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Gesellschaft / Kultur

Ludovít Petraško

Aus naher Ferne: Slowakisch-deutsche (nicht nur) literarische Beziehungen

ISBN: 978-3-95425-974-8

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Produktart: Buch
Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 124
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Auch nach der Aufnahme in die EU im Zuge der Ost-Erweiterung, ja nach dem Beitritt in die Eurozone blieb die Slowakei für die deutsche Öffentlichkeit eine Terra incognita. Dabei reichen die gegenseitigen Berührungen in weite Vergangenheit zurück kamen doch die ersten Einwanderer aus Deutschland bereits im 13. Jahrhundert in die Slowakei, das damalige Oberungarn, um die von den Tataren verwüsteten Gebiete zu besiedeln. Der Sammelband untersucht die bisher unbeachteten Zeugnisse des Zusammenlebens beider Völker im Laufe der Jahrhunderte. Die einstigen Einwanderer unterhielten weiterhin die Bindung an das Mutterland, brachen aus dem Studium vielfach auch geistige Anregungen heim, etwa jene der Reformation, andere fanden später, durch die katholischen Habsburger verfolgt, in Deutschland Zuflucht. Ein aufschlussreiches Zeugnis über die entlegene Gegend eines entlegenen Landes gaben deutsche Reisende im 18. und 19. Jahrhundert in ihren Berichten. Ein eigenartiger Niederschlag des deutsch-slowakischen Zusammen-, Miteinander-, auch des Nebeneinanderlebens findet sich in der Darstellung des Deutschen in slowakischen Sprichwörtern. Zur letzten, wenn auch unheilvollen Berührung der beiden Völker kam es am Ende des letzten Weltkrieges, im Zuge der Besetzung des Landes durch die Wehrmacht die jahrhundertlange Anwesenheit der Deutschen in der Slowakei fand später durch die Vertreibung ein abruptes Ende. Auch aus dem Grund verdient das Buch des slowakischen Germanisten, Ergebnis einer lang anhaltenden, wenn auch vielfach unterbrochenen Beschäftigung mit dem Thema Beachtung. Es erzählt die Geschichten herausragender Persönlichkeiten und gibt mit ihnen Einblicke in die wechselvollen deutsch-slowakischen Beziehungen.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel. Der Verschwörer von Kamtschatka – Graf Beniowsky im Drama von August von Kotzebue. Zumindest drei Völker beanspruchen ihn für sich, entsprechend vielfältig ist somit die Schreibweise seines Namens: Maurycy August Beniowski auf Polnisch, Benyovszky Móric auf Ungarisch, auf Französisch hieß er Maurice Auguste de Benyowsky/-ski, auf Englisch Maurice Benyowsky/Benovsky, dagegen Moritz Benjowsky/-ski/Benyowski auf Deutsch, schließlich Móric August Benovský auf Slowakisch oder latinisiert Mauritius Auguste de Benovensis. Nicht eindeutig feststellbar ist auch sein Geburtsdatum 1741, womöglich erst 1746, fest steht dagegen jenes seines Todes: 1786. Ihn selber freilich kümmerte die nationale Zugehörigkeit kaum. Mehrmals soll er sich als Pole bezeichnet haben, die Memoiren verfasste er auf Französisch, erschienen sind sie zunächst als Übersetzung in Großbritannien – ein Kosmopolit, wie ihn eben die aufkeimende Aufklärung hervorbringen konnte, oder, mit anderen Worten, a typical representative of the period of the Enlightenment, the development of transport and trade, exploration of unknown regions. Nun, wer war eigentlich dieser Moritz August Benjowsky? Eine schlichte Antwort dürfte lauten: Slowakischer Abenteurer, Militär und König von Madagaskar, geboren 1741 Werbowa, Komitat Neutra, gestorben Ende Mai 1786 Madagaskar . Überhaupt fehlt es nicht an Versuchen, die zweifelsohne außergewöhnliche Persönlichkeit zu deuten: Abenteurer und Weltenbummler, slowakischer bzw. ungarischer Adliger, österreichischer Soldat und Offizier, polnischer Militärbefehlshaber, französischer Obrist, Seefahrer und Kolonist, König von Madagaskar, aber auch Visionär, Schachspieler und Pirat – die Schwierigkeiten ergeben sich eben aus dem unglaublich ereignis- und wendungsreichen Leben, das mit 40, bzw. 45 jäh ein Ende fand. In der Matrikel des Gymnasiums von Sankt Georgen (Svätý Jur nahe Bratislava/Pressburg) ist Beniowsky als slowakischer Adeliger aus Vrbové im Komitat Neutra eingetragen. Die ersten Sporen hat er sich im Siebenjährigen Krieg im Heer seiner damaligen Heimat Österreich verdient. Höchstpersönlich bei Maria Theresia in Ungnade gefallen, sah er sich gezwungen, Zuflucht in Polen zu suchen. Prompt fand er Anschluss an die einheimischen Widerständler und ereiferte sich für deren Kampf gegen den Zaren. In russische Gefangenschaft geriet er gleich zweimal, nach der zweiten, ebenfalls misslungenen Flucht wurde er vorsichtshalber bis nach Kamtschatka in die Verbannung geschickt. Dort organisierte er eine Verschwörung, kaperte mit seinen Leidensgenossen ein Schiff und stach in See. Über die Nordatlantische Route, lange vor J. Cook, an Macau, Formosa und Japan vorbei, erreichte er französische Küste. In Paris gelang es ihm, den König für die Idee der Kolonisierung des fernen Madagaskar, das er unterwegs streifte, zu begeistern und einen entsprechenden Auftrag zu bekommen. Auf der Insel ließ er sich prompt zum König vor Ort, einem Ampansacabe erklären. Da aber die erforderliche Unterstützung ausblieb, kehrte er zwei Jahre später nach Paris zurück. Mit Ehrungen überhäuft und zum General befördert, traf er dennoch nicht auf Verständnis, die nötigen Mittel blieben aus. Auch in England – später in Nordamerika – erging es ihm, trotz der Unterstützung B. Franklins, den er in Paris kennengelernt hatte, nicht anders. Die junge Nation wollte es sich mit Frankreich, einem bedeutenden Förderer, im Wettkampf um die Kolonien in Übersee nicht verscherzen. Mittlerweile von der österreichischen Kaiserin begnadigt, durfte Benjowsky heimkehren, im heutigen Spišská Sobota, weiland Georgenberg, harrte seiner Frau Susanne, eine Metzgertochter. Daheim zwar ebenfalls mit Ehren überschüttet stieß er bei Maria Theresia auf genauso taube Ohren, trotz der Teilnahme am Bayrischen Erbfolgekrieg gegen Preußen die Herrscherin war wiederum über ihre Tochter Marie Antoinette mit dem französischen Hofe liiert. Unverrichteter Dinge kehrte der frisch ernannte Graf auch von der erneuten Expedition in die Neue Welt heim, in England durfte er wenigstens seine Memoiren herausgeben. Erst die dritte Expedition nach Nordamerika brachte Erfolg, zwar nicht in politischen Kreisen, doch wenigstens unter Kaufleuten, die in seinen Plänen einträgliche Geschäfte witterten. 1785 erreichte also Benjowsky nach beinahe zehn Jahren Abwesenheit erneut die Küste von Madagaskar, diesmal begleitet von seiner Frau, die sich aus ihrer ungarischen Heimat bis hierher verschleppen ließ. Allerdings brachten ihn seine eigenmächtigen Unternehmungen, das Streben nach Unabhängigkeit in zunehmenden Konflikt mit der französischen Krone. Ein Jahr später, womöglich kaum vierzigjährig, fand er in einem Gefecht mit der vom französischen maritimen Ministerium entsandten Expedition den Tod. Deutsch erschienen die Memoiren Benjowskys 1790 bei Voss in Berlin und 1816 in Wien, noch vor dem französischen Original, Übersetzungen in weitere Sprachen folgten. Somit ist es Benjowsky, ansonsten kein von Gott begnadeter Erzähler, als bisher einzigem Slowaken gelungen, sowohl einen Weltbestseller zu landen als auch zu königlichen Würden zu gelangen. Sein Bericht, auch wenn er nur eine Zeitspanne von wenigen Jahren umfasst, kam dem Hunger seiner Zeitgenossen nach neuen Erkenntnissen – wie sie durch die umwälzenden Entdeckungen diverser Weltreisenden und Seefahrer genährt wurden – reichlich entgegen. Der Popularität des Werkes tat keineswegs Abbruch, dass der Verfasser nicht immer Dichtung von Wahrheit trennen konnte bzw. wollte, indem er unangenehme Tatsachen verschwieg oder wenig plausible, nicht nachvollziehbare Erklärungen für sie fand. Tatsächlich wurde er zum König nicht gewählt, sondern hat sich selber dazu erklärt, wenig Hemmungen legte er an den Tag, wenn es darum ging Schiffe zu überfallen, die sich in seine Territorialgewässer verirrt hatten (so gebührt ihm auch unter berühmten Piraten ein Ehrenplatz), oder einträglichen Sklavenhandel zu betreiben, woran man sich zu jener Zeit ohnehin nicht störte. Trotzdem wird sein Andenken auf der Insel, die ihm zum Schicksal wurde, bewahrt. Während nach der Erlangung der Unabhängigkeit die Namen ehemaliger Kolonisten, insbesondere der französischen, allesamt entfernt wurden, trägt eine der Hauptstraßen in der Hauptstadt Antananarivo nach wie vor den Namen Benjowskys, auch wird sein Grab in Ehren gehalten. ...ein Mann von rastloser Thätigkeit und von so mannigfaltigen und außerordentlichen Schicksalen, daß man seine Geschichte auf den ersten Blick für einen Roman hält, wiewohl die Echtheit derselben ohne Zweifel zu sein scheint , stellt das Lexikon fest. Nüchterner scheint die Einschätzung des polnischen Historikers Leon Orlowski zu sein, wonach Beniowsky über genauso viele Vorzüge wie auch negative Eigenschaften verfügte ungeachtet dessen bescheinigt er ihm einen ungebrochenen Wille, großen Mut und Phantasie sowie die Fähigkeit sowohl grenzenlosen Hass als auch Hingabe auszulösen. Kein Wunder also, dass die Biographie, wenn auch nur teilweise in den Memoiren festgehalten (für die Jahre 1770-1776), bald Stoff für Bearbeitungen lieferte. Den Grundstein legte, keineswegs überraschend, August Friedrich von Kotzebue (1761-1819), im 19. Jh. der meistgespielte Dramatiker auf deutschen Bühnen, im gesamten europäischen Kulturraum populär. Freilich überlebt er im Geschichtsbewusstsein nur dank der spektakulären Umstände seines Todes, während er in der Literaturgeschichte bestenfalls in Fußnoten Erwähnung findet.

Über den Autor

Ludovít Petraško, doc. PhDr., PhD, wurde 1949 in Prešov, Slowakei, geboren. 1967 trat er das Studium der Germanistik und Slowakistik an der Philosophischen Fakultät des Pavol-Jozef-Šafárik Universität in seiner Heimatstadt an, das er 1970-1972 an der Universität Rostock fortsetzte. Nach dem Abschluss des Studiums 1972 war er in Folge der einsetzenden Säuberungswelle nach dem Prager Frühling an der angestrebten Laufbahn des Germanisten gehindert. In den folgenden Jahren betätigte er sich als Fachmitarbeiter im literarischen Museum, Bibliothekar, Verlagslektor, am längsten freiberuflich als Autor, Übersetzer und Dolmetscher. Daneben arbeitete er mit Medien zusammen (Verlage, Funk, Fernsehen), als Literaturkritiker, Übersetzer, Lektor, Herausgeber, auch als Autor von zwei Prosabänden, einem Roman sowie einem Kinderbuch. Als Germanist im Hauptberuf ist er Autor von wissenschaftlichen Studien, außerdem Verfasser von zahlreichen Rezensionen, Funksendungen, einigen Hörspielen sowie einem Fernsehspiel. Seit 1990 ist er am Germanistischen Institut der Philosophischen Fakultät der Universität Prešov tätig, zuständig für die deutsche klassische Literatur sowie die Theorie des Übersetzens. Der vorliegende Titel ist das Ergebnis einer lang anhaltenden, wenn auch vielfach unterbrochenen Beschäftigung mit dem bisher kaum erforschten, ja nicht beachteten Thema der slowakisch-deutschen Beziehungen, und zwar auch außerhalb der Literatur.

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