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- Archäologie zwischen Wissenschaft, Medien und Öffentlichkeit: Archäologievermittlung in populären TV-Dokumentationen
Gesellschaft / Kultur
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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 336
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Kaum ein kulturwissenschaftliches Fach ist in den Medien in solcher Weise positiv besetzt wie die Archäologie. Mit diesem Privileg wird jedoch leichtsinnig umgegangen. Die vorliegende Untersuchung versteht sich als Aufruf zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Fach Archäologie und einer sozial verantwortlicheren, öffentlich engagierteren und damit relevanteren Archäologie. Das Buch widmet sich der Repräsentation des Faches und der Inszenierung archäologischer Inhalte in einem Medium, über das ein Großteil der Bevölkerung mit Archäologie in Kontakt kommt. Im Rahmen einer vergleichenden Analyse und Bewertung einer Auswahl an archäologischen TV-Dokumentationen wird der Frage nachgegangen, welche archäologiebezogenen Inhalte sie transportieren, welche öffentlichen Bilder und Assoziationen sie prägen und in welcher Relation diese zur archäologischen Realität stehen. Neben methodischen Anleihen in der Filmanalyse und unter Zuhilfenahme geschichtswissenschaftlicher Ansätze wird eine archäologische Perspektive auf den Untersuchungsgegenstand geboten. Bei aller scharfen Kritik an archäologisch fragwürdigen Formaten verfällt die Forschungsarbeit jedoch nicht einer einseitigen Medienschelte. Entgegen typisch wissenschaftlichen Abwehrreflexen lässt sich dem Fernsehen keine alleinige Verantwortung für problematische Dokumentationen zuweisen. Archäologen tragen eine Mitverantwortung für die öffentliche Repräsentation ihres Faches, v.a. wenn sie unreflektiert ihre Rolle bei der Mitgestaltung und Perpetuierung stereotyper Bilder einnehmen und sich medial regelrecht durch den Kakao ziehen lassen! Ziel dieser Untersuchung ist die Sensibilisierung der archäologischen Wissenschaft für ihre Öffentlichkeit, damit archäologische Inhalte in Zukunft adäquater vermittelt werden können. Ein Teil der Fachwelt erachtet es zunehmend als notwendig, die Fremd- und Eigeninszenierung kritisch zu hinterfragen und aktiver mit der Gesellschaft in einen Dialog zu treten. Eine grundlegende Auseinandersetzung zu Fragen von Archäologie und Gesellschaft und der generellen Bedeutung von Archäologie findet in der deutschsprachigen Archäologie jedoch nach wie vor wenig statt. ‚Populär‘ wird fachintern immer noch mit ‚unwissenschaftlich‘ gleichgesetzt. Eine aktive Vermittlungsarbeit archäologischer Sachverhalte wird offenbar als nicht genuiner Forschungsgegenstand besonders in den öffentlichen Medien für nicht forschungsrelevant erachtet. Gerade angesichts eines boomenden Archäologiemarktes darf das Fach die Domäne der Archäologievermittlung aber nicht unkommentiert oder einseitig klagend anderen überlassen. Der Disziplin wird von den Medien und der Gesellschaft eine Deutungskompetenz zuerkannt. Archäologie folgt historischen Fragestellungen und erzählt Geschichten. In ihren Händen liegt ein wesentlicher Teil der Verantwortung, Geschichte darzustellen und zu interpretieren. Daraus resultiert ihre Breitenwirkung! Diesen Kredit darf sie nicht verspielen! Mit Gegenwartsvergessenheit und fehlenden Bezügen zu aktuellen Fragen unserer Zeit riskiert sie ihre Legitimation und damit ihren gesellschaftlichen und akademischen Rang.
Textprobe: Kapitel 4.1.1.2, Fundnachbearbeitung: Die wissenschaftlichen Bearbeitungen und Untersuchungen, die nach der eigentlichen Fundfreilegung stattfinden, bilden ein fundamentales Element des archäologischen Erkenntnisprozesses und werden daher vorwegnehmend auch im Rahmen der archäologischen Tätigkeiten kurz angesprochen, im Kapitel zur Darstellung des Fundes wird dann noch weiterführend auf die interpretativen Aspekte dieses Prozesses und die unterschiedlichen Präsentations- und Aggregatszustände eingegangen. Die Überlegung, ob man dem Zuschauer diesen grundlegenden Aspekt des archäologischen Prozesses im Rahmen einer Dokumentation näher bringt oder nicht, entscheidet maßgeblich darüber, wie realistisch und vollständig das Bild der archäologischen Arbeit gezeichnet wird. Nicht die Fundfreilegung entscheidet über die Bedeutung des Fundes, sondern seine weitere Interpretation. Eindeutige Aussagen entstehen dementsprechend bei der Betrachtung der drei Dokumentationen. Während ‘Karthagos geheime Kolonien’ diesen Bereich fast komplett ausspart, wird er in ‘Die Schlacht am Harzhorn’ hin und wieder, am häufigsten aber in ‘Rätsel Römerschlacht’ dargestellt (vgl. Komponententabelle). Die Szenen, in denen eine nachträgliche Bearbeitung und Untersuchung der Grabungsfunde im Rahmen der Harzhornfilme eine Rolle spielt, sind meist Fundbearbeitungen durch Restauratoren oder Gespräche unter Archäologen, bei denen einzelne Funde untersucht und zugeordnet werden. Bei ‘Karthagos geheime Kolonien’ findet sich nur eine Sequenz, die diese Phase nach der Grabung thematisiert. In Selinunt werden, nach einer Szene der Beschreibung und Veranschaulichung unterschiedlicher griechischer und punischer Mauertechniken, Keramikuntersuchungen vorgestellt. Der Kommentar bemerkt dazu: ‘Auch die Keramikdetektive sind Karthagern und Griechen auf der Spur.’ Auf langen Tischen im Freien ist Keramik ausgelegt, die von Wissenschaftlern untersucht wird. Der Kommentar erklärt, dass über chemische Analysen des Tons Aussagen über die Herkunft gemacht werden können. ‘Schon die ersten Ergebnisse zeigen: Einige sind von weit her importiert. Viele stammen aus Nordafrika.’ Zunächst ist positiv zu bewerten, dass die Keramikbearbeitung, ein wenig fotogener Prozess, überhaupt Eingang in die Darstellung findet. Dem Zuschauer wird vermittelt, dass sich über die Keramikanalyse wichtige Informationen zur Herkunft von Funden ergeben können. Die ‘Keramikdetektive’ liefern jedoch entgegen den Versprechungen keine neuen Hinweise, um Karthagern und Griechen ‘auf die Spur zu kommen.’ Der Zuschauer wird mit einem vorbeiziehenden Bilderteppich zu Wissenschaftlern, Untersuchungsgeräten, Zahlenkolonnen und Keramikfunden versorgt, entsprechende Informationen, um diesen Prozess als Zuschauer sinnvoll zu erfassen, fehlen jedoch. Weder Kommentar noch Wissenschaftler im O-Ton geben Auskünfte, stattdessen werden im Stile amerikanischer Ermittlerserien wie ‘CSI’ und Co nur einzelne Spots gesetzt. Ein ‘Biochemiker’ untersucht etwas mit dem Vergrößerungsglas, eine Frau mit Mundschutz entnimmt Keramikproben mit Hilfe einer Bohrmaschine, ein Geologenhammer liegt auf Kartenmaterial, der ‘Biochemiker’ vergleicht Zahlenkolonnen, die Frau fährt Keramiktabellen mit der Lupe ab. Keines dieser Bilder wird erklärt oder eingeordnet, weiterführende Informationen, die über die nordafrikanische Herkunft einiger Funde hinausgehen, werden nicht vermittelt, die Szene lebt einzig von der investigativen Atmosphäre. Bis auf diese Szene wird in ‘Karthagos geheime Kolonien’ die Darstellung der Fundbearbeitung nach der eigentlichen Grabung nicht thematisiert und gerät somit im Vergleich zu den Grabungsszenen völlig in den Hintergrund. Umso gravierender erscheint es, wenn die einzige Szene des Filmes, die darauf eingeht, ein so unscharfes und wenig informatives Bild zeichnet. Da die Szenen der nachträglichen Fundbearbeitung in den Harzhornfilmen auf Grund der dramaturgischen Gestaltung unmittelbar mit der Auffindung der Objekte und deren Präsentation zusammenhängen, wird darauf im Kapitel zu den Funden detailliert eingegangen, der Beschäftigung mit dem Fund im Rahmen der Restaurierung widmet sich das Kapitel zum interdisziplinären Arbeiten. Beide Dokumentationen räumen der ‘Postgrabungsphase’ der archäologischen Arbeit einen deutlich größeren Raum ein. In mehreren Sequenzen wird auf diesen Prozess eingegangen. Zu sehen sind die fotografische Dokumentation von Funden, die Untersuchungen und Bearbeitungen durch Restauratoren und die anschließende Zuordnung, Einordnung und Bewertung der restaurierten Funde durch die Archäologen. Diese Darstellung illustriert einen größeren Abschnitt der Bearbeitungen, denen Funde im Laufe ihrer wissenschaftlichen Laufbahn unterzogen werden, und vermittelt insofern ein vollständigeres und realistischeres Bild der Arbeit des Archäologen, als dies ‘Karthagos geheime Kolonien’ vermag. Der Archäologe oder Grabungstechniker kann bei der Fundbergung zunächst nur Arbeitshypothesen abgeben, die erst im Laufe weiterer Untersuchungen ein konkreteres Bild ergeben. Dieser Tatsache widmen sich beide Harzhornfilme, jedoch mit einer unterschiedlichen Gewichtung. Während ‘Die Schlacht am Harzhorn’ noch mehr Grabungsszenen als Szenen der Fundnachbearbeitung zeigt, dreht sich das Verhältnis in ‘Rätsel Römerschlacht’ eindeutig um. In Ergänzung des Ermittlungsstils der Sendung ist eine Verlagerung zu erkennen, weg von der Illustration der Grabungsabläufe, hin zu einer stärker ergebnisorientierten Dramaturgie und der Beleuchtung des Erkenntnisprozesses, die Fundnachbereitung nimmt doppelt so viel Raum ein wie die eigentlichen Grabungsszenen.
Barbara Winkelmann (Magistra Artium) schloss 2012 erfolgreich ihr Studium der Klassischen Archäologie und der Archäologie und Kulturgeschichte Nordostafrikas an der Humboldt-Universität Berlin ab.
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