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- Drogenabhängigkeit und Soziale Arbeit: Nutzen und Nutzungsprozesse niedrigschwelliger, akzeptanzorientierter Drogenhilfeangebote
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 268
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Hat das was gebracht? und Was hab ich denn davon? sind brisante Fragen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer personenbezogenen sozialen Dienstleistung. In den vergangenen Jahren sind im Kontext ökonomischen Wachstums- und politisch induzierter, sozialstaatlicher Finanzierungsprobleme verstärkt Forderungen nach Effektivitätssteigerung und Effizienzerhöhung öffentlich erbrachter Dienstleistungen unter zunehmenden Wettbewerbsbedingungen zu verzeichnen. Daher benötigt die Soziale Arbeit als Profession für ihr fachliches Handeln die Antworten auf oben gestellten Fragen. Sie ist auf das Wissen über die Selbstsicht der NutzerInnen, über deren Kompetenzen und Ressourcen zur Bewältigung ihrer alltäglichen Lebensaufgaben, über die subjektiven Aneignungsprozesse sozialer Dienstleistungen und der Gebrauchswerthaltigkeit von sozialen Dienstleistungen angewiesen. Darüber hinaus benötigt die Soziale Arbeit dieses Wissen zur Legitimation gegenüber den Geldgebern und der Öffentlichkeit sowie gegenüber den NutzerInnen der Hilfen. Diese empirische Studie geht aus dienstleistungstheoretischer Perspektive der Frage nach dem Nutzen Sozialer Arbeit und der Prozesse der Nutzung personenbezogener sozialer Dienstleistungen nach. Anhand qualitativer Interviews werden niedrigschwellige, akzeptanzorientierte Drogenhilfeangebote durch die in Anspruch nehmenden Personen erforscht und deren Gebrauchswert rekonstruiert.
Textprobe: Kapitel 5.1,Zur Lebenssituation: 5.1.1, ‚Oliver’: Zum Zeitpunkt des Interviews ist Oliver bereits seit über 20 Jahren drogenabhängig. Er kennt noch die Zeiten, als niedrigschwellige Drogenhilfeeinrichtungen rar waren und insbesondere Konsumräume noch nicht legal existierten. Oliver erinnert sich ungern an die damaligen Zustände zurück, als die Nutzung solcher Einrichtungen kaum und eine Konsumraumnutzung noch nicht möglich war. Oliver beschreibt die Verhältnisse des damaligen Szenetreffpunktes als ‘dreckig’ und unzivilisiert. Er veranschaulicht die Gefährlichkeit und die potentielle Ansteckungsgefahr, die für Mensch und Tier von leichtfertig weggeworfenen Fixutensilien ausgehen. O: Oh! (ausatmen)... der Untergang glaub ich, ja... ich habs damals gesehen als es die (Name des Szenetreffpunktes) noch gab, wie wie wie die Spritzen verteilt waren, wie dreckig das Ganze war, ja. I: mhm. O: ...wenn man dann als Junkie äh äh noch ein bisschen Bewusstsein gehabt habt, also ich habs gehabt, ich habs heute noch, und und Kinder durch den Park sind und man sich gedacht hat, ach du scheiße ey, die Nadeln... wenn da Tiere durch gelaufen sind, Hunde und offene Nadeln und.. überhaupt das war... da da hab ich mich schon ein Stück weit, auch selbst, über mich selbst geärgert. Obwohl ich war immer darauf bedacht, mein mein Besteck immer sorgfältig wegzuräumen ja oder halt mit mir rumzutragen und dann da zu tauschen wo´s zu tauschen geht, ja (Interview Oliver, Zeile154-165). Oliver führt aus, dass er stets darauf bedacht war und ‘auch heute noch’ ist, sich verantwortungsvoll und ‚zivilisiert’ bezüglich seines benutzten Spritzbestecks zu verhalten. Für ihn haben die Einrichtung von Konsumräumen und die Etablierung von Spritzentauschprogrammen einen Nutzen, da er dadurch seinem erwünschten Handeln und Verhalten entsprechend agieren kann. Oliver appelliert an die Vernunft der anderen KonsumentInnen, ihre benutzen Fixutensilien nicht fahrlässig an nicht dafür vorgesehenen Orten zu entsorgen. Olivers Meinung nach wäre dadurch auch das Stadtbild ‘sauberer’ und die Polizei würde obendrein nicht repressive Maßnahmen, wie ‘Aufräumaktionen’ gegen ‘Junkies’, ergreifen. Oliver grenzt sich in seinen Ausführungen bewusst von jenen KonsumentInnen, die für ihn untragbare Verhaltensweisen an den Tag legen, ab. O: Aber wenn ich´s sonst so gesehen hab, auch heute noch, wenn ich irgendwo ne Pumpe auf der Strasse sehe oder so, ich nehm ein Tempo, ich heb sie auf, schmeiß sie entweder in nen Mülleimer oder dass ich sie am nächstliegenden Druckraum abgebe, ja. I: Mhm… O: und wenn halt keiner da ist, also zu ist, dann schmeiß ich sie meistens in ne Mülltonne rein, ja. Besser als dass sie auf der Strasse rumliegt, ja. I: Mhm. O:Weil die Bullen fahrn da grad auch nicht schön darauf ab. Das isses ja. Wenn jeder darauf ein bisschen achten würde, dann würds auch viel sauberer sein, dann würden die Bullen auch net solche Aktionen starten, ja, so Aufräumaktionen... mit uns, Junkies. Wir sind aber nicht alle so, also ich nicht (Interview Oliver, Zeile 167-79). Im Laufe seiner ‚Drogenkarriere’ hat Oliver geringstenfalls, da nicht näher expliziert, eine Entgiftung gemacht. Die Entgiftung hat er erfolgreich abgeschlossen, wohnte danach in einer Betreuten Wohngemeinschaft (BWG) und war fast ein Jahr, bis zu seinem Rückfall, clean. Danach verschlechterten sich seine Lebensverhältnisse wieder. Oliver räumt ein, ‘selbst schuld’ an seinem Rückfall mit den entsprechend negativen Folgen zu sein. J: Das hat geklappt. Ich war dann auch fast 1 Jahr clean und hab dann auch in der BWG (Betreuten Wohngemeinschaft) in der (Name der Strasse) gewohnt, da gings mit mir echt bergauf, ja, bis eben der Rückfall kam und die ganze Scheiße wieder von vorn los ging, ich aus der BWG raus musste und na ja... selbst schuld (Interview Oliver, Zeile 93-98). In die Einrichtung kommt Oliver seit ca. neun Jahren und sucht diese seitdem regelmäßig auf. Da er obdachlos ist, hat er seine Postadresse in die Einrichtung verlegt. Im Laufe des Interviews zeigt sich, dass Oliver keine privaten Netzwerke erwähnt, die er als Ressourcen zur Bearbeitung seiner desolaten Lebenssituation nutzen könnte. Oliver erzählt, dass er in der Einrichtung ‘Leute’ trifft, und dort gelegentlich ‘ganz normale Gespräche’ mit anderen NutzerInnen führen kann. Der Besuch der Institution bedeutet für Oliver zugleich die Knüpfung bzw. Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten, auf einer einfachen, minimalen Ebene. I: Ähm gut, bist bist du eigentlich regelmäßig dann hier? O: Ja, schon. Allein nur schon wegen meiner Post komm ich regelmäßig hier her, ja. Treff Leute da und... ja, red halt auch mal, ganz normale Gespräche kann man ja auch mit manchen noch führen... des sind zwar wenige, aber es geht auch noch, mal nicht über Drogen zu reden. I: mhm. O: allgemeine Dinge einfach (Interview Oliver, Zeile 57-64). Das Hilfesystem nimmt in Olivers Leben einen zentralen Stellenwert ein. Die Hilfen sind ein fest integrierter Bestandteil seines Lebens. Er ist dankbar darüber, dass er die Einrichtung nutzen und professionelle Hilfe bei Bedarf in Anspruch nehmen kann. Oliver erzählt mit dem Angebot ‘rund um zufrieden’ zu sein. Er weist darauf hin, dass er ohne dieses Hilfeangebot rat- bzw. hilflos wäre. Die Nutzung der Institution gibt Oliver eine ‘Tagesstruktur’. Die räumliche Infrastruktur ermöglicht ihm zudem die Herstellung eines einigermaßen ‚normalisierten’ Alltages. Oliver bekräftigt gerne in der Einrichtung zu sein. Es scheint, als sei die Einrichtung für ihn nahezu wie ein ‚Zuhause’ geworden. O: (...) ich bin rund um zufrieden, ganz ehrlich. Also ich bin froh, dass es das hier gibt, weil was sollt ich sonst machen? Das ist für mich hier, ja... so ein Stück, was zu meinem Leben gehört und, hört sich jetzt vielleicht komisch an, ne Struktur auch gibt, ne Tagesstruktur I: mhm. O: weil ich hier auch meine festen Termine hab. Ich komm zum essen, geh in den Druckraum, halt mich hier nur einfach auf, unterhalt mich mit den anderen Junkies, ja, oder... also ich bin echt gern hier (Interview Oliver, Zeile 224-231). Dessen ungeachtet wünscht sich Oliver für seine zukünftige Lebenssituation eine Veränderung. Das Hilfeangebot ermöglicht ihm zwar ‘über die Runden zu kommen’, gleichwohl führt Oliver an, nicht ‘ewig so weitermachen’ zu wollen. Dies impliziert, dass er in ‚qualitativer’ Hinsicht eine andere, ‚bessere’ Perspektive von seiner künftigen Lebenssituation besitzt. O: Letzten Endes hilft es mir über die Runden zu kommen....auch nach vorn zu blicken, ja, ...will ja nicht ewig so weitermachen... echt nicht... (Interview Oliver, Zeile 236-237).
Dipl. Päd. Jessica Müller studierte Erziehungswissenschaften an der J. W. Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind empirische Sozialforschung, Drogenhilfe/Drogenpolitik und sozialpädagogische Nutzerforschung.
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