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Gesellschaft / Kultur

Jenny Kallenborn

Der Kontakt zwischen Englisch und Französisch in Montréal

ISBN: 978-3-95935-080-8

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Abb.: 23
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Québec, die Belle Province, ist die einzige offiziell französischsprachige Provinz Kanadas. Dabei nimmt die Metropole Montréal, in welcher der Großteil der Anglophonen Québecs lebt, eine Sonderstellung ein, da es hier verstärkt zum Aufeinandertreffen frankophoner und anglophoner Sprache und Kultur kommt. Dies stellt ein äußerst interessantes Forschungsgebiet dar, welches unter besonderer Berücksichtigung der gesellschaftlichen Faktoren näher beleuchtet werden soll. Dabei liegt der Schwerpunkt ebenso auf den sich aus der sprachlichen Diversität ergebenden Konsequenzen für die Gesellschaft. Im ersten Teil dieser Studie werden Hypothesen zu den historischen, sozialen und politischen Hintergründen des Zusammentreffens der beiden Sprachgemeinschaften in Québec und speziell in Montréal aufgestellt. Im praktischen Teil werden diese Hypothesen und die gesellschaftlichen Auswirkungen des Sprachkontakts daraufhin mit Hilfe eines standardisierten Fragebogens durchleuchtet, um ein Trendverhalten zur Sprachverwendung der Frankophonen in Montréal aufzuzeigen. Weitere persönliche Beobachtungen im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes dienen dazu, festzustellen, inwiefern das Aufeinandertreffen der verschiedenen Kulturen in Montréal für eine neutrale Person sichtbar ist. Dieser Teil bezieht sich in erster Linie auf frankophone und anglophone Facetten der Stadt im Bereich Beschilderung und Architektur.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.2.4.5, Sprache und Identität: Es ist festzustellen, dass die Reaktionen der Frankophonen auf die mit Loi 101 verbundenen Veränderungen überwiegend positiv sind, da diese ihnen die sprachliche und kulturelle Zukunft in der Provinz Québec sichern. Mehrere Untersuchungen ergeben eine deutliche Steigerung der Verwendung des Französischen auf der Straße, als Sprache des Handels und als Sprache der Arbeit (vgl. Bourhis 2002: 109). Somit würde Montréal ohne die Einführung von Loi 101 heute wohl bedeutend weniger französisch erscheinen. Nach Meinung vieler Frankophoner hat das Gesetz zum Erhalt der französischen Sprache und Kultur beigetragen und wird demnach als sinnvoll angesehen. Hier kann auf die Probleme anderer Provinzen wie z.B. Ontario verwiesen werden, in denen es Frankophone schwerer haben ihre Sprache zu erhalten. Die gesetzlichen Bestimmungen der Sprachpolitik setzen das Englische mit allen weiteren Minderheitensprachen Québecs gleich, die als nichtoffizielle Sprachen im privaten Bereich verwendet werden dürfen (vgl. Razafimandimbimana 2005: 38). Für die Anglophonen bedeutet dies einerseits eine Gefährdung ihrer demographischen und institutionellen Zukunft in der Provinz, andererseits fühlen sie sich auch in symbolischer Hinsicht bedroht auf Grund der Bestimmungen der einsprachigen französischen Aushänge im Bereich Handel und spüren erstmals nach mehr als 300 Jahren, dass ihre Situation zunehmend prekärer wird (vgl. Bourhis 2002: 109). Gleichzeitig wird das Englische zu einem wichtigen Identitätssymbol für die Anglophonen Québecs, die sich 1982 mit der Gründung der Alliance Québec mobilisieren, einer Verbindung, die das Ziel verfolgt die sprachlichen Interessen der anglophonen Minderheit zu schützen und zu fördern. Es geht vor allem darum gegen einsprachige Aushänge im Handel sowie gegen die Obligation für anglophone Kinder aus anderen Provinzen und für die Kinder der Immigranten französischsprachige Schulen zu besuchen vorzugehen (vgl. ebd 110). Es herrscht demnach auch eine symbolische Rivalität zwischen dem Englischen und dem Französischen. Die Alliance Québec reagiert zwar im Interesse der Anglophonen in Québec mit einer Forderung nach Sprachgesetzen für Minoritäten, aber allgemein ist bei den meisten Anglophonen eine Anpassung an die Französisierung gemäß Loi 101 zu beobachten (vgl. Levine 1990: 127). Langfristig gesehen führt die Sprachpolitik Québecs vor allem in Montréal zu einer Annäherung zwischen Frankophonen und Anglophonen, wobei ein erhöhter Bilingualismus auf der Seite der Anglophonen festzustellen ist, die dem Anschein nach ein französisches Québec zunehmend akzeptieren (vgl. Levine 1990: 214f). Andererseits besteht weiterhin ein Dualismus auf Grund zweier verschiedener Völker, die sich besonders in ihrer nationalen Identifikation voneinander abheben. Zahlreich Frankophone nennen sich Québécois bzw. davor Frankokanadier, die Anglophonen hingegen tendieren dazu sich kurzweg Kanadier zu nennen (vgl. ebd. 216). Man kann also von einer ideologischen Kluft sprechen, die aber durch regen Kontakt der beiden Seiten zunehmend geschmälert wird. So herrscht eine soziale Distanz zwischen den Sprachgemeinschaften um sich voneinander abzugrenzen, es kommt jedoch allmählich zu einer Annäherung. Der Slogan Je me souviens als nationale Devise der Provinz Québec erinnert noch heute auf den KFZ-Kennzeichen der Autos an das kulturelle Erbe und die Geschichte der Frankophonen. 2.2.5, Aktuelle sprachpolitische Angelegenheiten: Trotz der gemeinsamen Gesetzgebung mit Kanada besitzt die Provinz Québec eine eigene Verfassung und befindet sich im Zentrum einer Polemik, die die Ergebnisse der Volksabstimmung im Jahre 1995 verdeutlichen, in der ca. 60 % der Bevölkerung für die Unabhängigkeit Québecs stimmen (vgl. Razafimandimbimana 2005: 33). Dass die sprachlichen Debatten zwischen Québec und Kanada weiterhin andauern, zeigt beispielsweise der Protest der Antiquitätenhändler von Estrie im Frühling 2002, durch welchen die Diskussion über die Sprachverwendung bei öffentlichen Aushängen erneut im obersten Gericht behandelt wird und eine Einigung der Parteien schwierig erscheint, was wiederum darauf hinweist, dass die Auseinandersetzungen noch viele Jahre weitergehen können. Ein weiteres aktuelles Beispiel für sprachpolitische Auseinandersetzungen in Québec zeigen die Verstöße gegen die Bestimmungen der Schilderpolitik im Juli 2007 in Sainte-Anne-de-Bellevue, einem Stadtteil Montréals, in welchem mehrere Schilder, auf denen das Französische nicht eindeutig dominierte, wieder abgenommen und entsprechend korrigiert werden mussten. Auf Grund einer beträchtlichen Anzahl von anglophonen Bewohnern hat Sainte-Anne-de-Bellevue seit 1980 bilingualen Status und dementsprechend das Recht zweisprachige Aushänge zu verwenden. Allerdings muss bei bilingualen Aushängen das Französische überwiegen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der französische Schriftzug entweder über oder links des Englischen platziert wird. Dabei müssen sich beide Sprachen im Blickfeld des Betrachters befinden. Um eine sprachliche Debatte zu vermeiden hat Sainte-Anne-de-Bellevue die Schilder zurückgezogen, korrigiert und neu angebracht, ein Unterfangen, welches rund 768 Kanadische Dollar kostete. Somit erscheint es trotz der Aktivität der Französischen Sprache in Québec einigen dennoch eine tägliche Herausforderung zu sein diese in ihrer Stärke und Präsenz zu erhalten. 2.3, Soziolinguistische Aspekte: Ziel des folgenden Kapitels ist die Untersuchung des Zusammenlebens Frankophoner und Anglophoner in Montréal und deren Sprachverwendung in Hinblick auf den permanenten Kontakt der beiden Gemeinschaften. Zunächst werden geographische, demographische und sprachliche Besonderheiten der Metropole Montréal angeführt gefolgt von aktuellen Theorien zur Sprachverwendung in ausgewählten gesellschaftlichen Bereichen. 2.3.1, Der Sonderfall Montréal: Bei der Untersuchung multilingualer Städte wie Montréal handelt es sich um ein interessantes Forschungsgebiet. Laur spricht in diesem Zusammenhang auch von urbaner Soziolinguistik, die den städtischen Kontext und die Präsenz verschiedener, nebeneinander bestehenden Sprachen und deren Sprecher in einer Metropole als Mikrokosmos untersucht (vgl. Laur 2002: 137). Schon seit fast drei Jahrhunderten teilen sich Anglophone und Frankophone die Stadt Montréal und leben in einer Art sozialen und sprachlichen Symbiose miteinander (vgl. ebd. 139). Die ethnische und sprachliche Zusammensetzung Montréals ist zum einen historisch, zum anderen durch die verschiedenen Einwanderungswellen bedingt und bildet somit das für die heutige Stadt typische Mosaik. Dabei existieren in erster Linie zwei sprachliche Minderheiten nebeneinander das Französische als Minderheitensprache in Kanada sowie das Englische als Minderheitensprache in der Provinz Québec. Die Anglophonen sprechen demnach eine Minderheitensprache in Québec, in Kanada jedoch die Sprache der Mehrheit (vgl. Laur 2002: 137f). Die Stadt Montréal, in welcher über die Hälfte der Bevölkerung Québecs lebt, liegt einerseits in einer französischsprachigen Provinz, in der die frankophone Bevölkerung deutlich überwiegt, andererseits jedoch auch in Kanada sowie inmitten Nordamerika, wo das Englische Vorherrschaft als Muttersprache und Kommunikationssprache besitzt (vgl. ebd. 137). Demzufolge stehen die beiden offiziellen Sprachen und der Multikulturalismus Kanadas einer einzigen offiziellen Sprache und der Integration in eine gemeinsame, frankophone Kultur Québecs gegenüber (vgl. Beaudoin 1999). Montréal stellt das Hauptgebiet des Aufeinandertreffens, des Zusammenlebens und der Interaktion der frankophonen und anglophonen Kultur dar, obwohl die Stadt in ihrer Substanz sehr französisch erscheint. Während deren Anfänge noch von einem anglophonen Geschäftsmilieu vor allem in den Bereichen Handel, Industrie, Transport und Bankwesen geprägt sind, ist seit 1977 mit der Einführung von Loi 101 die Zahl der Anglophonen beträchtlich zurückgegangen (vgl. Chambers 2000: 320f). Jedoch ist die anglophone Sprachgemeinschaft ein fester Bestandteil der Stadt und macht einen Teil ihres Charakters aus (vgl. ebd. 321). Die Gründe für den Erhalt und das Privileg der englischen Sprache ist deren starke Präsenz in den Bereichen Wirtschaft, Tourismus, internationaler Handel und Informationstechnologie, einer allgemeinen demographischen Überlegenheit der Sprecher auf dem nordamerikanischen Kontinent sowie der wirtschaftlichen und politischen Stärke der USA als wichtiger Handelspartner Kanadas. Diesen Tendenzen versucht Québec beispielsweise mit Hilfe der Sprachpolitik entgegenzuwirken.

Über den Autor

Jenny Kallenborn wurde 1979 in Wadern geboren. Ihr Studium der Anglistik und der Romanistik an der Universität Trier schloss die Autorin im Jahre 2008 mit dem Ersten Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien und Gesamtschulen ab. Bereits während des Studiums unternahm sie eine Forschungsreise nach Québec/Kanada, um die Besonderheiten dieser kanadischen Provinz kennenzulernen. Ihre Faszination für die Belle Province und vor allem für die multikulturelle Metropole Montréal motivierte sie, sich der Thematik der vorliegenden wissenschaftlichen Untersuchung zu widmen.

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