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- Einflussfaktoren der Mediennutzung: Flow und weitere Faktoren der Medienselektion am empirischen Beispiel „Harry Potter und der Stein der Weisen“
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 308
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Der Wissenschaftler Csikszentmihalyi benannte bereits 1975 das vollständige Versinken in eine Tätigkeit mit dem Wort Flow . In der vorliegenden Abhandlung wird ein Zusammenhang zwischen dem Flow-Erleben beim Lesen eines Buches und einer direkt folgenden Medienselektion postuliert. Sollte Flow dem Medium zugeschrieben werden, würde ein weiteres Buch ausgewählt, sollte Flow dagegen dem Inhalt attribuiert werden, würde ein beliebiges Medium mit einem ähnlichen Inhalt selektiert. Zur Analyse werden zunächst relevante Begrifflichkeiten aus dem Bereich der Medienrezeption voneinander abgegrenzt. Anschließend stehen Bedingungen und Aspekte während einer belohnenden Medienrezeption sowie deren Konsequenzen im Fokus. Auch wird Flow-Erleben im Lichte bereits vorhandener Medienselektionstheorien betrachtet. Eine konkrete Medienselektion nach der Flow-Induktion wird empirisch in zwei Quasi-Experimenten beobachtet. Eine davon unabhängige Befragung zeigt weitere wahrgenommene Motivationen für eine Medienselektion nach einem Flow-Erleben. Zusammengefasst bietet das Buch neben einer umfassenden theoretischen Analyse mögliche empirische Umsetzungen für diesen speziellen Kontext.
Textprobe: Kapitel 5.4. Ausgangspunkte von Unterhaltung und Spiel: In der Umgangssprache ist das Medium häufig der Ausgangspunkt von Unterhaltung. Auch in der Wissenschaft gibt es diese Annahme, die für Vorderer ein Missverständnis bei der Definition von Unterhaltung ist. So ist oft von Unterhaltungssendungen im Fernsehen, der Unterhaltungsindustrie oder von Unterhaltungsmedien generell die Rede, aber auch von Unterhaltungsliteratur im Verständnis von Trivialliteratur. Damit wird davon ausgegangen, dass bestimmte Medien oder bestimmte Texte von allen Menschen gleich wahrgenommen werden und diese Nutzung per se zu Unterhaltung führt bzw. Unterhaltung damit eine Eigenschaft des genutzten Mediums ist, gleichzeitig andere Medien keine Unterhaltung verursachen können und somit keinen Unterhaltungswert haben. Von den Medieninhalten ist dabei keine Rede. Dies entspricht den Ideen des ( älteren ) Wirkungsansatzes in der Medienforschung. Insbesondere bezieht sich diese Annahme darauf, dass es eine Unterscheidung gibt zwischen Medien als (fiktionsbezogenen) Unterhaltungsträgern und Massenmedien als (faktenbezogenen) Informationsträgern. In vielen Fällen vermischen sich die strengen Kategorien Information und Unterhaltung der Nutzer benötigt keine Unterscheidung dieser Art. Insbesondere ältere Menschen fühlen sich durchaus durch nicht-fiktionale Sendungen und Texte unterhalten. Für Vorderer ist diese Annahme (faktenbezogene Texte sind nicht unterhaltsam) ein weiteres Missverständnis bei der Begriffsabgrenzung von Unterhaltung. Es bleibt zu fragen, warum das Modell der Unterscheidung zwischen (Informations-) Medien und (Unterhaltungs-) Medien weiterhin aufrechterhalten wird. Dies geschieht parallel zu einer nicht deutlichen Abgrenzung des Medienbegriffs (vgl. Abschnitt zu Medium). Hier wird die Fortsetzung der Unterscheidung von Information und Unterhaltung zwar nicht grundsätzlich unterstützt, allerdings sind Theorien, die sich auf nicht-fiktionale Informationsverarbeitung beziehen, nicht immer auf (fiktionale) Unterhaltungsverarbeitung übertragbar (und umgekehrt) – wie dies z.B. für Involvement oder Einstellungen bisher angenommen wird. Zusätzlich wird häufig in Theorien zur Unterhaltung implizit das Fiktionale in der Unterhaltung angenommen, welches stark von Informationsinhalten getrennt ist. Unterhaltung und Spiel stellen hier einen Zwischenschritt auf dem Weg zur Medienselektion dar, bei dem der Mensch der Ausgangspunkt von Unterhaltung ist, der subjektiv entscheidet, wann er sich unterhalten fühlt. Dies passt zur Sichtweise der Rezipientenperspektive des Uses and Gratifications Ansatzes (vgl. Abschnitt zu Uses and Gratifications), bei der Leser oder Zuschauer aktiv Medien auswählen, die sie unterhalten. 5.5. Die Eskapismus-These: Innerhalb der so genannten Eskapismus-These der Unterhaltung (durch Medien) wird davon ausgegangen, dass der Grund zum (Wieder-) Aufsuchen von potentiellem Unterhaltungsangebot der Wunsch des Menschen ist, aus der Alltags-Realität zu flüchten – hier wird deutlich, dass fiktionale Texte bei dieser Flucht eher eine Hilfe sein können als realitätsnahe Schriften. Zur Konkretisierung der Eskapismus-Hypothese wurden in der Vergangenheit unterschiedliche Grundannahmen entwickelt. Die Gedanken-Blockierungs-Hypothese nimmt an, dass sich Menschen einem positiv besetzten Medienangebot zuwenden, um sich selbst von störenden (negativen) Gedanken abzubringen. Die Langeweile-Vermeidungs-Hypothese dagegen postuliert, dass Menschen, die sich schlecht konzentrieren können, eher und häufiger (unterschiedliche) Medien konsumieren. Bisher wurden beide Hypothesen nur korrelativ und nicht kausal erforscht. Um jedoch die Frage danach zu beantworten, was den Nutzer letztlich dazu bewogen hat, den Wunsch der Flucht zu entwickeln und umzusetzen, muss man sich mit Formen und Inhalten des Medienangebotes näher beschäftigen. Dafür sind die genannten beiden Ansätze zu oberflächlich. Unterhaltung und/oder Flow-Erleben kommen also auch als potentielles Fluchtziel in Frage, da man im Moment des Flows vollkommen auf die Tätigkeit konzentriert ist (gerade im Falle der Nutzung von fiktionalen Angeboten) und den Alltag ausblendet. Im Gegensatz dazu steht die Lektüre sachbezogener Literatur: dort könnte argumentiert werden, zwar auch der Realität entkommen zu wollen, aber in diesem Fall reale Handlungsalternativen (die später tatsächlich umgesetzt werden könnten) mental durchzuspielen. 5.6. Leisure: Den Begriffen Unterhaltung und Entertainment gleich oder sehr ähnlich, aber mindestens gradlinig verwandt ist Leisure. Ohne begrifflichen Zusatz bedeutet Leisure zunächst arbeitsfreie Zeit. Langeweile und bloßes Nichtstun können eine Form der Beschäftigung in dieser arbeitsfreien Zeit sein, Leisure ist daher definiert als ungezwungene Aktivität, die in der freien Zeit aufgesucht wird, eine Aktivität, die Menschen ausführen wollen und, auf eine befriedigende oder erfüllende Art und Weise (oder beidem), bei der sie ihr eigenes Können und ihre eigenen Ressourcen einsetzen können. Die Wortherleitung von Leisure bezieht sich allerdings auf eine andere Forschungsdomäne, nämlich auf die des Handels. Zusätzlich erinnert die Verwendung des Begriffs des Liminalen für die Herleitung von Leisure an die Definition von Unterhaltung, so dass es durchaus definitorische Überschneidungen der beiden Termini (Leisure und Unterhaltung) gibt: [...] Das englische Wort ‚leisure‘ leitet sich etymologisch vom altfranzösischen leisir ab, das vom lateinischen licere, ‚erlaubt sein‘, stammt und interessanterweise die indoeuropäische Wurzel leik-, ‚zum Kauf, zum Handel anbieten‘, hat, was auf die ‚liminale‘ Sphäre des Wahl, Variation, Vertrag implizierenden Markts verweist [...] Damit vermittelt der Begriff ebenfalls implizit, dass es sich um angenehme Tätigkeiten handelt, die in der arbeitsfreien Zeit erledigt werden – einschließlich des bloßen Nichtstuns. Dieses jedoch gehört nach Csikszentmihalyi nicht mehr zu Leisure (sondern zum Langeweile-Kanal im Flow-Modell): [...] leisure is identified with expressive activities, that is, those providing immediate intrinsic rewards opposed to delayed gratification [...]” Arbeitsfreie Zeit ist heutzutage oft zur Mediennutzungszeit geworden. Stebbins hat drei Arten von Leisure herausgearbeitet: 1. Casual leisure, 2. Serious Leisure und 3. Project-based Leisure Casual Leisure bedeutet frei übersetzt so etwas wie Freizeit. Die Hinzunahme des Wortes Casual (= locker, zwanglos, gelegentlich) zu Leisure unterstreicht die Freiwilligkeit und Ungezwungenheit der Tätigkeit, die in der arbeitsfreien Zeit (= Leisure) ausgeübt wird. Casual Leisure ist hierarchisch gesehen dem Oberbegriff der Leisure (oder der Unterhaltung) untergeordnet, wird allerdings häufig synonym verwendet (ohne Zusatz oder Erklärung). In der Freizeit können sich Menschen bekanntlich mit vielen Dingen beschäftigen und nicht nur mit Medien. Grundsätzlich zählt Stebbins folgende Typen zu Casual Leisure: Spiel, Entspannung (z.B. sitzen, schlafen, bummeln), Passives Entertainment (z.B. Fernsehen, Bücher lesen, Musik hören), Aktives Entertainment (z.B. Glücksspiele, Partyspiele), Geselligkeit und sensorische Stimulation (z.B. essen, trinken, Sex oder auch Sehenswürdigkeiten ansehen), In einem Ehrenamt tätig sein Alle Tätigkeiten verbindet, dass sie mit Lust aufgesucht werden und nicht aus Zwang zusätzlich produzieren sie ein signifikantes Level an Vergnügen und Spaß. Ruhe und Schlaf wird hier – als bewusstes Aufsuchen des Nichtstuns oder der Entspannung – zu Casual Leisure dazu gezählt und von ungewollter Langeweile somit abgegrenzt. Auch wenn Stebbins sensorische Stimulation als Leisure-Aktivität sieht, wird hier eher im Sinne der Triebtheorie in diesen Fällen von Bedürfnisbefriedigung ausgegangen. Das Gegensatzpaar aktiv vs. passiv bei der Nennung von Entertainment in der Liste der Leisure-Aktivitäten bezieht sich bei Stebbins auf körperliche Bewegung während des Lesens bewegt man sich üblicherweise kaum, so dass das Lesen eines Buches als passive Unterhaltung angesehen wird. Einige Studien zum Thema Casual Leisure beziehen sich trotz dessen weitgefasstem Bedeutungsrahmen dennoch ausschließlich auf die Nutzung von Medien, wobei Casual Leisure in diesen Zusammenhängen immer als Synonym für Unterhaltung verwendet wird. Stebbins hat in seinen Studien Casual Leisure mit Serious Leisure kontrastiert. Serious Leisure entsteht, sobald eine Person ihr Hobby zum Beruf macht oder bereits gemacht hat. Da Stebbins die Ausübung eines Ehrenamtes bereits zu Casual Leisure gezählt hat, gehört dieses hier nach seinen Annahmen nicht (mehr) dazu. Allerdings wären Beispiele durchaus denkbar, die dann erst in ihrer Folge zu Serious Leisure zählen würden: Beispiel 1: eine Person arbeitet ehrenamtlich (= und unbezahlt) in der Altenpflege (dies ist Casual Leisure) und macht Altenpflege später zu ihrem Beruf, mit dem sie sich ihren Lebensunterhalt finanziert (damit wird dies zu Serious Leisure). Beispiel 2: eine Person beteiligt sich aus reinster Freude an der Lehre für (Buchwissenschaft-) Studierende oder im Kindergarten (als Casual Leisure-Aktivität), bevor sie tatsächlich eines Tages zum Professor berufen wird oder im Kindergarten (bezahlt) arbeitet – das wäre dann Serious Leisure. Beispiel 3: ein Sportler übt zunächst auf (unbezahlter) Freizeitbasis und im wissenschaftlichen Verständnis der Casual Leisure eine Sportart aus, trainiert diese Sportart öfter und regelmäßiger, bis sie eine (bezahlte) Profi-Tätigkeit geworden ist (und gleichzeitig zu Serious Leisure geworden ist). Somit ist die Abgrenzung von Casual Leisure zu Serious Leisure nicht so einfach darzustellen, wie es zunächst aussehen mag. Dennoch spielt Serious Leisure – trotz der Problematik zur Abgrenzbarkeit – hier nur eine geringe Rolle. Das Lesen in fiktionalen Texten wird vermutlich eher eine Freizeitbeschäftigung bleiben, nur wenige Menschen werden später als Lektor in einem Verlag mit fiktionaler Literatur arbeiten, die von der Mehrheit der Menschen in ihrer Freizeit gelesen wird. Stebbins hat im Laufe der Jahre eine dritte Gruppe an Aktivitäten herausgefiltert, die in der Mitte zwischen Casual und Serious Leisure angesiedelt sind, die Project-based Leisure. Sie stellt auf der einen Seite eine Art von Freizeitbeschäftigung dar, allerdings werden diese Freizeit-Aktivitäten nicht regelmäßig ausgeführt und dienen oft nur einem bestimmten Zweck. Als Beispiel nennt Stebbins die einmalige und aufwändige Vorbereitung einer Überraschungsgeburtstagsfeier in der arbeitsfreien Zeit. Allerdings könnte es auch der Freizeitsportler sein, der einen Marathon läuft und für einen guten Zweck dafür Geld erhält ( der Lauf für den guten Zweck würde hier das Projekt darstellen). Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass diese Art der Freizeit-Klassifizierung aufgrund der in der heutigen Gesellschaft verbreiteten Übergänge zwischen Arbeit und Freizeit problematisch für die theoretische Betrachtung erscheint. Zusammengefasst wird der Begriff Leisure hier als Synonym zu Unterhaltung gelesen. 5.7. Pleasure: Gerade in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Lesen wird das Wort Pleasure (neben Unterhaltung und Leisure) häufig verwendet, möglicherweise, u.a. deshalb, da jeglichen Formen der Unterhaltung (sliteratur) ein negativer und abwertender Unterton anhaftet (vgl. Abschnitt zu Schemata). Es ist gesellschaftlich in Ordnung aus reinem Vergnügen zu lesen (und sich damit evtl. fortzubilden), aber einen Groschenroman resp. Trivialliteratur zu konsumieren kann auf potentiell mangelnde Intelligenz des Lesers hinweisen (und dieses Image gilt es zu vermeiden). Der Begriff Pleasure eignet sich besser zur Beschreibung des Konsums von einfacher Literatur , weil eine verallgemeinerte Bewertung des Inhaltes, der Pleasure verursacht, nicht vorgenommen wird – so wie es bei Trivialliteratur der Fall ist. McQuillan und Conde bezeichnen ihre Probanden als pleasure readers , also Leser, die aus reiner Freude (oder zum Vergnügen und freiwillig) lesen. Csikszentmihalyi verweist auf die Gleichsetzung von pleasure mit enjoyment in der Literatur, welche hier unterstützt wird. 5.8 Enjoyment Nach Sherry, der sich insbesondere mit dem Unterhaltungsbegriff im Kontext von Flow auseinandergesetzt hat, ist das, was Menschen als Unterhaltung oder Entertainment bezeichnen, eigentlich Vergnügen (Enjoyment). [...] Csikszentmihalyi [...] lists eight properties of enjoyment, two of which I interpret as features of virtuosity, and two of which I consider to be features of all pleasures of the mind. [...]” Enjoyment entsteht durch eine gewisse körperliche Wachheit bzw. Erregung, die durch das Medium ausgelöst wird. Dies führt zum Wohlgefühl einer Person diese Form der Unterhaltung ist eine positive Erfahrung. Vorderer nennt Enjoyment das Zentrum oder das Herz der Unterhaltung durch Medien. Beide Bezeichnungen (Pleasure und Enjoyment) haben keine wertende Eigenschaft. Ganz im Gegenteil verweisen sie darauf, dass sie nur bei Tätigkeiten passieren, die Menschen aufsuchen, um Spaß zu haben oder um etwas zu genießen (die Mediennutzung selbst und/oder den Inhalt). Die Begriffe können hier gut als Zielzustand beschrieben werden, der bei jeder Mediennutzung idealerweise erreicht werden sollte.
Alexandra Bohle wurde 1979 in Geldern geboren. Da sie als Kind schon gerne gelesen hatte, entschied sich die Autorin nach dem Abitur für eine Ausbildung zur Buchhändlerin. Während der anschließenden Verlagstätigkeit entstanden bei ihr Fragen rund um die neuen Medien und die Erstellung von Internetportalen, sodass sie ein Bachelor-Studium der Angewandten Kommunikations- und Medienwissenschaft anschloss. In dieser Zeit sammelte sie weitere Erfahrungen in der IT-Branche, die noch heute ihre fachliche Heimat darstellt. Nach einem erfolgreich abgeschlossenen Master-Studium im Ausland entwickelten sich die Forschungsfragen für das vorliegende Buch, welches den Kreis zu den Ausgangsfragen der Autorin schließt: Schreibt ein Leser seine vollständige Versunkenheit während des Lesens dem Inhalt des Buches zu? Oder ist es doch die Tätigkeit selbst, die ihn in den Bann zieht?
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