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- Dankelshausen - Wellersen zwischen Göttingen und Hann. Münden: Ein dorf- und familiengeschichtlicher Streifzug
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 244
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Dorf Dankelshausen und das Rittergut Wellersen sind mit der Familie des Autors als deren ehemalige Grundherren eng verbunden.. Die Besonderheiten ihrer Entwicklung im Vergleich zu sechs weiteren benachbarten Bramwald-Dörfern (Ober- und Niederscheden, Mielenhausen, Bühren, Varlosen, Ellershausen) werden durch die Auswertung von sehr vielen Archivalien und umfangreichen Statistiken dargelegt. Mit einer besonderen Vertiefung werden behandelt: Wesen und Auflösung der Grundherrschaft grundherrliches Kirchenpatronat und adlige Gerichtsbarkeit dörfliches Schulwesen seit dem 17. Jahrhundert Juden als dörfliche Mitbürger Dorfleben im Dritten Reich schleichender Verlust der dörflichen Selbstverwaltung nach 1945. Das profunde Fachwissen des Autors sowie seine verständliche und unterhaltsame Darstellungsweise dürften dazu beitragen, auch Bewohner anderer Dörfer an die Geschichte ihrer Wohnorte heranzuführen.
Textprobe: Über Wellersen nach Dankelshausen Das Gut Wellersen und das Dorf Dankelshausen liegen im Landkreis Göttingen, in dem südwestlichen Gebiet des ehemaligen Landkreises Münden . Auf der Bundesstraße 3 von Göttingen kommend, passiert der Reisende wenige Kilometer hinter Dransfeld linksseitig eine kleine Ansammlung von Häusern, einige etwas größer als die anderen. Kein Hinweis-schild informiert ihn über deren Namen. Ortskundige könnten ihm sagen, dass es sich um das Gut Wellersen handelt. Noch vor sechzig Jahren üblicherweise als Rittergut bezeichnet, herrschte hier zu jener Zeit das rege Leben eines vitalen Gutsbetriebes. Pferde, Kühe, Schweine, Gänse und Hühner bestimmten nicht nur das Bild des Hofes und der Ställe, sie bestimmten auch den Arbeitsrhythmus der Frauen und Männer, die sie versorgten und die umliegenden Äcker bewirtschafteten. Inzwischen ist es hier still geworden. Die Flächen sind verpachtet. Pferde verschiedener Jahrgänge auf den Weiden rings um den Gutshof zeugen von der Passion seines Eigentümers, meines Neffen Ludolf . Den Gutshof in einer Linkskurve umfahrend, erblickt der Reisende zur Rechten das ,Hainholz’. Ursprünglich wohl ein Teil der Gemarkung von Dankelshausen war es nach-weislich in den Jahren 1591 und 1783 ein Teil des Gutes Wellersen. Im Jahre 1860 wieder zu Dankelshausen gehörig, gehörte es fünfundzwanzig Jahre später erneut den Eigentümern des Gutes Wellersen , meinem Ururgroßvater Carl Wilhelm und seinem Bruder Carl August, auch wenn es ein Teil der Gemarkung Dankelshausen blieb. Die Gemarkungsgrenze zwischen dem Dorf Dankelshausen und dem Gut Wellersen bildet der Schedebach. Mit seiner Quelle südwestlich von Bühren fließt er durch die Dörfer Scheden und Volkmarshausen, um südlich des Eichhofs in die Weser zu münden. In den ,Schedener Kurven’ ist es die eingeforderte Aufmerksamkeit auf die kurvenreiche Straßenführung, die früher leicht die Zubringerstraße nach Dankelshausen übersehen ließ. Noch bis Ende des Jahres 2010 zweigte sie ganz plötzlich in der vorletzten Kurve in einem rechten Spitzwinkel ab. Heute bildet sie die erste Ausfahrt aus einem jüngst gebauten Kreisel. Nach wenigen hundert Metern, teilweise verdeckt von prächtigen Bäumen, steht rechter Hand ein großes gepflegtes Gebäude, die ehemalige Dankelshäuser Mühle. Ende der 1950er Jahre hatte ihr Betrieb der Wettbewerbsüberlegenheit der Großmühlen weichen müssen. Hinter der Schede-Brücke steigt die Straße nach einer Rechtskurve relativ stark an. Nach etwa zweihundert Metern hinter der Kuppe des Straßenanstiegs steht rechter Hand das imposante Wohnhaus des Dankelshäuser Gutshofs, ein zweigeschossiger, allseits vorkragender Fachwerkbau aus den 1780er Jahren . Und wenige Meter weiter dorfeinwärts zur Linken die Dorfkirche. Beide bilden die Wahrzeichen einer über viele Jahrhunderte hinweg die Dankelshäuser Gemeinde prägenden grundherrschaftlichen Machtfülle. Weniger ,herrschaftlich’ präsentierte sich noch vor sechzig Jahren - im Gegensatz zu heute - der Dorfkern. Die Fachwerkhäuser – zumeist aus der Zeit des späten 18. bis mittleren 19. Jahrhunderts - entlang der ,Großen Straße’, der Durchgangsstraße nach Bühren, und der vor der Kirche von ihr links abzweigenden ,Kleinen Straße’ - strahlten kaum die Pracht vormals reicher Bauern aus. Unregelmäßig, mal etwas näher, mal etwas entfernter zur Straße gebaut, vermittelten sie eher den Eindruck von fleißigen und bescheidenen Menschen, die zeit ihres Lebens hart um ihren Lebensunterhalt hatten kämpfen müssen. Im Jahre 1858 wird das Dorf als eine kleine Gemeinde mit 42 Häusern beschrieben . Es sei arm und besitze nur einen kleinen Anger, dessen Ertrag auf sieben bis acht Reichstaler jährlich veranschlagt werden könne. Der größte Teil der Gemeindemitglieder bestehe aus armen Tagelöhnern, die nur ein höchst dürftiges Auskommen hätten. Es gebe nur neun Ackerleute. Bis auf zwei oder drei seien alle mehr oder weniger verschuldet. Auch befänden sich unter den Hausbesitzern zwei Juden. Zwölf Jahre später, im Jahre 1870, heißt es, der Ort sei klein, der mit jedem Jahr mehr verarme. Er bestehe aus 43 Häusern, darunter 10 Anbauerhäuser . Seine Bewohner seien zum größten Teil Handarbeiter. Im Verlaufe der folgenden hundert Jahre scheint sich an der wirtschaftlichen Lage der Dankelshäuser nur wenig geändert zu haben. Mit ihren 300 Bewohnern betrug im Jahre 1970 die jährliche Steuerkraft der rein bäuerlichen Gemeinde 35 DM je Einwohner. Die entsprechenden Durchschnittswerte des Kreises Münden und des Regierungsbezirks Hildesheim lagen bei 91 bzw. 102 DM . Am 3. April 1970 beschloß der Dankelshäuser Gemeinderat, ein Gemeindewappen anfertigen zu lassen . Nach der Wappenbegründung symbolisiert der grüne Hügel die Lage des Dorfes an den Hängen des Bramwaldes. Über viele Jahrhunderte hinweg gehörte Dankelshausen zusammen mit Bühren, Ellershausen, Varlosen und Mielenhausen zu den so genannten fünf Kerngemeinden des östlichen Bramwaldgebietes , also zu jenen Gemeinden, die zu sämtlichen Bramwaldnutzungen berechtigt waren: dem Eintrieb von Schweinen, Rindern, Schafen und Gänsen, dem Einschlag von Bau- und Brennholz, dem Sammeln von Fall- und Leseholz, von Einstreumaterial, Eicheln, Bucheckern und Steinen sowie dem Graben von Lehm. Für alle diese Dörfer, einschließlich der beiden mit geringeren Rechten ausgestatteten Randgemeinden Ober- und Niederscheden, bildeten die Nutzungsrechte bis zu ihrer Ablösung im 19. Jahrhundert eine wichtige, für einige möglicherweise sogar ihre Lebensgrundlage schlechthin. Mit 259 Bewohnern im Jahre 1885 (vgl. Übersicht 1) war Dankelshausen das kleinste Bramwald-Dorf. Seine Gemarkungsfläche war mit 224 ha (Hektar) nach der von Ellershausen mit 217 ha die zweitkleinste. Bei der Bewohnerdichte, ausgedrückt durch die Gemarkungsfläche je Dorfbewohner, rangierte Dankelshausen mit 0,86 ha an dritter Stelle hinter Ellershausen mit 0,73 ha und Mielenhausen mit 0,82 ha. Doch bei dieser Gruppierung ist einige Vorsicht geboten, erscheint eine nähere Differenzierung angebracht zu sein. In der Wähler-Liste für die Reichstagswahl im Jahre 1874 gaben vierzehn oder neunundzwanzig Prozent der achtundvierzig in Dankelshausen wahlberechtigten Männer Arbeiter auf dem Gutshof als ihren Beruf an. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob es einen Unterschied macht, ob jemand als freier Bauer allein auf seiner eigenen Scholle seinen Lebensunterhalt verdient oder sich zusätzlich als Tagelöhner auf dem Gutshof verdingen muß. Sehen wir da einen Unterschied, so erscheint es angebracht, die Fläche des Gutsbetriebes (83 ha) aus der des Dorfes herauszurechnen. Die Folge ist, dass zu einer Zeit, als die dörfliche Berufsstruktur noch nahezu vollständig durch die Landwirtschaft geprägt wurde, die Gemarkungsfläche nur 0,54 ha je Dorfbewohner betrug, eine Fläche, die weit unter der aller anderen Bramwald-Dörfer lag. Die silberne Quelle, so heißt es in der Wappenbegründung, weist auf die unter großen Geldopfern der Einwohner von 1966 bis 1967 geschaffene moderne Wasserversorgung mittels Tiefenbohrung hin. Die Trinkwasserversorgung war ein Problem, das den Gemeinderat schon seit jeher immer wieder stark beschäftigt hatte . Im Jahre 1966 wurde etwa 500 Meter nordwestlich des Dorfes in einer Senke unterhalb des Bramwaldes eine Aufschlussbohrung von rd. 110 Metern Tiefe durchgeführt. Bereits wenige Monate vor der Entscheidung des Gemeinderats, das ,Jahrhundertwerk’ symbolisch in das Gemeindewappen aufzunehmen, zeigte es erhebliche Mängel. Die Sanierung der wichtigsten Verteilungsleitungen im Ort, so heißt es im Januar 1970 in einem Bericht des Landkreises Münden, ist … dringend notwendig und vom Gemeinderat beschlossen worden . Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass einige Gemeinderäte bei der Entscheidung über den Entwurf des Gemeindewappens so ihre Zweifel hatten, ob die Wasserversorgung symbolisch in das Wappen aufgenommen werden sollte. Das schwarze durchgehende Kreuz hält die kirchliche Bedeutung des Ortes als Parochiezentrum fest, und die Kleestengel versinnbildlichen die zur Parochie (Kirchengemeinde) gehörenden Nachbargemeinden Mielenhausen, Ober- und Niederscheden – die beiden letztgenannten Dörfer haben sich im Jahre 1964 zu der Gemeinde Scheden zusammengeschlossen. Die Wurzeln von Dankelshausens Stellung als Parochiezentrum, als Zentrum der Kirchengemeinde, reichen weit in die Vergangenheit zurück. Sie sind auf das engste mit dem letzten Schildbild verwoben, mit dem Wappen der Familie von Stockhausen, das an die enge geschichtliche Beziehung zwischen Gutshof und Dorfbevölkerung erinnern soll. Ihren beherrschenden Einfluss auf das Gemeindegeschehen deutet der Umfang ihres Grund und Bodens an. Die Fläche ihres Gutes in Dankelshausen betrug 37 Prozent und die ihres im Jahre 1591 gekauften und im Jahre 1932 mit der Gemeinde Dankelshausen vereinigten Gutes Wellersen das 1,7fache der Dankelshäuser Gemarkungsfläche. Am 19. Mai 1971 wurde den Dankelshäusern ihr Gemeindewappen offiziell übergeben. Zwei Tage später war in der Tageszeitung Mündener Allgemeine zu lesen: Kurz vor ,Tores-schluß’, d. h. vor Aufgabe ihrer dörflichen Selbständigkeit, erlebte die kleine Gemeinde Dankelshausen am Fuße des Bramwaldes noch einmal einen Höhepunkt ihrer Geschichte, dessen Bedeutung durch die nahezu geschlossene Teilnahme aller Einwohner dokumentiert wurde. Im Rahmen eines festlichen Heimatabends wurde ihr durch Kreisoberrat Walter Hoffmann das Gemeindewappen verliehen. Die Gemeindeverwaltung hat damit das Recht, auch das Gemeindesiegel und die grün-weiße Flagge zu führen. Das Wappen … vereint in sich alle Symbole, die von der Lage des Dorfes her über seine geschichtliche Entwicklung bis zur Dorfgemeinschaft unserer Tage reicht. Die angesprochene Aufgabe der dörflichen Selbständigkeit nahm Bezug auf die Verwal-tungs- und Gebietsreform der Niedersächsischen Landesregierung vom 9. Februar 1971. Auf ihrer Grundlage wurde mit dem Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden im Raum Göttingen die Gemeinde Dankelshausen am 1. Januar 1973 mit den Gemeinden Scheden und Meensen zu der Einheitsgemeinde Scheden zusammengeschlossen. Dankelshausen hörte auf, eine eigenständige Gemeinde zu sein, deren Einwohner zur Erledigung aller örtlichen Gemeinschaftsaufgaben in eigener Verantwortung zu einem rechtsfähigen Verband (Gebietskörperschaft) zusammengeschlossen sind . Die Aufgabe der politischen Selbständigkeit am 1. Januar 1973 durch die Einbindung in die Einheitsgemeinde Scheden stellte die schärfste politische Zäsur dar, die das Dorf Dan-kelshausen jemals erlebt hat. Kritiker der Gemeindereform sprechen von einer politischen Entmündigung der Dorfbewohner und von einem sozio-kulturellen Enteignungsprozess. In vielen Dörfern würden außer Wohnen und ein wenig Landwirtschaft keine Funktionen mehr angeboten, die erst in ihrer Fülle das Leben lebenswert machen . Von einer solchen Entwicklung ist auch Dankelshausen nicht völlig verschont geblieben.
Joachim von Stockhausen, Jg. 1939, Studium der Land- und Volkswirtschaft, Promotion, Habilitation, apl. Professur, war als Berater und Gutachter in 40 Ländern der Dritten Welt und Osteuropas tätig zahlreiche Veröffentlichungen zu entwicklungspolitischen Fragen. Seit Mitte der 1990er Jahre beschäftigt.
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