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Geschichte

Heide Marie Herstad

Vom Kunstwerden und Kunstsein. Wandlungsprozesse von Kunstverständnis und Kunstrezeption

ISBN: 978-3-96146-513-2

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2017
AuflagenNr.: 1
Seiten: 180
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kunst ist eine Interaktion zwischen dem Menschen in seinem individuellen Sein, einem manifesten, flüchtigen und/oder eingebildeten Gegenstand und den Fremdeinwirkungen und Manipulationen der Umwelt. Dieses Thema behandelt die Autorin in vier Artikeln: Erstens diskutiert sie das Ineinander-Filzen von Kunst als Identität, als ästhetischem und musikalischem Ausdruck sowie als Marktinteresse und Politik. Zweitens diskutiert sie die Kunst im politischen Kontext. Kunst kann als strukturelles, visuelles, rhythmisches und akustisches Erlebnis zur Verführung, Manipulation und Hypnose der Menschen ge- und missbraucht werden. Drittens betrachtet sie Kunst im Kontext von Wirklichkeitswandlungen. Dieser Artikel konzentriert sich auf die theoretische Kunstdebatte und auf die Vermarktung der Kunst. Denn wenn Kunst nach dem Börsenwert definiert wird, wird die gesamte Kunstdebatte null und nichtig. Auf dem Markt kann alles über einen Leisten geschlagen werden. Hier gibt es keine Abgrenzungen zwischen dem Schönen, Banalen, Absurden, Grotesken, Phantastischen und der Fiktion. Kunst als reiner Marktwert wird in sich selber absurd. Das ist das Ende der Kunst. Ist das das Ende der Kunst? Kunst wurde im Laufe der Jahrtausende immer wieder zu Grabe getragen. Kunst als Teil des Lebens und einer Lebensvorstellung ist immer noch lebendig. Das ist das Thema des vierten Artikels.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel I.8 Die ethnische Identität: Eine ethnische Identifikation ist nach Ashcroft, Griffiths und Tiffin eine positive Identifikation mit einer Gruppe. (Vgl. Ashcroft, Griffiths, Tiffin, 2003: 81f.) Die ethnische Zugehörigkeit ist eine relative Größe, abhängig von Zeit und Raum. Ethnie vom griechischen Volk, Stamm (Duden, 1971) wurde umdefiniert als kulturelle und/oder genetische Zugehörigkeit. (Vgl. Hylland Eriksen, 2003: 12f.) Die Zugehörigkeit zu ethnischen Gruppen signalisiert eine Form von individueller Machtlosigkeit, die innerhalb der Gruppe politischen oder sozialen Einfluss oder Macht absichert. Wichtige Elemente zur Gruppenbildung sind nach Ashcroft, Griffiths und Tiffin: kinship patterns, physical contiguity, religious affiliation, language or dialect forms, tribal affiliation, nationality, physical features, cultural values, and cultural practices such as art, literature and music. (Ashcroft, Griffiths, Tiffin, 2003: 84) Bei der ethnischen Identität handelt es sich also um ein menschliches Kollektiv, das sich durch seinen Glauben charakterisiert. In der Regel berufen sich die Mitglieder auf eine gemeinsame Vorgeschichte und gemeinsame Ahnen. Die Größe der Gruppe ist unterschiedlich, die Grenzen und Abgrenzungen sind schwankend. Thede weist speziell auf das Problem der Absteckung der Grenzen hin. (Vgl. Thede, 2000: 296ff.) Die ethnische Identität sei innerhalb der Gruppe, wenn die Mitglieder der Gruppe unter sich sind, stärker als zur Randzone hin. Demgegenüber gäbe es andere Theorien, wonach die ethnische Identität stärker wäre in Kontakt mit anderen. (Vgl. Thede, 2000: 296ff.). Dann gäbe es wieder Theorien, wonach die Grenzen der Identität sich ändern, abhängig vom Zeitpunkt, von der Situation und der Veränderung des Selbst. Thede fragt, ob diese Grenze konzeptualisiert werden kann als einen Ort der Aufteilung oder eine Einteilung in Sektionen am Grenzpunkt der Unterschiede, die durch die Grenze Bedeutung erlangt? (Vgl. Thede, 2000: 297) Derart konzeptualisiert ist die Grenze der ethnischen Front das ausschlaggebende Gewicht und das Resultat eines symbolischen Sich-Verschließens. Das gibt die Dynamik der Grenzen zwischen den Gruppen, innerhalb dessen der Staat eine Schlüsselrolle spielt (Vgl. Thede, 2000: 298 Hylland Eriksen, 2003: 127, 142ff). Die Tatsache der Rassenmischung ist hierbei wichtig, da sich historisch gesehen alle menschlichen Gruppen in einem Prozess der Vermischung konstituieren. Es gibt von hierher gesehen keine ethnisch reinen Gruppen. (Vgl. Hylland Eriksen, 2003: 13) Trotzdem kann man nach Thede von ethnischen Gruppen sprechen, weil sie sich symbolisch konstituieren. (Vgl. Thede, 2000: 300 Hylland Eriksen, 2003: 79, 91, 127) Alle Identität ist eine Art, die Unterschiede zu organisieren und die Bedeutungsgebung zu aktualisieren. Wie Thede bestätigt, ist hierbei das Ritual ein wichtiges Mittel, die Einheit und die Identität symbolisch zu bestätigen, dessen Fragwürdigkeit immer ein Problem der Reproduktion der Gruppe herstellt. Die rituelle Handlung selbst kommt hierbei ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Nach Thede ist der Ritus eine Form der Vermittlung der doppelten Polarität der Identität l’expression symbolique de la fonte, défonte et refonte des identités. (Thede, 2000: 301), das heißt, der Ritus ist ein symbolischer Ausdruck der Verschmelzung, der Entschmelzung , der Trennung, des Umschmelzens und der erneuten Bearbeitung. Auch das Ritual muss als eine soziale Praxis betrachtet werden. Die ethnische Identität hat nach Thede einen veränderlichen Charakter. Dieser Charakter ist flüchtig und kaum greifbar. (Vgl. Thede, 2000: 302) Die ethnische Identität ist ein zerbrechlicher Konsensus. Sie ist vieldeutig und kann unterschiedlich interpretiert werden. Die ethnische Identität ist das Produkt der Kräfteverhältnisse sowohl im Innern der Gruppe als auch in Relation zu anderen (Vgl. Thede 2000: 290). Von hierher gesehen ist der Flamenco ein ritueller Akt. Er ist kulturell und sozial konstituiert und wird ästhetisch vermittelt. Dieser rituelle Akt gewährt die Identifikation mit dem Anderen in der Kunst. Im Augenblick der Wiedererkennung ist er die Identifikation mit sich selbst im anderen. Dieser Prozess realisiert sich in Polarisation zum Fremden, zum Außenseiter, zu dem, was nicht zur Insider Gruppe gehört. Die ethnische Identität etabliert sich in, mit und durch diese Abgrenzung zum anderen. (Vgl. Hylland, Eriksen, 2003: 28ff.) Jedes Eindringen des Fremden ist eine Drohung. Das ist die Zerstörung der Identität. Das ist die Zerstörung einer Ideologie als Lebensgrundlage. Wenn aber die Kunst, der Flamenco das Mittel und die Basis der ethnischen Identität darstellt und damit zum Zentrum der rituellen Handlung wird, muss sie vor dem Fremden abgesichert werden, da sie die Exklusivität des Eigenen sichert. Jeder Zugriff eines Nicht-Zigeuners auf den Flamenco ist eine Bedrohung der Existenzgrundlage der ideologischen Basis. Gleichzeitig ist der Flamenco ein Produkt, er hat einen Marktwert. Für die Zigeunerartisten ist er die ökonomische Absicherung ihrer Lebensexistenz. Hier kommen die Zigeuner als Künstler in eine zwiespältige Situation. Von ihrer Identität her sind sie gezwungen, die Kunst als die ihre abzuschirmen und vor dem Zugriff von Fremden zu sichern. Von ihrer physischen Existenz her sind sie gezwungen, ihre Kunst zu verkaufen. Ihre Lebensphilosophie, ihre ideologische Existenzgrundlage und ihre Identität als Angehörige einer ethnischen Gruppe werden damit öffentlich exponiert und zur Schau gestellt. Mehr noch, diese Identität, das, was sie abschirmen wollen und was sie vor jedem Zugriff schützen müssen, wird zu einem Verkaufsobjekt. Damit wird es den Bedingungen des Marktes angepasst. Es wird dem Zugriff eines Netzwerkes der Vermarktung preisgegeben. Dieses Netzwerk wird von den Produktionsbedingungen dirigiert. Das sind die Publikation, der Vertrieb und die globale Verbreitung. Die Reinheit des Flamencos ist von hierher der Mythos, sich auf ein obskures Gebiet zurückzuziehen, um die eigene Identität zu schützen. Aber diese Identität, die es zu schützen gilt, wird immer auch öffentlich zur Schau gestellt ist. Hier kommt nach Thede die Bedeutung der Grenzen hinein, denn dieser Mythos der Reinheit des Flamencos ist umso undurchdringlicher, dunkler und unzugänglicher je stärker der Zugriff der Umwelt ist. Eine ganz besondere Bedeutung bekommt dies in der öffentlichen Ausübung vor Fremden, vor Nicht-Zigeunern wie auf Flamencofestivals, auf Tourneen im Ausland und in der Vermarktung der Kunst in Filmen, Videos und auf CD‘s. Dieser Mythos ist aber gleichzeitig auch das, was vermarktet wird, er ist in sich selbst ein Verkaufsobjekt. Das heißt aber, der Mythos, der die Kunst vor dem Zugriff von Fremden schützen soll, ist in sich selber ein Objekt und Produkt der Vermarktung. Das Milieu, das sich um diesen Mythos bildet, ist darum ambivalent. Der Kern konstituiert sich aus dem Künstlermilieu selbst. Hierum versammelt sich der Kreis der Liebhaber des Flamencos, der aficionados und der Fanclubs, der peñas . Das Ganze wird finanziell von einem Netzwerk der Vermarktung getragen, von den Produktionsmöglichkeiten und -bedingungen und von der globalen Verbreitung, der den Mythos selbst als Verkaufsobjekt ausbeutet. (Vgl. Cortés, J., 1996, Mazzini, 1998, Saura, C., 1981, 1983, 1986 und 2004) Das, was beschützt werden soll, wird damit doppelt exponiert. Einmal wird das Kunstobjekt zum Verkauf angeboten, zum anderen wird das Bollwerk, das dieses Kunstwerk beschützten soll, der Mythos des Zigeuners, auch zur Schau gestellt und für den Verkauf zurecht gemacht. Die Ideologie des Mythos vom Flamenco hat von hierher eine doppelte Basis und Ausgangsposition. Jede Reflexion auf und jede Diskussion über den Mythos von der Reinheit des Flamencos bewegt sich in einer Ambivalenz zwischen zwei verschiedenen Ideologiegrundlagen und Wirklichkeitsmodellen. Wir haben immer die Wirklichkeit der ethnischen Identität der spanischen Zigeuner und gleichzeitig die Wirklichkeit der Kunst als Verkaufsobjekt. Dieses Zusammenspiel von der Abschirmung der ethnischen Identität bis zu den Mechanismen der Vermarktung hat Folgen für die Ausübung des Flamencos und für die Darbietung und die Rezeption der Kunst. Wie kommt dies auf dem Flamencofestival in Mont de Marsan zum Ausdruck?

Über den Autor

Heide Marie Herstad, geboren 1943, erwarb 1968 am Abendgymnasium der Stadt Dortmund das Abitur auf dem zweiten Bildungsweg. Es folgten 1973 der Magister Artium in Theaterwissenschaft und Germanistik an der Freien Universität Berlin, 1990 der Bachelor in Französisch und 1991 das pädagogische Staatsexamen für die Fächer Deutsch und Französisch als Fremdsprache an der NTNU, der Universität in Trondheim, Norwegen. 2001 erwarb die Autorin den Dr. phil. in Dramapädagogik an der philosophischen Fakultät der Universität in Jyväskylä, Finnland. 2006 erwarb sie den Master Degree in Tanzwissenschaft an der NTNU in Trondheim in Zusammenarbeit mit der Universität in Stockholm, Schweden und der Universität in Kopenhagen, Dänemark. Die Autorin hat an mehreren norwegischen Gymnasien Deutsch und Französisch als Fremdsprache unterrichtet. Außerdem unterrichtete sie an der Hochschule in Alta Drama.

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