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Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 236
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wenige Menschen erleben sie, viele suchen danach: Berufung. Aber was suchen wir genau, wenn wir nach unserer Berufung suchen? Was drängt uns da? Was ist es, das unserem Leben Sinn und Erfüllung gibt? Die Psychologie kann das Phänomen beobachten, aber nicht erklären. Diese Studie ist der Versuch, sich dem Berufungsthema dennoch wissenschaftlich zu nähern. Sie setzt dafür an einem der schillerndsten Konzepte der Humanistischen Psychologie an- der Selbstverwirklichung. Doch erst der Blick in die Bibel ermöglicht es, Berufung grundlegend und umfassend zu verstehen. Weitgefächerte Literatur- und Bibelstudien zeigen erstaunliche Gemeinsamkeiten, wie auch krasse Unterschiede zwischen Selbstverwirklichung und Berufung. Trotz wissenschaftlichen Anspruchs ist die Arbeit bewusst auch für Laien gut lesbar gehalten. Sie lädt Berufungssuchende zu einer nachdenklichen Reise durchs Grenzgebiet von Psychologie und Theologie, von Erleben und Glauben ein und ermutigt sie bei aller gefühlter Schwäche und Unzulänglichkeit, sich in das vielleicht größte Abenteuer ihres Lebens rufen zu lassen.
Textprobe: Kapitel 4.1,: Gott braucht uns nicht: Diese Aussage klingt grausam. Wir schließen gleich unbewusst daraus, dass uns Gott ja dann wohl auch nicht liebt. Wir fühlen uns gekränkt. Es ist so, als ob ein Arbeitgeber uns sagt, er brauche uns nicht mehr. Wir verlieren unseren Wert. Doch dieses Empfinden ist die Folge eines falschen Denkens, das unseren Wert aus unserem Tun, unserem Gebrauchtwerden zieht. Die genauere Betrachtung der Aussage ‘Gott braucht uns nicht’ kann uns aber von solchen Lügengebäuden befreien zu dem, wofür wir wirklich berufen sind. Die Schöpfung: Warum schuf Gott die Welt und den Menschen? Unsere Antwort lautet gewöhnlich: Weil er einen Gegenstand für seine Liebe brauchte. ‘Eine Liebe ohne Geliebten- was ist das schon? Höchstens Eigenliebe! Und so egoistisch kann Gott doch wohl nicht sein’ (Malm 1998, S. 34). Doch die Bibel sagt es anders: ‘Herr, unser Gott, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen waren sie und wurden sie geschaffen’ (Offb. 4,11). ‘Durch deinen Willen’ ist in der Elberfelder Bibel mit ‘deines Willens wegen’ wiedergegeben. Gott schuf alle Dinge, weil er es wollte! Nicht, weil er durch irgend etwas dazu gezwungen war. ‘Alle Quellen und Ursachen sind in ihm selbst, in seinem eigenen Wesen. Gott hat nicht Liebe oder Kraft, so dass sie aufhören oder ergänzungsbedürftig sein könnten, nein, er ist Liebe und Kraft’ (Malm 1998, S. 34f). Und doch: Kann eine Liebe nur an sich, ohne Beziehungen, überhaupt existieren? Nein! Aber Gott ist ja nicht nur Einer, sondern die Bibel beschreibt ihn als eine Dreieinigkeit. Damit ist Gott in sich eine Beziehung zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist, die bereits vor der Schöpfung existierte. Vor diesem Hintergrund bekommen die Worte Martin Bubers über die ‘Ich-Du’-Beziehung -über die Begegnung- eine ganz neue Tragweite: ‘Alles wirkliche Leben ist Begegnung’ (Buber 1994, S. 15). Als Beziehung ist Gott in sich Leben, kann Leben schaffen und hat uns zur Begegnung, zur Beziehung hin, also zum Leben hin geschaffen (vgl. 1. Mo. 2,18: ‘Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei’). Das ist der Grund, warum wir Gemeinschaft oft so bereichernd und belebend erleben- weswegen sie übrigens auch oft in besonderer Weise angefochten ist. Malm folgert: ‘Das Geheimnis ist unerhört: Gott ist einer und doch ist er eine Gemeinschaft. Ganz im Gegensatz zu unserer Vorstellung, dass er die Menschen schaffen, musste‘, um etwas zum Lieben zu haben, enthält seine Erschaffung des Menschen bereits eine Einladung in eine bereits existierende Gemeinschaft: ,Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei…‘ (1. Mose 1,26) . Einem Leser, der noch mit dem alten ‚Pluralis majestatis‘ vertraut ist (also der Benutzung des ,wir‘ durch einen König, wenn dieser seine Autorität besonders hervorheben möchte), mag dies auf den ersten Blick nicht weiter weltbewegend erscheinen. Das Dumme ist nur, dass das Hebräische diesen Plural der Majestät gar nicht kennt…’ (Malm 1998, S. 36). Das Volk Israel: In der gesamten Heilsgeschichte lässt sich diese souverän schaffende Gemeinschaft Gottes beobachten, die nicht die Hilfe von Menschen braucht. Dass Gott Abraham und Sarah als Stammeltern seines Volkes ausgewählt hat, ist nicht ihr Verdienst Abrahams. Auch zur Geburt des Erstlings dieses Volkes hat das alternde Ehepaar nichts beizutragen. Als ihnen die bevorstehende Geburt angekündigt wurde, ahnt man etwas von der Dreieinheit Gottes: Drei Männer standen vor Abraham, und er sprach sie mit ‘Herr’ an: ‘Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da standen drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde und sprach: Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füße zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum’ (1. Mo. 18,2–4). Malm kommentiert: Mal ,Herr‘, mal ,Männer‘, mal ,du‘ mal ,ihr‘. Die Bilder gleiten ineinander, hinein in Gottes tiefstes Geheimnis. Einen schwindelnden Augenblick lang ahnen wir eine Gemeinschaft jenseits aller menschlichen Begrenzungen (S. 37). Jahrhunderte später hat Mose, solange er versuchte, einen eigenen Beitrag zur Rettung des Volkes Israels beizusteuern, nur Unheil angerichtet. 40 Jahre danach stand er als gebrochener Mann ohne sein früheres Selbstbewusstsein vor dem brennenden Dornbusch und wollte Gottes Auftrag, Israel aus der Gefangenschaft zu führen, nicht annehmen. Letzten Endes war es die Aussage Gottes über sich selbst ‘Ich bin, der ich bin’, die Mose in die Veränderung der Weltgeschichte riss (vgl. 2. Mo. 3,14). Als das Volk Israel wieder Jahrhunderte später aus seinem Land vertrieben war, zeigt Gott den Unterschied zwischen den Götzen, denen sie gedient hatten, und sich selbst, dem wahren Gott: ‘Der Meister nimmt den Goldschmied fest an die Hand, und sie machen mit dem Hammer das Blech glatt auf dem Amboss und sprechen: Das (Götzenbild) wird fein stehen! Und machen’s fest mit Nägeln, dass es nicht wackeln soll. Du aber, Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, du Spross Abrahams, meines Geliebten, den ich fest ergriffen habe von den Enden der Erde her und berufen von ihren Grenzen, zu dem ich sprach: Du sollst mein Knecht sein ich erwähle dich und verwerfe dich nicht -, fürchte dich nicht, ich bin mit dir weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich halte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit’ (Jes. 41,7–10). Der Gegensatz ist mit den Worten ‘dass es nicht wackeln soll’ und ‘ich halte dich’ beschrieben. Die Aufgabe des Menschen gegenüber den Götzen ist es, dafür zu sorgen, dass sie nicht zerbrechen. Wie soll ein Gott, der den ständigen Einsatz der Menschen und ständige Fürsorge braucht, etwas für die verzweifelten Menschen tun können? Der wahre Gott Israels ist dagegen derjenige, der die Menschen trägt, die nicht mehr fähig sind, etwas zur Veränderung ihrer aussichtslosen Lage zu tun. Immer wieder weist Gott auf seine Souveränität hin: ‘Ich bin der HERR, der alles schafft, der den Himmel ausbreitet allein und die Erde festmacht ohne Gehilfen’ (Jes. 44,24). Immer ist es Gott selbst, der die Welt erschüttert, um etwas Neues in Gottes Volk zu schaffen. ‘Zum Schluss geschieht dieses Neuwerden in dem Körper einer jungen, armen Frau. (Meist wird die Geschichte ja vom Gegenteil bestimmt- von älteren, reichen Männern!) Vor dem Geheimnis erzitternd, besingt Maria die Größe des Herrn: ,Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig (hochmütig, stolz) sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Gütern und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf, wie er geredet hat zu unsern Vätern, Abraham und seinen Kindern in Ewigkeit.‘ (Lk 1,51–55)‘ (Malm 1998, S. 39). Die Haltung Marias angesichts dessen, was Gott mit ihr tut, lehrt uns eines: Es kommt bei der Begegnung mit dem Gott der Geschichte nicht auf unsere Leistung an, sondern es geht um unsere Hingabe. Gott braucht unsere Hilfe nicht, aber er wünscht sich, dass wir ihm unser Herz ganz öffnen und in die Beziehung zu ihm eintreten. Jesus Christus und die Gemeinde: In Jesus wurde Gott Fleisch und wohnte als Mensch unter uns Menschen. Seine göttliche Souveränität zeigte sich in seinem gesamten öffentlichen Wirken und in allen Begegnungen mit den Menschen. Aber: ‘Von der ersten Stunde an bieten Menschen ihm eifrig Rat um Hilfe an: was er zu tun hat und wann, was er vermeiden muss, mit welchen Leuten er sich gut stellen und welche er links liegenlassen muss, was er sagen und worüber er schweigen soll. Und nicht nur die verschiedenen Machtgruppen in der Gesellschaft werfen dem Zimmermann aus Nazareth ihre Köder hin seine eigenen Jünger stecken bis zum Hals in der Vorstellung, dass es Gott ohne unsere ach so große Klugheit und Erfahrung nicht schaffen wird. Der Evangelist Lukas fasst Jesu Reaktion auf alle diese Angebote kurz und bündig so zusammen: ,Aber er ging mitten durch sie hinweg‘ (Lk 4,30) ‘ (Malm 1998, S. 39f). In seinem Wirken zeigte sich stets die göttliche Dreieinigkeit. Bei seiner Taufe senkt sich der Geist auf ihn und die Stimme des Vaters erklingt (Mt. 3,16–17). In der Synagoge von Nazareth bezeugt er, dass der Geist des Herrn auf ihm liegt (Lk. 4,18). Er kann nur das tun, was der Vater tut (Joh. 5,19.30) und er sucht immer wieder Gelegenheiten zum Gebet, also zur ungestörten Gemeinschaft mit dem Vater. Seine Jünger lässt er in diese göttliche Gemeinschaft hineinblicken – und lädt sie mit ein. Dass wir den Heiligen Geist empfangen dürfen, der uns in alle Wahrheit leitet, ist geradezu unfassbar! Während die Jünger immer noch nicht begriffen, was Gott tat, ging Jesus, gegen den ‘guten Rat’ der Jünger, nach Jerusalem. ‘Gott braucht uns nicht. Noch nicht einmal in seiner tiefsten Erniedrigung. Im Gegenteil: Er schiebt unsere Hilfeversuche beiseite, um den entscheidenden Sieg zu vollbringen – allein. Jesu Kreuzestod ist die äußerste Manifestation eines Bekenntnisses, das Israel seit Jahrhunderten gesungen hatte: ,Gelobt sei Gott der Herr, der Gott Israels, der allein Wunder tut!‘ (Ps 72,18) . Nie ist Gottes Einsamkeit größer gewesen. Nie war ein Wunder größer. Gelähmt stehen die Jünger da, als Gott die Welt allein erlöst’ (Malm 1998, S. 41). Jesus schob unsere Hilfeversuche beiseite. Ein einziges Mal bat er die Jünger um Hilfe: Er bat sie im Garten Gethsemane, als er angesichts seiner bevorstehenden Kreuzigung unter Todesangst litt, für ihn zu beten. Aber die Jünger versagten. Sie schliefen ein und ließen Jesus allein. Jesus war wirklich ganz allein! Das Versagen der Jünger setzte sich fort. Nach Jesu Kreuzigung saßen sie in ihrem Versteck, voller Angst, nach Jesus könnten auch sie als seine Anhänger dran sein. ‘Sie hätten nie geschafft, was die Obrigkeit als Gerücht zu verbreiten versuchte: den Leichnam aus dem Grab zu stehlen, den Glauben und die geistlichen Wahrheiten zu bewahren, einen letzten Einsatz für Gott aus sich herauszupressen. Wahrscheinlich kam ihnen noch nicht einmal dieser Gedanke, so gründlich hatte diese furchtbare Passawoche ihre sämtlichen geistlichen Ambitionen und Großtaten zerschmettert. Und genau an diesem absoluten Nullpunkt erhalten sie den entscheidenden Beweis für Gottes Allmacht, den die Geschichte bisher gesehen hatte’ (S. 42). Jesus tritt nämlich lebendig unter sie. Gott hatte ihn von den Toten auferweckt – allein. Das war der Beginn der Ausbreitung des Christentums. Die Entstehung der Gemeinde ist nicht das Werk von Petrus, sondern das von Jesus. Jesus hatte zu Petrus gesagt: ‘Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen’ (Mt. 16,18). Alles, was Petrus für Jesus tun wollte – für ihn sterben, ihn bei seiner Verhaftung mit dem Schwert zu verteidigen –, scheiterte. Petrus konnte nichts für Gott tun. Er, der besondere Führungsambitionen hatte, musste diesen absoluten Nullpunkt auf besonders krasse Weise erleben. Erst dann waren er und die anderen Jünger zubereitet, den Heiligen Geist zu empfangen und als Apostel dem nun durch Gottes Wirken entstehenden Leib Christi dienen. Dann stieß der Apostel Paulus dazu. Er meinte sich für Gottes Sache einsetzen zu müssen, indem er sich gewaltsam gegen die christliche Gemeinde wandte. Auch er musste durch einen Zerbruchsprozess gehen, der damit begann, dass er angesichts der Macht Jesu zu Boden fiel und plötzlich erblindete. Später hat er auf seiner zweiten Missionsreise angesichts des betriebsamen Götzendienstes in Athen es noch einmal auf den Punkt gebracht, als er vom wahren Gott sagte: ‘Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt’ (Apg. 17,25). Später schrieb der wegen seines Einsatzes für den Glauben gefangengenommene Paulus aus dem Gefängnis seinen Brief an die Philipper, die in der Gefahr standen, vom Glauben abzufallen. Aus dem Gefängnis heraus konnte Paulus so gut wie nichts tun. So blieb ihm nichts weiter übrig, als loszulassen und sein Werk allein in die Hände Gottes abzugeben. Er schrieb: ‘Ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu’ (Phil. 1,6). Es fällt auf, dass der ganze Brief trotz der Situation, in der er entstanden ist, eine große Freude ausstrahlt. Wie ist das möglich? Paulus hat erkannt, dass er und sein Einsatz für das Werk Gottes entbehrlich sind. Er konnte loslassen. Er brauchte keine Angst zu haben, etwas zu verlieren – Liebe, Wert, Wichtigkeit. Es war nicht sein Werk, sondern allein Gottes Werk. Er musste es nicht verteidigen, nicht dafür sorgen, dass es bestehenblieb. Er brauchte sich nicht zu sorgen, sondern er konnte einfach schauen, was Gott tat. Diese Freiheit hat er vielleicht gerade angesichts seiner Gefangenschaft besonders stark gespürt. Nicht musste kämpfen, sondern sein Gott tat es: ‘Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus’ (Phil. 4,19). Gott will uns: Bei diesen Gedanken stellen wir uns vielleicht die Frage: ‘Aber führt dies nicht zu Verantwortungslosigkeit und Passivität?’ (Malm 1998, S. 44.) Müssen wir dann überhaupt noch etwas für das Reich Gottes tun? Könnten wir es uns dann nicht bequem machen? Diese Frage zeigt, wie leicht wir von einem Extrem ins andere geraten. Gott braucht uns nicht. Sein Werk ist nicht abhängig von unserem Tun. Aber es ist trotzdem Gottes freier und unerklärlicher Wille, dass er die Menschen zu seinen Mitarbeitern macht. ‘Hier liegt eine haarfeine, aber alles entscheidende Trennlinie zwischen Wahrheit und Lüge. Wahr ist, dass Gott in seiner Allmacht einen Menschen zu einem Mitarbeiter für gewisse Aufgaben machen kann. Dieses Geheimnis liegt schon in der Schöpfung: Gott brauchte den Menschen nicht, aber er beschloss, ihn als seinen Verwalter auf Erden zu schaffen. Tun und Beten des Menschen wirken - auf eine Art, die weit jenseits unseres Fassungsvermögens liegt - mit dem Werk des Schöpfers zusammen. […] Aber es ist eine Lüge, dass Gottes Werk mit unserer Verantwortung steht und fällt’ (Malm 1998, S. 44). Die Liebe Gottes zu uns dürfen wir nicht danach beurteilen, ob er uns braucht. Wir sind in dieser Hinsicht völlig verdorben durch das Leistungsdenken, wonach wir Liebe durch unser Tun (oder Verhalten) verdienen müssen. ‘Unsere Leistungen und Aktivitäten sind derart wichtig für unser Selbstwertgefühl, dass wir die Feststellung, dass Gott uns nicht braucht, glatt als Verdammungsurteil deuten. ,Ach so, ich bin nicht mehr erwünscht‘ (S. 32). Unser unbefriedigtes Liebesbedürfnis ist es wohl, das uns so oft zu allen möglichen Aktivitäten ‘für Gott’ treibt, egal, ob sie nötig sind oder nicht. Hier liegt eine Ursache für unser verzweifeltes Suchen ‘nach unserer Berufung’, nach einer Tätigkeit, die uns das Gefühl vermittelt, gebraucht – und damit auch geliebt – zu sein. Gott liebt uns aber nicht um unserer Leistungen willen, sondern um unserer selbst willen – völlig unabhängig von dem, was wir tun. Wie groß seine Liebe ist, sollte sich an seinem Opfer zeigen, das er auf Golgatha gebracht hat. Gott selbst hat die Strafe für unsere Sünde auf sich genommen. Er starb, damit wir leben können, obwohl wir es sind, die den Tod verdient haben. Doch für uns ist gerade das oftmals zu groß, zu unfassbar, als das es uns einen Maßstab liefern könnte. Vermutlich können die meisten Christen nicht im geringsten ermessen, wieviel Jesus Christus sein qualvoller Tod am Kreuz gekostet hat. Auch ich merke, dass es mein Fassungsvermögen bei weitem übersteigt. Was uns dermaßen zu groß ist, können wir aus unserem kleinen Blickwinkel nicht mehr als groß erfassen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass das Christentum heute weithin so kraftlos ist. Möglicherweise wird die Liebe Gottes zu uns anhand eines kleineren, fassbareren Maßstabes verständlicher: Gott möchte sich durch menschlichen Ausdruck ausdrücken. Gott möchte sein Wesen durch das Menschliche sichtbar machen. Er liebt es, menschliche Kreativität in seinen Dienst zu nehmen. Wenn Menschen sich künstlerisch ausdrücken, wenn sie zur Ehre Gottes Musik machen, malen oder zeichnen, sich bei Tanz oder Pantomime bewegen, Kunstwerke schaffen, auf unterschiedlichste Weise kreativ werden- oder vielleicht einfach nur als Mensch anderen Menschen begegnen, um anderen Menschen Gottes Wesen und seine frohe Botschaft zu vermitteln, dann gibt uns das vielleicht eine Ahnung, wie wertvoll Gott das Menschliche ist. Dass Gott uns in seinen Dienst nimmt, obwohl er uns nicht braucht, ist ein sehr anrührender Ausdruck seiner Liebe. Vor diesem Hintergrund sollte uns die Tatsache, dass er uns nicht braucht, entspannen und zum Loslassen ermutigen.
Reimar Lüngen, geboren 1961 in Berlin, arbeitete zunächst viele Jahre lang als Softwareentwickler und Datenbankfachmann in der IT, bevor er mit einem Vollzeitstudium an der IGNIS-Akademie für Christliche Psychologie eine völlig neue Richtung einschlug. Das starke innere Erleben, sowohl in der IT, als auch später im Studium am richtigen Platz zu sein, rückte das Berufungsthema in seinen Fokus. Heute unterstützt er als selbständiger Berufungscoach speziell begabte Menschen darin, ihre Berufung zu entdecken und auf dieser Grundlage beruflichen Wandel zu meistern.
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