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- Die Bedeutung von Ritualen in der Krisenintervention: Eine qualitativ-empirische Untersuchung
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 144
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Rituale waren lange Zeit selbstverständlicher Bestandteil des Lebens, vor allem in Übergangsphasen und krisenhaften Situationen. Gesellschaftliche Veränderungen, wie zunehmende Individualisierung, die Abnahme tragfähiger sozialer Netze, eine deutliche Veränderung im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer bedingen eine teilweise Abkehr von traditionellen Vorgaben. Neue Ritualformen stehen nicht zur Verfügung oder sind noch wenig erprobt. In Akutsituationen fehlt somit immer häufiger das Wissen für das, was hilfreich wäre. Spürbar wird das gerade in der Krisenintervention und Akutbetreuung, wo es sehr oft mehr als Worte braucht, um betroffenen Personen ein erstes minimales Wiederfestmachen im Hier und Jetzt möglich zu machen. Dieses Mehr ist zumeist ein individuelles, den gegebenen Umständen und Personen, angepasstes Ritual. Aufbauend auf der theoretischen Behandlung der Themen Krisenintervention/Akutbetreuung, Rituale, Umgang mit Sterben, Tod und Trauer sowie der gesellschaftlichen Veränderungen stellt die Autorin in dieser Untersuchung, anhand von Expert/inneninterviews die Frage nach der Bedeutung von Ritualen in der Krisenintervention.
Kapitel 2 , RITUALE: Bei einer oberflächlichen Beschäftigung mit dem Ritualbegriff ergibt sich weder Erklärungsbedarf über Sinn und Zweck, noch werden Gedanken laut, in welchen Zusammenhängen des täglichen Lebens dieser Begriff verwendet wird. Je intensiver die Auseinandersetzung mit der Thematik erfolgt, desto mehr Verwirrung entsteht. Einerseits durch einander widersprechende Aussagen, was denn nun als Ritual gelten ‚darf‘, andererseits durch eine Fülle an klassischen und neuen Ritualtheorien. Hinzu kommt die von einigen Autor/innen (Mary Douglas, 2004 Florian Uhl 2010 Malidoma Somé, 2000) postulierte Entritualisierung der Gesellschaft, wahrnehmbar u.a. am Bedeutungsverlust kirchlicher Riten, wie etwa der Konfirmation. Aber auch Thesen, dass Rituale bzw. rituelle Handlungen völlig ohne Bedeutung und somit ohne Zweck sind. Diese Ansicht wurde von Frits Staal (1979) in ‚The Meaninglessness of Ritual‘ vertreten und von Caroline Humphrey und James Laidlaw (1994) in modifizierter Form weiterverfolgt. In den letzten Jahren, darüber besteht unter den damit befassten Wissenschaftler/innen (Corina Caduff, 1999 Christoph Wulf, 2004 Jörg Zirfas, 2004 Birgit Heller, 2007) Konsens, erlebt das Ritual inklusive der Auseinandersetzung damit, sowohl eine wissenschaftliche als auch eine mediale Renaissance. Sonderforschungsbereiche (SFB), wie z.B. der SFB 619 der Universität Heidelberg wurden eingerichtet, ein großer Buchmarkt bedient unterschiedliche Interessen, sei es mit populären Ratgebern oder mit wissenschaftlichen Herausgeberwerken. Aber auch Tageszeitungen, Radioberichte und Fernsehreportagen nehmen sich der Thematik an. Die Ursache dieser ‚Wiederbelebung‘ sowie die wachsende Bedeutung des Rituals wird u.a. ‚in der gegenwärtigen politischen Situation‘, im ‚Verlust von Werten‘, in der ‚Suche nach kultureller Identität‘ (cit. Wulf, 2008, 181), im Sehnen nach Kraft und Halt, ‚in einem kulturellen Raum, der weder Halt noch Gewissheit zu bieten vermag, sondern nur den Anschein von beidem‘ (cit. Michaels, 2007, 13) oder wie Uhl (cit. 2010, 163) ein Kapitel seines Buches betitelt in ‚(K)ein Bewusstsein von dem was fehlt‘, angenommen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es nicht möglich, alle Aspekte einzubringen oder zu berücksichtigen, da aus der Fülle der wissenschaftlichen Literatur für diese Arbeit nur ein kleiner Teil ausgewählt werden kann. So weit es möglich ist, versuche ich einen Überblick über grundlegende Ansätze zum Thema Ritual und Ritualtheorien zu vermitteln. In den Anfängen der Ritualforschung, vor etwas mehr als hundert Jahren, wurden Rituale hauptsächlich mit Religion in Verbindung gebracht. Heutige Ritualtheorien betrachten Rituale kaum mehr als ausschließlich religiöse Phänomene, sondern beschreiben damit symbolische Handlungen ganz allgemein. Dies beruht vor allem darauf, dass ethnologische und anthropologische Forschungen zur Erkenntnis beitrugen, dass Rituale in fast allen Bereichen des Lebens zu finden sind. Bis ca. 1960 vertraten Wissenschaftler wie Émile Durkheim (1912), Mircea Eliade (1954), James G. Frazer (1955) oder Siegmund Freud (1912) die sich mit der Ritualthematik auseinandersetzten die Ansicht, dass Rituale sekundäre Phänomene sind und die tatsächliche Bedeutung außerhalb der rituellen Handlung zu finden sei. So war z. B. Durkheim der Meinung, dass die Bedeutung dahinter das Bedürfnis nach sozialer Solidarität ist (vgl. Wulf/ Zirfas, 2004, 12). Für Freud war das Bedürfnis hinter dem Ritual die Verdrängung traumatischer Ereignisse (vgl. Michaels, 1999, 25). Gegenwärtige Ritualwissenschaftler/innen (Andrea Belliger, 2008 Axel Michaels, 2002 Dietrich Harth/ Axel Michaels, 2003) hingegen betrachten Rituale als besondere Phänomene, deren Erforschung nur interdisziplinär betrieben werden kann. Somit ist die Ritualforschung heute ein Bereich, mit dem sich fast alle soziologischen Wissenschaften, die Rechtswissenschaft, die Theologie, die Medien- und Kommunikationswissenschaft, die Literatur- und Kulturwissenschaft, aber auch Kunsttheoretiker und Dramaturgen befassen. Aus dieser interdisziplinären Zusammenarbeit entstand in den letzten Jahren der Forschungszweig der ‚ritual studies‘ (vgl. Belliger, Krieger 2008, 7ff).
Petra Christine Türl, geb.1962 in Teheran, mehrere Jahre Tätigkeit als Klinikhebamme und in der freien Praxis, seit 2010 Wohnbetreuerin in einer WG für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Studium ‚Gesundheits- und Pflegemanagement‘ und ‚Psychosoziale Beratung‘, ausgebildete Mediatorin sowie Lebens- und Sozialberaterin. In allen diesen Tätigkeitsfeldern waren und sind Rituale ein fester Bestandteil. Die Ausbildung für die ehrenamtliche Tätigkeit in der Krisenintervention/Akutbetreuung führte zu einer intensiven Beschäftigung mit der Thematik und in weiterer Folge zur vorliegenden Untersuchung.
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