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Gesellschaft / Kultur


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Produktart: Buch
Verlag: disserta Verlag
Erscheinungsdatum: 04.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 244
Abb.: 16
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Förderschule als Teil eines direkt und indirekt institutionelle Diskriminierung verübenden Bildungssystems trägt nicht zur Integration der von einer Behinderung betroffenen Subjekte bei. Spätestens seit dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte behinderter Menschen am 26. März 2009 muss es daher für jedes Kind einen Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht geben. Diese Studie möchte erfassen, wie sich der Förderschulalltag unter den Diskriminierungsprozessen tatsächlich darstellt. Ziel ist die Beantwortung der brisanten Frage, ob sich im Rahmen von inklusiver Beschulung Herrschaftsverhältnisse und sich daraus ableitende Diskriminierungsprozesse auflösen würden. Als Analyseperspektive kommt der intersektionale Ansatz zur Anwendung, der komplexe Herrschaftsstrukturen, durch welche Ungleichheitsstrukturen möglicherweise immer wieder generiert und stabilisiert werden, bestmöglich erfassen und analysieren kann.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3.4, Beschulung von von einer Behinderung betroffenen Subjekten im europäischen Raum: Jetzt soll die Frage beantwortet werden, wie im europäischen Raum die Beschulung von von einer Behinderung betroffenen Subjekten verläuft. Im europäischen Vergleich lassen sich drei Möglichkeiten der Art der Förderung von von einer Behinderung betroffenen Subjekten feststellen: Es gibt Länder mit einem Einheitssystem, sprich mit inklusiver Beschulung. Hierunter fallen Griechenland, Island, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien sowie Zypern. Darüber hinaus finden sich Länder, in denen integrative Förderpädagogik stattfindet, das heißt in Abhängigkeit zum Ausmaß des Unterstützungsbedarfes entsprechend voll- oder teilintegrativ. Zu den Ländern zählen: Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Lettland, Liechtenstein, Litauen, Luxemburg, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien und Tschechien. Und zu guter Letzt gibt es Länder, die die Förderung in separaten Institutionen festlegen und wo gesetzlich separiert wird, wie in Deutschland, Belgien, den Niederlanden und auch der Schweiz. Erfreulicherweise scheut man nicht davor zurück, die verschiedenen Arbeitsweisen - auch wenn sie in verschiedenen strukturellen Begebenheiten sich abspielen mögen - füreinander fruchtbar zu machen. So gibt es die ‘european agency’, die genau dies als Vorsatz hat. (http://www.european-agency.org/country-information/germany/general-information) Zu bedenken ist jedoch immer, dass damit nicht geklärt ist, was sich tatsächlich konkret unter diesen Subsumierungen (voll-, teilintegrativ oder im Rahmen einer segregativen Organisationsform) vor Ort abspielt - was letztendlich dann erst über die Qualität entscheidet. Ein Etikettenwechsel, im Sinne eines rhetorischen Fortschritts ohne die Umsetzung des mit diesem Etikett assoziierten Inhalts, ist selbstverständlich kein Fortschritt. (vgl. Boban/Hinz in Opp/Theunissen, 2009, S.56-58) So ist in Deutschland beispielsweise Sonderschulbedürftigkeit durch sonderpädagogischen Förderbedarf (der sich nicht mehr an das medizinische Modell anlehnt) ersetzt worden. Allerdings hat sich auch hier im Alltag etabliert, dass der Förderbedarf mit einer Eigenschaft des Kindes gleichgesetzt wird, wenn zum Beispiel von Lernhilfekindern gesprochen wird. Somit kommt es trotz geänderter Terminologie zu Perspektiven und Praktiken, die sich an das medizinische Modell anlehnen. (vgl. Boban/Hinz in Opp/Theunissen, 2009, S.54f.) Hingegen ist die Veränderung der Terminologie von Lernbehinderung hin zu Beeinträchtigung im (schulischen) Lernen, auf Empfehlung der Kultusministerkonferenz in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland seit 1994 festgeschrieben, positiv zu bewerten. Eine individualisierende Perspektive zu Gunsten einer Perspektive, die kontextuelle Aspekte, die zu einer Lernstörung geführt haben, mitberücksichtigt, verhindert eine Verknüpfung an eine spezifische Förderung auf Förderschulen. (vgl. Werning, Lütje-Klose, 2006, S.20f.) 2.4, Die Empirie von Förderschulen: Leider gibt es explizit zum selben Forschungsdesign wie es meiner Studie zugrunde liegt, welches auf die empirische Datengewinnung an der Förderschule aus intersektionaler Perspektive abzielt, auf Basis meiner Recherche keinerlei Untersuchungen. Dies stellt sich auch unabhängig vom Förderschwerpunkt in dieser Art und Weise dar. Das heißt ich befinde mich auf neuem Terrain. Das wiederum bietet den Vorteil von möglicherweise neuen Erkenntnissen aufgrund des innovativen Vorgehens. Ziel dieses Abschnitts wird es sein, die in diesem Forschungsfeld schon getätigten Anstrengungen und entsprechenden Errungenschaften in Form von empirischen Daten und daraus resultierenden theoretischen Erkenntnissen darzustellen. Diese können dann bei der Datenerhebung von großem Nutzen sein. So schult das theoretische Hintergrundwissen die Wahrnehmung für Phänomene wie Handlungsroutinen, Einstellungen von Lehrern, Schülern und Eltern, in der Schule vorherrschende Normen und Werte, Identitätskonstruktionen, Strukturen und vielem mehr. Mit Hilfe des bereits vorhandenen theoretischen Hintergrundwissens können die eigenen empirischen Daten besser interpretiert werden und in Kontrast zu bereits vorhandenen empirischen Erkenntnissen gesetzt werden. (Kelle/Kluge, 1999, S.108) Die Untersuchungen, die ich ausgewählt habe, setzen sich mit vier verschiedenen Problematiken, die mit der Förderschule einhergehen, auseinander. Es handelt sich erstens um Hans Wockens empirische Rundreise durch Schulen für ‘optimale Förderung’, bei der die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen im Kontext sozialer Ungleichheit untersucht wurde. Zweitens um die Studie der Bertelsmann Stiftung, die die Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen unter Effizienzkriterien beforschte. Drittens um Uwe Bittlingmayers, Jürgen Gerdes und Diana Sahrais empirische Befunde aus der begleitenden Evaluationsforschung des Vorbild-Projekts, als auch aus der ungleichheitsorientierten Bildungsforschung, um aufzuzeigen, dass FörderschülerInnen mit dem Förderschwerpunkt Lernen sehr wohl eine relevante Zielgruppe für politische Bildung darstellen. Viertens um Lisa Pfahls Untersuchung, die der Frage nachging, wie sich die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen auf das berufsbiographisches Handeln ihrer Absolventen auswirkt und ob Job-Coaching die prekäre Situation für die Subjekte und damit verbundene Identitätsbedrohungen beheben oder zumindest mindern kann. Sowie fünftens um die Untersuchung Bettina Bretländers: Sie beforschte die Fragestellungen, wie der Lebensalltag körperbehinderter Mädchen/junger Frauen aussieht und wie ihre Identitätsarbeit dadurch geprägt ist. Alle Untersuchungen stehen in engem Zusammenhang zu meinen Fragestellungen. Das heißt der Fragestellung nach den Diskriminierungsprozessen, der die Förderschule unterlegen ist (besonders Wocken, Bittlingmayer, Sahrai und Gerdes), der Fragestellung, wie der Alltag durch die FörderschülerInnen erlebt wird und sich in ihren Beschreibungen über die Schule zeigt (besonders Bittlingmayer, Sahrai und Gerdes, Pfahl, Bretländer) und der Fragestellung, ob integrative/inklusive Beschulungförderlicher wäre (besonders Bertelsmann Stiftung, Pfahls und Bretländers Untersuchung). Die ausgewählten Untersuchungen, die unter ausführlicher Recherche die wenigen waren, die zu Rate gezogen werden konnten, sind, bis auf die Untersuchung Bretländers, auf die Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen ausgerichtet. Das ist auffällig und wird in Punkt 2.1.6 in den zusammenfassenden Überlegungen Berücksichtigung finden. Dennoch spiegeln die Untersuchungen zusammengenommen eine Breite an Möglichkeiten wider, sich mit dem deutschen Bildungssystem und einhergehenden Problemen, die sich im Förderschulkontext darstellen, auseinanderzusetzen.

Über den Autor

Nadja Tilscher wurde 1983 in Kempen am Niederrhein geboren. Ihr Grundstudium der Diplom-Pädagogik absolvierte sie in Marburg. Im Anschluss erfolgte eine Ausbildung zur staatlich anerkannten Ergotherapeutin, die sie im Sommer 2008 abschloss. Nadja Tilscher vollendete sodann ihr Studium mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik an der PH Freiburg. Während des Hauptstudiums arbeitete sie am Institut für Soziologie als wissenschaftliche Hilfskraft. Des Weiteren leitete sie eine Mädchensportgruppe an einer Förderschule, wobei sie das Ziel verfolgte, den Mädchen durch Sport zu mehr Selbstbewusstsein zu verhelfen. Aus diesen sowohl praktischen als auch theoretischen Erfahrungen erwuchs ihr starker Wunsch, die Förderschule als stigmatisierte Institution auf dem Weg zur Inklusion näher zu erforschen und dabei die Perspektive der Schüler/innen aufzunehmen. Daraus entstand diese Studie. Nadja Tilscher schloss ihr Studium im Winter 2012 sehr erfolgreich ab. Aktuell ist sie bei der Kinder- und Jugendhilfe der Waisenhausstiftung als Sozialpädagogin an einer Schule für Erziehungshilfe tätig.

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ISBN: 978-3-95935-596-4
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