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- Die ethnische Struktur in den baltischen Staaten im Spiegel der Volkszählungsergebnisse 2011
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die baltischen Staaten haben eine teils gemeinsame Historie und eine teils wechselhafte Vergangenheit mit Russland als Sowjetrepubliken, welche die heutige ethnische Struktur massiv beeinflusst haben. Dabei ist der Umgang mit den ethnischen Minderheiten unterschiedlich: Funktioniert das Zusammenleben in Litauen zum überwiegenden Teil spannungsfrei, kommt es in Estland und Lettland immer wieder zu Interessenskonflikten. Die vorliegende Untersuchung beschäftigt sich mit den ethnischen Minderheiten in den baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen im Spiegel der Volkszählungen des Jahres 2011. In den Blick genommen werden aber auch Hintergründe zu Begriffen, historischen Entwicklungen und rechtlichen Regelungen, hier vor allem Fragen nach den Regelungen der Staatsbürgerschaft und der Minderheitsgesetzgebungen. Außerdem wird die Minderheitenpolitik in den baltischen Staaten untersucht.
Textprobe: Kapitel 2.6 Historische Grundlagen des Baltikums: Die heutigen baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen blicken auf eine lange, bewegte und teilweise gemeinsame Historie zurück. Die Darstellung eines umfangreichen historischen Ablaufes des Baltikum ist in dieser Arbeit nicht vorgesehen und würde wohl den Rahmen sprengen. Deshalb wird an dieser Stelle auf Übersichtsdarstellungen der Geschichte der heutigen baltischen Staaten verwiesen. Mit der allgemeinen Historie des Baltikums beschäftigt sich zum Beispiel TUCHTENHAGEN 2005 in seinem kompakten Werk Geschichte der Baltischen Länder . Des Weiteren bietet GARLEFF 2001 unter dem Title Die baltischen Länder einen umfangreichen Überblick über die Historie des Baltikums an, wobei hier auf die spezielle Situation der Minderheiten in den einzelnen Staaten eingegangen wird. Die für die heutige ethnische Struktur in den baltischen Staaten historischen Ursachen werden in den jeweiligen Kapiteln zu den einzelnen ethnischen Minderheiten extra behandelt. Prägend für die aktuelle ethnische Struktur der baltischen Staaten ist sicherlich auf der einen Seite der Zweite Weltkrieg, in welchem die baltischen Staaten zwischen Hitler und Stalin zerrieben worden sind. Auf der anderen Seite prägend war sicherlich die so genannte Russifizierung in den neu geschaffenen Sowjetrepubliken. Einhergehend mit der Industrialisierung der Sowjetrepubliken kamen viele Arbeiter und Techniker aus der Sowjetunion bzw. aus Nachbar-Republiken ins Baltikum. (GARLEFF 2001, S.172-177) Die Abbildungen 4, 8 und 11 zeigen deutlich, dass diese Russifizierung bis Ende der 1980er-Jahre andauerte […]. Kapitel 5 Räumliche Verteilung der Minderheiten in Litauen: Kapitel 5.1 Ethnische Minderheiten in Litauen: In ihrem regelmäßigen Bericht über Litauen hat die Kommission bestätigt, daß Litauen die [...] Merkmale einer Demokratie mit institutioneller Stabilität aufweist, welche die rechtsstaatliche Ordnung, die Menschenrechte und den Schutz der Minderheiten garantieren. Die Behandlung der Minderheiten ist insgesamt zufriedenstellend, es wird lediglich darauf hingewiesen, daß das Rahmenübereinkommen über den Schutz nationaler Minderheiten noch nicht ratifiziert ist (EUROPÄISCHES PARLAMENT 1999, S.16). Das Themenpapier des Europäischen Parlaments aus dem Jahr 1999 beschäftigt sich mit der Lage der Minderheiten in den baltischen Staaten, und hier speziell mit jener der russischen Minderheit. Während für Estland und Lettland im Themenpapier jeweils mehrere Seiten umfassende Kapitel, in welchem der Ist-Zustand, sowie die Vielzahl an sozialen Problemen mit den jeweiligen ethnischen Minderheiten aufgelistet werden, erstellt wurden, ist das Kapitel über Litauen gerade einmal drei kurze Absätze lang (TRUMMER 2012, S.50). In Litauen ist dennoch nicht alles eitel Wonne, so gibt es auch hier immer wieder Stereotype und Vorbehalte gegenüber Angehörigen ethnischer Minderheiten: Je kleiner und virtueller der Gegner ist, desto besser, und Hauptsache, man erweist sich als echter Litauer. Juden gibt es in Litauen schon lange keine mehr, und trotzdem werden sie bekämpft. [...] Weitere Feindbilder sind polnische Nachnamen mit 'w' und Schwule. Damit wächst von Tag zu Tag die Überzeugung, dass ein echter Litauer nur derjenige ist, der mit den Fäusten auf andere losgeht und unter Missachtung jeder Etikette möglichst laut brüllt (EURO TOPICS 2010). Den überwiegenden Teil der heute in Litauen siedelnden ethnischen Russen machen jene nach 1944 als sowjetische Arbeitsmigranten nach Litauen gekommene und vorwiegend an Industriestandorten siedelnde Gruppe aus. Als Extrembeispiel hierfür ist die im Osten Litauens gelegene Planstadt Visaginas zu nennen, die 1975 als Wohnstätte für das nahe gelegene Kernkraftwerk Ignalina errichtet wurde (BENTIN 2008, S.57-58). Die russische Minderheit in Litauen verteilt sich über das gesamte Land. Dennoch ist ein starkes Gefälle zwischen Stadt und Land festzustellen, so siedeln 90 % der Russen in den Städten, was wohl aus dem Arbeitskräftezuzug der Sowjetära resultiert. (KALLONEN 2004, S.2) Der Anteil jener Russen, die nach der Unabhängigkeit Litauens nach Russland zurückgekehrt sind, ist relativ hoch. Siedelten im Jahr 1989 noch 344.500 Personen der russischen Ethnie zugehörigen Personen in Litauen, waren es nach den Daten des Census 2011 nur mehr 177.000 Personen (STATISTICS LITHUANIA 2013). Profitiert vom Systemwechsel in Litauen Anfang der 1990er-Jahre haben vor allem Personen mit einem hohen Bildungsgrad. Viele Mitglieder der russischen Gemeinde blicken positiv in die Zukunft, haben sie doch größere Chancen zum gesellschaftspolitischen Aufstieg und einen höheren Lebensstandard als in Russland (ROSE 2005). Die russischsprachige Minderheit bildet eine heterogene Gruppe, die es aufgrund der ständigen Assimilierung der jüngeren Generation schwer hat gemeinsame Identität aufzubauen (KRAUSE 2006, S.82). Die russische Minderheit ist in Litauen, im Gegensatz zu Lettland und Estland, relativ gut integriert und wird dadurch vom Großteil der Bevölkerung nicht als Bedrohung betrachtet. Das hat im Wesentlichen zwei Gründe: Der Anteil der ethnischen Russen war im Jahr 1989 mit 12,3 % relativ gering, dieser Anteil war in Lettland (42,3 %) und Estland (35,2 %) signifikant höher. Der Anteil jener ethnischen Russen, welche die Landessprache beherrscht, lag im Jahr 1989 in Litauen bei 37,8 %. In Lettland (22,4 %) und Estland (15,2 %) war der Anteil deutlich geringer (BRAKE 2007, S.5). Der überwiegende Teil der russischen Kulturvereine ist auf den Großraum Vilnius konzentriert, wobei das russische Kulturzentrum die wichtigste Anlaufstelle ist (SCHMIDT 2005a, S.27). Des Weiteren gibt es öffentliche Organisationen im Bereich Bildung, Kultur sowie Religion. Diese werden auch von Angehörigen der weißrussischen und ukrainischen Minderheit genützt (BENTIN 2008, S.58). Die polnische Minderheit hat eine starke Identität in Litauen aufgebaut, da sie bereits seit vielen Generationen auf ihrem heutigen Siedlungsgebiet lebt. Die politische Vertretung erfolgt vor allem auf lokaler Ebene aber auch in der litauischen Seimas. Das aktive Vereinsleben hat zur Folge, dass eigene kulturelle Werte und ein ethnisches Bewusstsein erhalten werden konnten. (KRAUSE 2006, S.68-69) Die Kenntnisse der polnischen Sprache werden in der Familie, in Sonntagsschulen, aber auch im Unterricht an öffentlichen Schulen vermittelt. Des Weiteren sprechen viele Angehörige der polnischen Minderheit neben Litauisch auch noch Russisch (FIEDLER 2008, S.58). Die Vertretung der weißrussischen Minderheit übernimmt die Dachorganisation des Verbandes öffentlicher Organisationen litauischer Weißrussen. In Vilnius gibt es eine weißrussische Schule und es wird Sprachunterricht in drei weiteren Sonntagsschulen angeboten. Gottesdienste der weißrussischen Katholiken werden auch in weißrussischer Sprache abgehalten (BENTIN 2008, S.58-59). Die ukrainische Minderheit kam vor allem durch Arbeitsmigration in der Sowjetära nach Litauen. Sie siedelte analog zur russischen Minderheit überwiegend in den größeren Städten. Insgesamt gibt es im Land neunzehn verschiedene ukrainische Organisationen. Zur Spracherhaltung gibt es drei Sonntagsschulen und es gibt auch Ukrainisch-Klassen an einer höheren Schule in Vilnius. Die ukrainische Minderheit ist in zwei ukrainischen Kulturzentren in Vilnius und Visaginas aktiv, von wo aus ein reichhaltiges Kulturprogramm mit Folklore-, Musik- und Tanzveranstaltungen organisiert wird (BENTIN 2008, S.59). Die jüdische Minderheit in Litauen zählt laut dem letzten Census nur mehr 3.050 Personen (STATISTICS LITHUANIA 2013, eine andere Quelle, BAIN et al. 2010, gibt eine Zahl von 5.000 an). Der Großteil der Minderheit siedelt in der Hauptstadt Vilnius. Im letzten Jahrzehnt wurden von der Bundesrepublik Deutschland nach jahrelangem Rechtsstreit Entschädigungszahlungen an die Überlebenden des Holocausts und die Opfer des Nationalsozialismus geleistet. Des Weiteren wurde das Jiddische Institut Vilnius an der Universität Vilnius gegründet und das ehemalige jüdische Ghetto in Vilnius wurde restauriert. Das Zentrum für Toleranz, welches in verschiedenen Ausstellungen das Leben litauischer Juden zeigt, ist zu einer wichtigen Quelle für Informationen jüdischen Lebens in Litauen geworden (BAIN et al. 2010, S.325) […]. Kapitel 6.1 Ethnische Minderheiten in Lettland […]: Die russische Minderheit setzt sich einerseits aus einer kleinen Gruppe von so genannten Altgläubigen und andererseits aus der großen Gruppe der Arbeitsimmigranten zusammen. Durch den starken Zuzug in den 1950er bis 1970er-Jahre nahm die Russifizierung der lettischen Gesellschaft rasch zu. Die Konfession der Russen in Lettland ist zu 80 % die der russisch-orthodoxen Kirche. Rund die Hälfte aller ethnischen Russen siedelt in Großstädten wie Riga, Daugavpils, Rezekne, Jurmala, Liepaja, Jelgava und Ventspils. Kulturell gesehen gibt es verschiedene Vereine, so zum Beispiel die Russische Gemeinde Lettlands (RGL), den lettischen Verband der russischen Gesellschaften, das Zentrum der russischen Kultur und den Verband für die russische kulturelle Autonomie. Durch den hohen Anteil jener die keine lettische Staatsangehörigkeit besitzen, existieren zwei mediale Parallelwelten, nämlich wie kaum in einem anderen osteuropäischen Staat (STORK 2008b, S.81-82). 52:42 – Roman Morosli ist einer von 52. Einer von den 52 Prozent, die in Lettlands Hauptstadt Riga Russisch sprechen. [...] Russisch – eine Sprache, die es offiziell gar nicht gibt. Staatssprache in Lettland ist Lettisch. Auf Schildern und Plakaten, auf Autos und auf Leuchtreklamen: stets Lettisch. [...] Die Minderheit ist in der Mehrheit. Das Staatsvolk dagegen stellt nur 42 Prozent, jedenfalls in Riga (STORK 2008a, S.64). Die zahlenmäßig zweitgrößte ethnische Minderheit in Lettland ist jene der Weißrussen. Sie setzt sich einerseits aus überwiegend römisch-katholischen Einwanderern aus dem Westen Weißrusslands und andererseits aus überwiegend russisch-orthodoxen Einwanderern aus dem Osten Weißrusslands zusammen. Der Großteil der weißrussischen Minderheit spricht Russisch. Den relativ gesehen höchsten Anteil weist die weißrussische Minderheit im Gebiet um Daugavpils im Südosten des Landes auf (STORK 2008b, S.83). Die ukrainische Minderheit kam vor allem im Zuge der Industrialisierung Lettlands durch die Sowjetunion ins Land. Sie siedelt zum überwiegenden Teil in den Städten und hier vor allem in Riga und Liepaja. Der Großteil der ukrainischen Minderheit hat nur eine schwach ausgeprägte nationale Identität und spricht analog zur weißrussischen Minderheit Russisch. (STORK 2008b, S.83) Um die Verbreitung der traditionellen ukrainischen Kultur bemühen sich die Gesellschaft für ukrainische Volkskultur Dnipro, die verschiedene Musikkonzerte und Feste organisiert, die ukrainischen [sic!] Gesellschaft Ukraine – Lettland, die Konferenzen veranstaltet sowie ukrainische Chöre (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2013b). Die polnische Minderheit in Lettland erfuhr nach dem Zweiten Weltkrieg eine lange Phase der Russifizierung . Erst seit den 1980er-Jahren konnten wieder eigenständige kulturelle und politische Aktivitäten ausgeübt werden. Heute unterhält die Lettisch-polnische Gesellschaft Gruppen in insgesamt dreizehn Orten. Diese organisieren alljährlich polnische Kultur- und Folklorefestivals. Eine unmittelbare Folge der Russifizierung ist, dass rund die Hälfte aller ethnischen Polen Russisch als Erstsprache spricht. (STORK 2008b, S.83-84) An der Erhaltung, Vitalität und Zukunft der polnischen Sprache ist vor allem eine enthusiastische Minderheit der Polen interessiert, welche die Bedeutung des Polnischen in der Bildung hervorhebt (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2013a) […].
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