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- „At least the Germans lost.“: Fremdwahrnehmung und Nationalismus in der Fußballberichterstattung der WM 2010 am Beispiel von THE SUN und BILD
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 136
Abb.: 27
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
‚ACHTUNG! SURRENDER. For you Fritz, ze Euro 96 Championship is over.’ So titelt die englische Boulevardzeitung DAILY MIRROR am 24. Juni 1996, zwei Tage vor dem EM-Halbfinalspiel Deutschland gegen England. Auf dem Titelbild sind die englischen Nationalspieler Stuart Pierce und Paul Gascoigne zu sehen, schreiend und mit Stahlhelmen. Daneben steht ein Kommentar von Piers Morgan, dem damaligen Chefredakteur der Zeitung. Überschrift: ‚Mirror declares football war on Germany.’ Wortwörtlich werden in dem Artikel Auszüge aus der Kriegserklärung Englands an Deutschland aus dem Jahr 1939 abgedruckt. Selbst für die englischen Boulevardmedien, in denen das Kraut-Bashing , also die Verunglimpfung Deutschlands mithilfe negativer Stereotype und NS-Anspielungen, Tradition hat, stellt diese Titelseite den Höhepunkt ihrer Deutschlandfeindlichkeit dar. Zehn Jahre später bei der WM 2006 in Deutschland macht vor allem die englische Presse eine Kehrtwende in ihrer Berichterstattung. Sowohl Qualitäts- als auch Boulevardzeitungen sind vom Gastgeberland Deutschland und seinen Einwohnern begeistert. The SUN berichtet über die positiven Erfahrungen tausender englischer Fans in Deutschland. KATHRIN OCH kommt nach einer empirischen Untersuchung englischer Tageszeitungen zu dem Ergebnis, dass sich das Bild der Deutschen in der englischen Presse stark verbessert hat, wenn auch ein Rest an Kriegsanspielungen übrig geblieben ist. Am Ende ihrer Arbeit wirft sie jedoch die Frage auf, ob sich das Bild wirklich nachhaltig verbessert habe oder ob die positive Berichterstattung nicht doch größtenteils auf die Gastgeberfunktion Deutschlands zurückzuführen sei. Ihre Zweifel sollten nicht unberechtigt gewesen sein: Schon im Vorfeld der WM 2010 macht wieder eine englische Boulevardzeitung mit Deutschlandfeindlichkeit auf sich aufmerksam. Der DAILY STAR zeigt im Januar 2010 Michael Ballack im schwarzen Ausweichtrikot mit der Überschrift ‚RETURN OF ZE BLACK SHIRTS’, eine Anspielung auf die schwarzen Uniformen der SS. Weiter schreibt die Zeitung: ‚Germany is set to kick up a Reich stink at the World Cup by playing in Nazi-style black shirts.’ Links neben Ballack findet sich ein Bild von Adolf Hitler. Also alles wieder wie gehabt? Diese Frage will die vorliegende Arbeit klären. Doch die Blickrichtung soll auch in die andere Richtung gehen, d. h. es soll untersucht werden, wie der deutsche Boulevard über die englische Mannschaft berichtet und ob die Rivalität auf Beidseitigkeit beruht. Um ein möglichst umfassendes Bild der gegenseitigen Fremdwahrnehmung zu erhalten wird zusätzlich untersucht, wie ausgeprägt der Nationalismus in der Fußballberichterstattung auf beiden Seiten vorhanden ist. Zur besseren Vergleichbarkeit werden in dieser Untersuchung die beiden auflagenstärksten und einflussreichsten Boulevardzeitungen des jeweiligen Landes, THE SUN und BILD, miteinander verglichen.
Textprobe: Kapitel: 6, Untersuchungskonzept: In den KAPITEL 2 bis 5 wurden die für die vorliegende Arbeit notwendigen theoretischen Grundlagen gelegt. Es wurden die Merkmale der Boulevard- und der Sportberichterstattung beleuchtet, der Prozess der Wahrnehmung wurde nachgezeichnet, es wurde die Verbindung von Stereotypisierung und Sportberichterstattung aufgezeigt und es wurde beschrieben, was Nationalismus ist und wie sich dieser in der Berichterstattung widerspiegelt. Ziel der vorliegenden Analyse ist es, Nationalismus und Fremdwahrnehmung, letzteres besonders in Form von Stereotypisierung, in der WM-Berichterstattung der deutschen Boulevardzeitung BILD und ihrem englischen Pendant THE SUN zu untersuchen. Als Mittel, um empirisch verwertbare Ergebnisse zu erhalten, wurde die Inhaltsanalyse gewählt. Werner Früh definiert sie als ‘empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen.’ In dieser Definition enthalten sind die wichtigsten zwei Gründe, warum die Inhaltsanalyse als etablierte wissenschaftliche Methode bezeichnet werden kann und sich besonders für die Stereotypenforschung bewährt: Sie eignet sich zum einen für Bewältigung großer Datenmengen mithilfe von einheitlichen Regeln. Zum anderen ist die Inhaltsanalyse intersubjektiv nachvollziehbar, sodass auch Unbeteiligte zu den gleichen Ergebnissen kommen. Bei der vorliegenden Untersuchung wird sie in quantitativer Weise verwendet. Damit die Inhaltsanalyse in konkret durchführbare Handlungen umgesetzt werden kann, müssen anhand forschungsleitender Fragen prüfbare Hypothesen aufgestellt werden. Um diese Hypothesen wiederum zu überprüfen, müssen objektiv nachvollziehbare Codieranweisungen erstellt werden. Die in den Codieranweisungen festgelegten Kategorien werden schließlich auf ihre Häufigkeit innerhalb der Analyseeinheiten überprüft. Im Folgenden wird das Untersuchungskonzept und alle für die Untersuchung wichtigen Schritte und Merkmale näher vorgestellt. 6.1, Forschungsleitende Fragen: Forschungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist Nationalismus und Fremdwahrnehmung in jeweils der größten deutschen und englischen Boulevardzeitung bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010. Daraus ergeben sich die folgenden forschungsleitenden Fragen: 1. Weist die Fußballberichterstattung in den beiden Boulevardzeitungen BILD und THE SUN nationalistische Merkmale auf? 2. Weist die Fußballberichterstattung in den beiden Boulevardzeitungen BILD und THE SUN stereotypisierende Tendenzen auf? 3. Sind die verwendeten Stereotype der BILD gegenüber England und der SUN gegenüber Deutschland positiv oder negativ? 6.2, Hypothesen: Aus den oben genannten forschungsleitenden Fragen ergeben sich für diese Arbeit die folgenden Hypothesen: H1: Die Boulevardzeitungen BILD und THE SUN weisen nationalistische Tendenzen in ihrer WM-Berichterstattung auf. Wie bereits beschrieben wurde, besitzt der Sport bei großen internationalen Turnieren die Fähigkeit, nationale Identität herzustellen und zu stärken. Dies ist besonders in der Sportberichterstattung in den Massenmedien zu beobachten: Wie in verschiedenen Studien festgestellt wurde, weist die Berichterstattung bei allen untersuchten Fußballweltmeisterschaften nationalistische Tendenzen auf. Da die ‘nationalistische Perspektive’ eine integrale Strategie der Boulevardzeitung auch außerhalb der Sportberichterstattung darstellt, ist zu erwarten, dass sie dort besonders stark auftreten wird. Für ein Auftreten nationalistischer Berichterstattung spricht außerdem, dass besonders Boulevardmedien einen gezielten Nationalismus als werbewirksames Instrument einsetzen. H2: Die Fußballberichterstattung in den beiden Boulevardzeitungen BILD und THE SUN weist stereotypisierende Tendenzen auf. Wie in KAPITEL 4 beschrieben, hat sich in der internationalen Fußballberichterstattung ein relativ festes Schema von nationalen Stereotypisierungen entwickelt. Da Sportjournalisten besonders hartnäckig an diesen Strukturen festhalten, ist zu erwarten, dass die beschriebenen Stereotype auch in der Berichterstattung zur WM 2010 auftreten werden. H3: Die Fußballberichterstattung der SUN gegenüber Deutschland und die der BILD gegenüber England weisen mehr negative als positive Stereotype auf. Wenn Deutschland im Fußball auf England trifft, dann treffen zwei alte Rivalen aufeinander. Mehr als in den Qualitätszeitungen schlägt sich diese Rivalität deutlich in der Boulevardberichterstattung nieder. Hier werden die gängigen, meist negativen, Stereotype bemüht. Da sich die beiden Mannschaften im Achtelfinale auch direkt gegenüber standen, ist zu erwarten, dass die negativen Stereotypisierungen überwiegen werden. H4: Das Bild der englischen Boulevardzeitung THE SUN gegenüber Deutschland hat sich nicht nachhaltig verbessert. Die von OCH festgestellte Verbesserung war nur ein Effekt der Gastgeberfunktion Deutschlands. Auch wenn es sich im Fußball bei Deutschland und England um eine gegenseitige Rivalität handelt, ist aus der Vergangenheit ersichtlich, dass diese stärker von englischer Seite ‘befeuert’ wurde. Wie OCH in ihrer Untersuchung feststellte, hatte sich das Deutschlandbild in der englischen Presse bei der WM 2006 deutlich verändert. Der Gebrauch negativer Stereotype ging im Vergleich zu den zwei vorhergehenden Turnieren stark zurück. Die positiven Stereotype überwiegten deutlich auch wenn Kriegsmetaphorik noch stark vertreten war. Doch schon im Vorfeld der WM 2010 bei der Vorstellung der deutschen Auswärtstrikots machte die englische Boulevardpresse mit übertriebenen Nazi-Vergleichen wieder auf sich aufmerksam. Daher ist anzunehmen, dass besonders durch das direkte Aufeinandertreffen der beiden Mannschaften, die SUN negative Stereotype und Anspielungen auf Nazi-Deutschland und den 2. Weltkrieg verwenden wird. 6.3, Gliederung der Untersuchung: Die Analyse untergliedert sich in die folgenden drei Teile: 1. Eine formale Analyse aller Artikel der Sportberichterstattung, die entweder einen Deutschland- oder Englandbezug haben. 2. Eine Analyse der Artikel, die das Spiel Deutschland gegen England thematisieren (Spielberichte sowie Vor- und Nachberichterstattung). 3. Eine Analyse aller Titelseiten im Untersuchungszeitraum. Begründung für den dreiteiligen Aufbau der Studie: Um einen groben Überblick über die von den Zeitungen geleistete Fußballberichterstattung über die betreffenden Nationalmannschaften zu bekommen, werden alle Artikel, die entweder Deutschland oder England thematisieren nach formalen Gesichtspunkten erfasst. Für die inhaltliche Analyse nach stereotypisierenden und nationalistischen Tendenzen kann jedoch keine Vollerhebung über alle betreffenden Artikel im Analysezeitraum durchgeführt werden. Dies würde den Umfang dieser Arbeit sprengen. Stattdessen liegt der Fokus auf dem Achtelfinalspiel Deutschland gegen England, da anzunehmen ist, dass sich Nationalismus und Stereotypisierung hier besonders herauskristallisieren werden. Die Titelseiten werden getrennt untersucht, da sie den wichtigsten Teil einer Boulevardzeitung darstellen und ihre Macher besonderes Augenmerk auf sie legen. Das Analysemuster wird hierfür größtenteils von der inhaltlichen Analyse übernommen. Das detaillierte Analysemuster bezüglich der verwendeten Stereotype wurde hier vereinfacht und andere, titelseitenspezifische Kategorien wurden hinzugefügt. 6.4, Operationalisierung: 6.4.1, Formale Untersuchung: Bei dieser ersten Stufe der Analyse werden alle Artikel der BILD und der SUN untersucht, die sich thematisch entweder, um die deutsche oder die englische Nationalmannschaft drehen. Untersucht wird hier jedoch aufgrund der großen Datenmenge nur nach formalen Gesichtspunkten. Diese umfassen Merkmale wie beispielsweise Umfang oder Darstellungsform. Diese Untersuchungsmerkmale lassen Rückschlüsse auf die Themengewichtung und somit auch auf mögliche nationalistische Tendenzen der Zeitungen zu. 6.4.2, Inhaltliche Untersuchung: Wie oben bereits beschrieben wurde, beginnt dieser enger gesteckte Untersuchungszeitraum der inhaltlichen Analyse am 24. Juni als klar war, dass die beiden ‘alten Rivalen’ im Achtelfinale der WM aufeinandertreffen würden. Um nationalistische Tendenzen nachweisen zu können, wurden mehrere aus der Theorie abgeleitete Codieranweisungen entwickelt. So wird beispielsweise geprüft, ob die Zeitung die vorgestellte Gemeinschaft beschwört (‘Wir’-Form), ob sie Partei für die ‘eigene’ Mannschaft ergreift und ob sie Spieler und Trainer der eigenen Nation heroisiert und die der anderen beleidigt. Neben der Analyse der Artikel werden auch die verwendeten Fotos untersucht. Hier wird Augenmerk darauf gelegt, wer auf den Bilder zu sehen ist und ob primäre oder sekundäre nationale Symbole abgebildet werden. Die Bedeutung der Stereotype im Bezug auf die Wahrnehmung wurde in KAPITEL 4 ausführlich beschrieben. Aufbauend auf dieser Erkenntnis fokussiert die Untersuchung auf die Verwendung der oben beschriebenen deutsch-englischen Stereotype. Diese werden in negative und positive Stereotype getrennt und in Gruppen mit ähnlicher Semantik unterteilt. Um die Anzahl der zu untersuchenden Artikel bei dieser umfangreichen Analyse nicht unnötig zu vergrößern, werden nur Artikel analysiert, die größer als 25 Prozent der Seite waren. Da Meinungsäußerungen des Autors und somit stereotype und nationalistische Tendenzen eher in den größer angelegten Berichten und Kommentaren zu erwarten sind, sollte diese Restriktion die Analyse nicht maßgeblich beeinflussen. 6.4.3, Titelseitenuntersuchung: Untersucht werden hier alle Titelseiten der BILD und der SUN innerhalb des Untersuchungszeitraums, wobei nur die Titelseiten näher analysiert werden, die die WM als Aufmacher hatten. Das angewendete Analysemuster orientiert sich größtenteils an dem der inhaltlichen Analyse. Die Kategorien zur Untersuchung der Stereotype werden jedoch vereinfacht: Die Stereotypisierungen bzw. Attributierungen werden für die Titelseiten lediglich in positiv oder negativ für die jeweilige Nation unterteilt. Dafür werden zusätzliche Untersuchungsraster hinzugefügt, die die besondere sprachliche Gestaltung der Titelseiten berücksichtigt und damit die Fremdbilder unterstützen.
Florian Wenz, Dipl. Germ., wurde 1985 in Ruthweiler geboren. Sein Studium der Germanistik mit Schwerpunkt Journalistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg schloss er 2012 mit dem akademischen Grad des Diplom Germanisten erfolgreich ab. Bereits während seines Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen im Journalismus und in der Unternehmenskommunikation. Sein Interesse an der britischen und deutschen Zeitungslandschaft im Allgemeinen und an der Fußballberichterstattung im Speziellen motivierte ihn, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.
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