 S. 18). Um diese Synergien zu erreichen, braucht es eine ‘neue’ Fachlichkeit, die ein konstruktives Miteinander der Engagierten und der Professionellen fördert. Eckart Pankoke führt in diesem Kontext aus, dass es sowohl die Dilettanten als auch die Professionellen braucht, die sich gegenseitig ergänzen und unterstützen (Pankoke 1994 S. 164ff). Die ‘neue’ Fachlichkeit unterstützt die BürgerInnen, die sich in ihrem zivilen Handeln um die Belange des Gemeinwesens selbst organisieren. In einem so verstandenen bürgerschaftlichen Engagement wird das Engagement nicht instrumentalisiert, um für die Professionellen zu handeln (Wendt 1998 S. 134). Soziale Arbeit orientiert sich dann nicht mehr an dem re-aktiven Grundmodell, ‘welches seine Wurzeln im deutschen Fürsorgewesen hat’, sondern am pro-aktiven Grundmodell, ‘dessen Wurzeln in die Tradition sozialreformerischer Sozialarbeit reichen’ (Elsen 2001 S. 40). Diese pro-aktive Soziale Arbeit zielt ‘auf die demokratische Teilhabe aller Gesellschaftsmitglieder, Emanzipation, Befähigung und Bemächtigung der Benachteiligten, auf sozialen Wandel und gesellschaftlichen Machtausgleich. ‘...’ Die Funktion Sozialer Arbeit besteht dann nicht mehr primär in stellvertretendem Handeln, Betreuung und Bereitstellung von Angeboten, sondern in Aktivierung, Moderation, Vernetzung, Ressourcenbeschaffung, Projektentwicklung, Prozessbegleitung, Koordination, Politikberatung, Sozialem Management, etc.’ (Elsen 2001 S. 40). Die gemeinwesenorientierte Netzwerkarbeit wird gemeinsam gleichberechtigt von BürgerInnen und Professionellen organisiert um die Systemwelt und Lebenswelt miteinander zu vernetzen. Damit sich an den unter Punkt 2.2. beschriebenen Aushandlungsprozessen alle BürgerInnen beteiligen können, bedarf es einer anderen Fachlichkeit in der Sozialen Arbeit, um die fehlende oder geringe Handlungsautonomie der gesellschaftlich ausgegrenzten BürgerInnen wieder herzustellen (vgl. Butterwegge 1999 S. 192). Soziale Arbeit und AdressatInnen sollen sich dementsprechend an diesem gesellschaftlichen Prozess auf ‘Augenhöhe’ beteiligen. Irene Steiner-Hummel spricht in diesem Zusammenhang von einer neuen Grundhaltung (Steiner-Hummel 1993 S. 69): ‘Die Versorgungs- und Fürsorgeorientierung soll zugunsten einer individuellen Zusammenarbeit und Unterstützung des Adressaten aufgegeben werden. Das heißt praktisch, sich von den Ressourcen statt von den Defiziten leiten zu lassen, die Vorstellung von der allseitigen Versorgung und ihrer professionellen Machbarkeit aufzugeben. An die Stelle des ‘Machens’ von Dienstleistungen tritt das ‘Erschaffen und Gestalten’ von Lebenssituationen (Steiner-Hummel 1993 S. 68). In der Sozialen Arbeit mit älteren Menschen bedeutet dies zum Beispiel die Unterstützung genossenschaftlicher Selbsthilfe, die Menschen nach ihren Ressourcen und dem Prinzip des gegenseitigen Tauschs zusammen bringt (Steiner-Hummel 1993 S. 70f). Es geht um einen Befähigungs- oder Lernprozess den Soziale Arbeit unterstützend begleiten soll. Hierzu bedarf es der professionellen Grundhaltung des Empowerments. 3.1., Empowerment als professionelle Grundhaltung: ‘Ausgangspunkt von Empowerment-Prozessen ist stets das Erleben von Machtlosigkeit und Fremdbestimmung’ (Herriger 2002 S. 52). Menschen erleben sich immer wieder als Menschen, denen die Erfahrung von Selbstbestimmung und Autonomie fehlt (ebd.). Sie begreifen sich als Objekt ihrer Umwelt und nicht als Subjekt, das diese Umwelt selbst gestalten kann (Freire 1973 in Herriger 2002 S. 52). Ausgangspunkt für solche Muster der Machtlosigkeit sind Lebenskrisen. Als theoretischer Zugang gilt hier die Theorie der erlernten Hilflosigkeit von Martin Seligman. Erlernte Hilflosigkeit ‘nimmt ihren Ausgang in der wiederholten Erfahrung der Person, dass alle Anstrengungen, belastende Ereignisse und Situationen ihrer Umwelt zu beeinflussen, fehlschlagen’ (Herriger 2002 S. 54ff). 3.1.1., Der Defizitblickwinkel in der Sozialen Arbeit: Erfahrungen der Hilflosigkeit sind immer wieder der Ausgangspunkt für institutionalisierte Hilfen. Hier werden die privaten Probleme in ‘behörden-offizielle’ Probleme übersetzt. Dies geschieht aufgrund von Interpretationen der dargestellten Probleme. Aufgrund dieser Interpretationen kann der ‘ Fall’ in routinemäßiger Form bearbeitet werden (Herriger 2002 S. 63f). Laut den Untersuchungen von Norbert Herriger sind diese Interpretationsmuster geprägt durch die Metapher des Defizits (Herriger 2002 S. 65f). Der Defizitblickwinkel wird in den modernen Sprachmustern der Sozialen Arbeit überdeckt, aber dahinter ist nach wie vor diese Grundhaltung gegeben. Möchte der Klient die benötigte Hilfe, so muss er sich den genannten Interpretationen unterordnen, da die Definitionsmacht auf Seiten der Institution liegt. Somit entsteht eine asymmetrische Beziehung, bei der die Definitions-, Durchsetzungs- und Kontrollmacht einseitig auf Seiten des ‘Experten’ liegt (Herriger 2002 S. 66ff). Hierdurch werden für den Hilfesuchenden neue Abhängigkeiten geschaffen, die laut Illich neue Muster der Unmündigkeit produzieren (Illich in Herriger 2002 S. 69). Die erlernte Hilflosigkeit wird somit konserviert. 3.1.2., Die Philosophie der Menschenstärken: Empowerment ist ein Gegenrezept zu defizitärer Betrachtungsweise, denn der Blick wird auf die Ressourcen der AdressatInnen gelenkt. Der Kern des Empowerment-Konzeptes ist laut Norbert Herriger ein ‘verändertes, optimistisch gestricktes Menschenbild, das die Wahrnehmung der Lebenswirklichkeit der AdressatInnen und die Entwürfe einer sensiblen alltagsorientierten Unterstützungspraxis durch die Soziale Arbeit anleitet’ (Herriger 2002 S. 70). Hierin spiegelt sich der Respekt der Werte, die Würde der Hilfesuchenden und das Vertrauen in deren individuelle und kollektive Stärken wieder (Herriger 2002 S. 70). Diese Philosophie der Menschenstärken unterteilt Herriger in sechs Bausteine: 1. ‘Das Vertrauen in die Fähigkeiten jedes einzelnen zu Selbstgestaltung und gelingendem Lebensmanagement. 2. Die Akzeptanz von Eigen-Sinn und der Respekt auch vor unkonventionellen Lebensentwürfen der Klienten psychosozialer Arbeit. 3. Das Respektieren der ‘eigenen Wege’ und der ‘eigenen Zeit’ des Klienten und der Verzicht auf strukturierte Hilfepläne und eng gefasste Zeithorizonte. 4. Der Verzicht auf entmündigende Expertenurteile über die Definition von Lebensproblemen, Problemlösungen und wünschenswerten Lebenszukünften. 5. Die Orientierung an der Lebenszukunft des Klienten. 6. Die Orientierung an einer ‘Rechte-Perspektive’ und ein parteiliches Eintreten für Selbstbestimmung und soziale Gerechtigkeit’ (Herriger 2002 S. 72ff). Durch das Empowerment als professionelle Grundhaltung werden die AdressatInnen auf ‘Augenhöhe’ mit den HelferInnen ‘gerückt’. Die AdressatInnen werden zu Experten ihrer Selbst und die Professionellen der Sozialen Arbeit zu deren WegbegleiterInnen. Konrad Hummel beschreibt in seinem gemeinwesenorientierten Konzept der Altenarbeit die Einbettung der Altenarbeit in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge (Hummel 1986 S. 1): ‘Im hohen Alter greifen viele wichtige Errungenschaften wissenschaftlichen Fortschrittes offenkundig nur, indem sie mühsam uminterpretiert werden. Die eindeutige Diagnostik eines Krankheitsherdes weicht im hohen Alter dem verschleiernden Begriff der Multimorbidität. Vergleichbar der neueren Psychosomatik- und Familientherapie reicht es nicht einmal aus, die gegenseitige Beeinflussung medizinisch-klinischer mit psychosozial oder sozioökonomischen Faktoren zu akzeptieren, sondern es wird notwendig, ihre fortgesetzte, nicht mehr in ihrem Ursprung und Entstehung präzis zu bestimmende Wechselwirkungskette bei der Krankheitsgeschichte zu sehen. Die alterspsychiatrischen Krankheitsbilder machen vermutlich am deutlichsten, was dies für Folgen hat. Der Streit um die richtige Diagnostik, die Frage, ob Demenz überhaupt heilbar ist oder nicht, wird im hohen Alter nahezu hinfällig. Alle medizinischen, pflegerischen, sozialpädagogischen Möglichkeiten müssen zusammenfließen, die Krankheit selbst als eine Ausdrucksform, als eine Verhaltens- und Bewältigungstechnik des Erkrankten mit ins Kalkül genommen werden. In der Altenhilfe wird deutlich, dass wir es nicht mit Krankheiten, Leiden und Sterben zu tun haben, sondern mit kranken, leidenden und sterbenden Menschen. Die genannten Probleme haben immer auch weiterführende soziale Dimensionen. Der ganzheitliche Ansatz ist deshalb mehr als die Berücksichtigung von Körper – Seele – Geist – Einheit der Sinnesorgane oder von rehabilitativen Ressourcen (Juchli)’ (Hummel 1986 S. 13f). An diesem ganzheitlichen Ansatz zeigt sich die systemische Sichtweise der Sozialen Arbeit mit älteren Menschen. Systemisches Denken ist auf Ganzheiten bezogen und Ganzheiten werden ‘nicht aus ihren Teilen verstanden’ (Pfeifer-Schaupp 1995 S. 32). Das Ganze ist in diesem Sinne etwas anderes als die Summe seiner Teile (Hollstein-Brinkmann 1993 S. 27). 3.2., Systemische Soziale Arbeit: Silvia Staub-Bernasconi folgt in ihrer systemischen Theorie Sozialer Arbeit den metatheoretischen Grundlagen von Werner Obrecht und Martin Bunge (Staub-Bernasconi 1995 S. 117ff Maja Heiner u.a. 1998 12ff kurze Einführung in Ernst Engelke 1998 S. 369ff Einführung in die metatheoretischen Grundlagen: Obrecht 2000 S. 207ff Silvia Staub-Bernasconi 2000 S. 740ff). ‘In der Sicht einer solchen systemischen Erkenntnis- und Bedürfnistheorie besteht menschliches Leben darin, Problemen der Bedürfnisbefriedigung und Wunscherfüllung gegenüberzustehen und zu lernen, innerhalb der Struktur sozialer Systeme und in Kooperation und Konflikt mit anderen Menschen Lösungen hierfür zu suchen’ (Staub-Bernasconi 1995 S.130). Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit sind die soziale Probleme von Menschen ‘mit unerfüllten biologischen, psychischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen’ (Staub-Bernasconi 1995 S.13134). Die Ziele der Sozialen Arbeit verbinden nach Silvia Staub-Bernasconi individuelle und soziale Werte, das heißt: ‘a) individuelle Bedürfnis- und Wunscherfüllung im Zusammenhang mit der Erweiterung des Wissens- und Handlungsspektrums als auch der verfügbaren physischen, sozio-materiellen und kulturellen Ressourcen und b) fairer Ausgleich von Pflichten und Rechten zwischen Menschen und sozialen Gruppen, ferner Regeln der Machtbegrenzung wie der gerechten Machtverteilung als Bedingung für sozialen (familiären, organisationellen, gesellschaftlichen) Frieden’ (Staub-Bernasconi 1995 S.135f). Mit Hilfe der Systemtheorie als metatheoretischem Bezugsrahmen können die verschiedenen Aspekte akademischen Wissens in einen Zusammenhang gebracht werden. So können die Verknüpfungen der verschiedenen Disziplinen erkannt, begründet und beim Handeln in Rechnung gestellt werden (Staub-Bernasconi 1995 S. 137). Silvia Staub Bernasconi verweist auch auf die Notwendigkeit eines weltweiten Bewusstseinsbildungsprozesses für soziale Probleme, anlog für ökologische Probleme. Für diesen Bewusstseinsbildungsprozess für soziale Probleme hat die ‘Sozialarbeitsprofession einen eigenbestimmten, selbstdefinierten Auftrag ‘...’ zu übernehmen’ (Staub-Bernasconi 1995 S. 414). Dieser steht in direktem Zusammenhang mit der Notwendigkeit einer universellen Ethik Sozialer Arbeit. Rolf Depner und Achim Trube verweisen im Kontext der Ökonomisierung des Sozialen auf die Notwendigkeit extrafunktionaler Qualitätskriterien der Sozialen Arbeit (Depner/Trube 2001 S. 234ff). Die Qualitätskriterien sollten anhand universeller ethischer Qualitätsstandards auf der Grundlage der reziproken Anerkennung von Hilfebedürftigen und HelferInnen festgelegt werden, ‘um mit dem jeweiligen ‘Gegenüber’ gemeinschaftlich soziale Wirkungen in Gang zu setzen’ (Depner/Trube 2001 S. 235). Diese ethischen Qualitätsstandards sind extrafunktional, das heißt ‘jenseits von Fachstandards für konkrete Handlungsfelder’, wie zum Beispiel der Altenhilfe (Depner/Trube 2001 S. 236). Solche Qualitätskriterien sind notwendig, um der drohenden Bestenauslese in Folge der zunehmenden Konkurrenz sozialer Dienstleister (Depner/Trube 2001 S. 218) entgegenzuwirken. Basis dieses dauernden Prozesses können die ethischen Grundlagen der Sozialen Arbeit sein, die von der International Federation of Social Workers (IFSW) 1994 herausgegeben wurden (IFSW 1994). Diese wurden mittels eines Diskurses vom Deutschen Berufsverband für Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Heilpädagogik e.V. (DBSH) für die nationale Ebene konkretisiert und unterliegen einer kontinuierlichen Revision und Aktualisierung (DBSH 1997).
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