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- Der schulische und berufliche Werdegang von psychisch kranken Straftätern in Sachsen: Eine Studie zur pädagogischen Betreuung von Patienten des Maßregelvollzugs
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 164
Abb.: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
PatientInnen des Maßregelvollzugs sind meist nicht nur psychiatrisch erkrankt. Ein Großteil kann aufgrund von Sozialisationsdefiziten keine Schul- oder Berufsausbildung vorweisen. Leygraf (1988) erhebt unter den PatientInnen 13,6 % Analphabeten, fast 60 %, die über ein Bildungsniveau unterhalb des Hauptschulabschlusses verfügen, und nur 24,4 %, die eine Berufsausbildung vorweisen können. Aufgrund des Alters dieser Daten, überprüft die vorliegende Studie diese Statistik auf Aktualität. Dabei wird der schulische und berufliche Werdegang von MaßregelvollzugspatientInnen in Sachsen vorrangig deskriptiv untersucht. Weiterhin beschäftigt sich die Arbeit mit dem Zusammenhang von abweichendem Verhalten und Bildungsmangel. Diese theoretischen Ausführungen sowie die Ergebnisse der Forschungsarbeit werden durch konzeptionelle Überlegungen, wie eine pädagogische Betreuung von MaßregelvollzugspatientInnen in Sachsen implementiert werden könnte, abgerundet.
Textprobe: Kapitel 2.3.5.3, Die drei grundsätzlichen Behandlungsmöglichkeiten: Pharmako-, Psycho- und Soziotherapie: Die Therapie der Delinquenz wird jedoch in allen Ländern mit Hilfe der allgemein-psychiatrischen Methoden zur Besserung der psychischen Störung erreicht. Diese können in folgende Obergruppen zusammengefasst werden: Pharmakotherapie, Psychotherapie und psychosoziale Therapie. Pharmakotherapie: Die Pharmakotherapie spielt besonders bei Patienten mit psychotischen und affektiven Erkrankungen eine große Rolle. Sie wird aber auch bei Persönlichkeitsstörungen und der Behandlung von Sexualstraftätern unterstützend eingesetzt. ‘In der Langzeitbehandlung haben die atypischen Neuroleptika mittlerweile ihren festen Platz […]. Aber auch hier sind dem Einsatz der Atypika durch Compliance-Probleme Grenzen gesetzt. […] Ein regelmäßiges, engmaschiges drug-monitoring ist zur Überprüfung der Compliance und zur Optimierung der Einstellung unerlässlich.’ (Müller-Isberner & Eucker, 2009, S. 61) Zur weiteren Beeinflussung der Stimmung des Patienten können neben Tranquillizier und Phasenprophylakitka auch Antidepressiva eingesetzt werden. Nedopil (2009, S. 53 ff.) weist darauf hin, dass eine Psychopharmakotherapie nur stattfinden darf, wenn der Patient über die Behandlung aufgeklärt wurde und er einwilligungsfähig ist. Rabe (2008, S. 145 ff.) erklärt den Zusammenhang von Zwangskontext und Behandlung ähnlich: ‘Obwohl ausdrücklich im § 63 StGB auch die Besserung als Ziel genannt ist, folgt daraus nicht, dass eine für indiziert gehaltene Behandlung auch ohne Einwilligung durchgeführt werden kann, es sei denn, es bestehen noch näher auszuführende Gefährdungsaspekte. […] Jeder ärztliche Eingriff, ob diagnostisch oder therapeutisch, erfüllt den Strafbestand der Körperverletzung, es sei denn, es bestehen Rechtfertigungsgründe in Form einer Einwilligung des Patienten, oder eine mutmaßliche Einwilligung bei Bewusstlosen bzw. ein rechtfertigender Notstand ist gegeben. […] Die einzelnen Ländergesetze räumen den Maßregelvollzugseinrichtungen zwar scheinbar unterschiedliche Spielräume ein, lösen aber nicht die rechtliche Grundfrage, ob ein ungünstiger Krankheitsverlauf auf Grund fehlender bzw. verweigerter medikamentöser Behandlung eine zwangsweise Behandlung legitimiert.’ In jedem Fall ist klar, dass es für Dissozialität oder Kriminalität keine spezifischen Medikamente gibt. Die Psychopharmakotherapie wird in erster Linie aufgrund einer psychiatrischen Diagnose im Hinblick auf eine psychopathologischen Störungsregulation eingesetzt. Diese Therapieform hilft aber auch, gewissen Symptomen - wie bspw. der erhöhten Erregbarkeit, Anspannung, Impulsivität oder Unruhe – entgegenzuwirken. Davon kann dann eine Psychotherapie mit profitieren. Psychotherapie: Die Psychotherapie in Form von Einzel- und Gruppengesprächen spielt im MRV eine sehr wichtige Rolle. ‘Da viele Patienten im Maßregelvollzug von ihrer intelektuellen Begabung her an der unteren Grenze des Normbereichs liegen und über eher wenig Introspektionsfähigkeit und die Fähigkeit, über sich selbst zu sprechen, verfügen, müssen die psychotherapeutischen Maßnahmen diesen Voraussetzungen angepasst werden.’ (Schaumburg, 2010, S. 83) Zwar wird die störungsspezifische psychotherapeutische Behandlung nur von ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt, da jedoch die therapeutische Arbeit des Maßregelvollzugs in einem multiprofessionellen Team meist nahtlos ineinander übergeht, ist es nicht leicht, rein psychotherapeutische Behandlungsmethoden von den anderen zu trennen. Als Zentrum der psychotherapeutischen Behandlung kann die Analyse des bisherigen rechtswidrigen Verhaltens, dessen Gründe und Entwicklung sowie die Erarbeitung von Copingstrategien im Rahmen des Rückfallvermeidungsansatzes für ein straffreies Leben außerhalb der Klinik gesehen werden. Müller-Isberner & Eucker (2009, S. 70 f.) unterscheiden dabei bspw. zwischen der traditionellen verhaltenstherapeutischen Methode, die den Prinzipien des operanten und klassischen Konditionierens folgt, und der kognitiv-behavioralen Methode, die in Verbindung mit gezielten kognitiven Prozessen auf den Aufbau von Verhaltensfertigkeiten abzielt. Bei letzterem werden noch genannt: das Training sozialer Fertigkeiten, die Beleuchtung der Entscheidungsmatrix im Sinne des Abwägens und Folgens von straffälligen Verhalten, Erstellung von Problemlösungsansätzen, Deliktbearbeitung und –analyse, Identifikation und Modifikation eines risikoreichen Lebensstils, Reflexion von Einstellungen und Haltungen, Information und Auseinandersetzung mit Opferfolgen, Dilemmadiskussionen zur Förderung der Werteentwicklung, das Training lebenspraktischer Fertigkeiten und Verfahren zur Ärger- und Aggressionregulation. ‘In Gruppen nach einem festen Programm durchgeführte Therapiemaßnahmen wie Anti-Aggressions-Training, Selbstbehauptungstraining oder Training sozialer Kompetenzen markieren den Übergang von der Psycho- zur Soziotherapie. Dasselbe gilt für kunst-, musik-, bewegungs- und sporttherapeutische Maßnahmen.’ (Schaumburg, 2010, S. 83 f.) Soziotherapie: Als elementare Säule des therapeutischen Maßregelns wird die Soziotherapie verstanden. Sie setzt sich aus diversen direkten und indirekten therapeutischen Angeboten zusammen. Von großer Bedeutung ist das allgemeine Grundgerüst der Unterbringung bzw. der Behandlung: die Tagesstrukturierung. Ein verlässlicher Tages- und Wochenplan mit geregelten Weck-, Therapie-, Mahl- und Ruhezeiten sollen eine gewisse Normalität in den Alltag der Patienten bringen. Müller-Isberner & Eucker (2009, S. 63) empfehlen aber auch ‘Therapieferien’, in denen das therapeutische Angebot minimiert wird, und verbinden solche Routinen auch mit einer Erhöhung der Handlungssicherheit der Mitarbeiter. Im Bereich der soziotherapeutischen Verfahren dürfen aber die sozialadministrativen Aufgaben der Sozialarbeit, die Sport- und Bewegungstherapie, Maßnahmen zur Freizeitgestaltung und Arbeits- und Bildungsmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden. Auch im MRV greift die klassische Sozialarbeit.. Hilfe wird in Form von psychosozialer Diagnostik und Therapieplanung, psychosozialer Beratung und Einzelfallhilfe, den sozialadministrativen Aufgaben – wie bspw. die Sicherung und Verwaltung der sozioökonomischen Sitation des Patienten - , der sozialpädagogischen Gruppenarbeit und der Kooperation und Koordination im Rahmen der Rehabilitation geleistet. Die Sport- und Bewegungstherapie dient nicht nur der allgemeinen Aktivierung, der Gesundheitsförderung, Förderung sozialer Kompetenzen und Selbstwahrnehmung sowie Affektstabiliserung. (Müller-Isberner & Eucker, 2009, S. 69) Auch den negativen Wirkungen des Freiheitsentzuges werden damit Abhilfe geleistet. Im Rahmen der Förderung sinnvoller Freizeitgestaltung sollen die Patienten lernen, freie Zeit angemessen zu nutzen. Im Fokus dieser Maßnahme – welche bspw. Einkaufsfahrten, Kinobesuche, Besuche von Sportveranstaltungen und kulturellen Einrichtungen sowie Spaziergänge und Treffen von Verwandten organisiert - stehen die Entwicklung und Förderung von Hobbies, persönlichen Interessen, Aufrechterhaltung sozialer Konakte und eine Steigerung der Toleranz gegenüber Langeweile. (ebd. S. 69) Einen ebenfalls hohen Stellenwert in der Maßregelvollzugsbehandlung hat die Ergotherapie. ‘Mit den verschiedenen Formen der Ergotherapie (Beschäftigungstherapie, Arbeitstherapie, Belastungserprobung Sporttherapie, Musiktherapie) können Grundleistungen (Ausdauer, Belastbarkeit, Zeiteinteilung, Konzentrationsfähigkeit etc.), soziale Funktionen (Initiative, Selbstvertrauen, Verantwortung) und geistige Funktionen (Sprachlogik, numerisches Verständnis, Abstraktionsfähigkeit) beeinflusst werden.’ (Kammeier, 2010, S. 119) Eine gewisse Normalität des Alltags soll so verstärkt werden. Je weiter die Therapie fortgeschritten ist, desto mehr nimmt die Arbeitstherapie den Charakter einer Arbeitserprobung ein. (vlg. Schaumburg, 2010, S. 84) ‘Dies beinhaltet die Förderung von planerischen Denken, Ausdauer, Misserfolgstoleranz, Ordnungsbereitschaft, Pünktlichkeit, Sorgfalt, Verantwortung, kritischer Kontrolle, Teamfähigkeit und anderer arbeitstechnisch relevanter Schlüsselqualifikationen. Unübersehbar vermittelt Arbeitstherapie damit Fähigkeiten, deren Mangel als kriminogen identifiziert wurde, wie z. B. Mangel an sozialen und zwischenmenschlichen Fertigkeiten, Unfähigkeit zu planen und konzeptionell zu handeln, Schwierigkeiten vorherzusehen und zu umgehen.’ (Müller-Isberner & Eucker, 2009, S. 66) Diese Defizite finden unter anderem ihren Ursprung in der fehlenden abgeschlossenen Berufsausbildung und der damit einhergehenden prekären allgemeinen Schulbildung. Auf die aktuelle Situation und die Förderung dieses Bereiches soll in den folgenden Kapiteln näher eingegangen werden.
Oliver Tobias Zetsche, Dipl.-Soz.arb./Soz.päd. (FH), wurde 1986 in Darmstadt geboren. Bereits während des Studiums des Sozialwesens sammelte der Autor praktische Erfahrungen im Bereich der forensischen Psychiatrie. Dabei wurde er mit dem Arbeitsgebiet der pädagogischen Betreuung von MaßregelvollzugspatientInnen und dem damit verbunden Handlungsbedarf konfrontiert, welcher ihn motivierte, seit 2012 zu einer affinen Fragestellung an der Universität Leipzig zu promovieren.
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