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Geschichte

Johann Gutjahr

Ritter und Samurai: Kriegerische Vorstellungswelten

ISBN: 978-3-8428-9860-8

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

‘Samurai’ und ‘Ritter’ sind Begriffe von großer medialer Popularität, die vielfältige Bedeutungen in sich bündeln. Die populäre Literatur beschäftigt sich mindestens ebenso häufig mit diesen Themen wie die wissenschaftliche Forschung. Außerdem werden die Begriffe immer wieder in moderne Zusammenhänge gesetzt. ‘Warum gelten Yakuza als Erben des Bushidô, ('Weg des Kriegers‘)?’, heißt es in der Beschreibung zu einer japanischsprachigen Monographie, welche das Männlichkeitsbild von Yakuza (organisierte Kriminalität in Japan) und Samurai einander gegenüberstellt. ‘Die Rückkehr der Samurai – Japans Wirtschaft nach der Krise’ lautet der Titel einer deutschen Publikation, welche den Begriff in einen ganz anderen Kontext stellt. Eine Monographie zum Nationalsozialismus trägt den Titel ‘Ritter, Landsknecht, Legionär: militärmythische Leitbilder in der Ideologie der SS’. Ein populärpsychologisches Werk heißt ‘Die Tyrannei der edlen Ritter: Männer, die Frauen retten wollen’. Schnell wird deutlich, dass beide Begriffe dem Bedarf entsprechend und z.T. sogar semantisch unscharf gebraucht werden. Ein mentalitätsgeschichtlicher Vergleich zweier voneinander unbeeinflusster Gesellschaftsstände schafft Verständnis für historisch gewachsenen Phänomenen jenseits von Nationalgeschichte. Dieser Ansatz fußt auf einer weltgeschichtlich ausgerichteten Perspektive, die sich vom gewohnten Eurozentrismus zu entfernen und den Fragehorizont zu erweitern vermag.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Historischer Abriss: 2.1, Entstehungsgeschichtliche Betrachtung der japanischen Samurai: Grundsätzlich lassen sich drei Phasen beschreiben, die im altertümlichen (kodai) und mittelalterlichen (chûsei) Japan die politische Landschaft prägten. In der ersten Phase wurden die dichter besiedelten Gebiete Zentraljapans bis etwa zur Mitte des 7. Jahrhunderts von mehreren mächtigen Adelshäusern regiert, unter denen die Yamato primus inter pares waren. Daraus ergibt sich die Epochenbezeichnung der ‘Yamato-Zeit’. Die Taika-Reformen unter dem Tennô Tenji ab 645 bedeuteten eine Umstrukturierung nach chinesischem Vorbild. Diese zweite Phase war durch zentralstaatliche Prinzipien geprägt alles Land unterstand dem Staat, der Kaiser war überpersönlicher Herrscher und konnte selbst keinen Grundbesitz haben. Seit Mitte des 10. Jahrhunderts wurden schließlich bestimmte Familien des Hofs mit der Waffenfähigkeit in Verbindung gebracht, und nicht mehr nur einzelne Individuen. Adelsfamilien wurden nun auch mit bestimmten Posten und Ämtern in einen erblichen Kontext gestellt. Im Zuge der Privatisierung der Landeinheiten (shôen ??) akkumulierten Hofadlige und große Tempel umfassenden Grundbesitz. Die dritte Phase schließlich wurde durch die Einrichtung der Militärherrschaft in Kamakura eingeläutet, wodurch militärische Gewalt und Landbesitz nicht mehr allein durch den Hof legitimiert werden konnten. Bis zum Ende des 12. Jahrhunderts war privater Landbesitz ohne Involvierung von Hofadligen noch undenkbar gewesen. Der Aufruf Kaiser Mochihitos, ihm gegen rebellische Einheiten der Taira beizustehen, wurde von Minamoto no Yoritomo ausgeweitet dieser machte potenziellen Anhängern extravagante Versprechungen, um eine regionale Streitmacht aufrecht erhalten zu können: er garantierte im Gegenzug zu einem Treueschwur Ländereien und Ämter. Damit arbeitete er an den Mechanismen des Hofs vorbei und verlagerte grundherrschaftliche Rechte in die Ebene lokaler Eliten. Die militärischen Kräfte auf lokaler Ebene fanden allerdings zu keinem Konsens, weil sie sich in beständiger Rivalität befanden somit hatten Machtkämpfe hier eine vertikale Ebene. Yoritomo plante indessen die Errichtung einer regionalen Militärherrschaft unter seiner Führung – das erste Bakufu ?? (Militärregierung) war entstanden. Die Epoche des ersten Bakufus wird, dem Herrschaftssitz in Kamakura entsprechend, Kamakura-Zeit (1185-1333) genannt. Das Edikt des Kaiserhofs, das Yoritomo mit der militärischen Oberherrschaft betraute, nutzte er als Legitimierungsgrundlage einer Politik, deren Grenzen er selbst definieren konnte. In der Folgezeit etablierte sich das kompetitive Herrschaftsverhältnis zwischen Kaiserhof und Bakufu, welches J. P. Mass als dual polity bezeichnete. 1180 wurde das samurai dokoro ?? geschaffen, eine Zentralbehörde für die Angelegenheiten der Samurai von Kamakura aus. Diese politische Einrichtung deutet einerseits auf die spezifische Wahrnehmung der Kriegerklasse zu jener Zeit hin und wirkte außerdem auf deren begriffliche Fixierung hin. Die Entwicklung zum berittenen Krieger ist nachhaltig nicht geklärt sicherlich nahmen jedenfalls kontinentale Einflüsse im Zuge der asiatischen Völkerwanderung Ende des 4. Jahrhunderts zu. Die regionalen Kriegerverbände der Yamato-Zeit und dem Übergangszeitraum bis zum ausgehenden 6. Jahrhundert bildeten sich immer stärker als Gesellschaftsschicht mit eigenem Status heraus, indem sie Polizeiaufgaben, berittene Botendienste sowie die Stellung der höfischen Gardetruppe übernahmen. Dieser ‘Berufsverband’ der Krieger wurde jedoch im 7. Jahrhundert aufgelöst – unter anderem um lokale Machtbasen zu schwächen. Militärdienst wurde zur öffentlichen Aufgabe für alle. Es verschoben sich auch die organisatorischen Strukturen: nun wurden Erhebungen von der Zentrale aus durchgeführt, und nicht mehr auf Provinzebene von einzelnen Magnaten. Es handelte sich überwiegend um bäuerliche Einheiten, die allerdings noch immer von Provinzadligen angeführt wurden. Dies Ausbleiben der Entmachtung lokaler Kräfte nebst sukzessivem Ausbau des berittenen Kriegswesens wertet W. W. Farris daher auch als Grundlage der späteren Samurai. Ein Kriegsdienst wurde eingerichtet, der jeden gesunden nichtadligen Mann zu jährlich mindestens 35 Tagen Dienst als Soldat (heishi ??) verpflichtete kritische Grenzeinsätze hatten unter Umständen längere Pflichtzeiten. Das System betraf in etwa ein Drittel der Männer einer Provinz zur selben Zeit. Das System sah kein stehendes Heer vor, um eine zu große Belastung der ökonomischen und agrarischen Basis zu verhindern in Notzeiten wiederum konnten größere Truppenaufgebote gestellt werden. Die Kontrolle des Militärs oblag allein dem Tennô und seinem Hof. Innerhalb des 9. und 10. Jahrhunderts formten zwei militärische Hauptaufgaben den Rahmen für die staatliche Militärpolitik: Der Konflikt mit den Emishi in Japans Norden, sowie das Problem mit koreanischen Piraten (shiragi kaizoku ????). Im Verlauf der Zeit sah sich das Militärsystem diversen Schwierigkeiten gegenüber. Da die Truppen- und Steuererhebungen die gleichen Daten nutzten, wurden Bauern, die den staatlichen Steuern entgehen wollten, auch nicht zum Kriegsdienst eingezogen. Außerdem zeigte sich vor allem in den Konflikten mit den Emishi, dass berittene Bogenschützen sehr viel effektiver als die relativ untrainierten Bodentruppen waren – der Großteil der Armee bestand jedoch aus Bodentruppen. Kriegspferde waren teuer und erforderten intensives Training. Hieraus entwickelte sich die Gewohnheit, Einheiten zu nutzen, die schon Pferde besaßen und den berittenen Bogenkampf beherrschten – niedere Provinzadlige. Die Tendenz zur sozialen Exklusivität verstärkte sich auch durch den Verbund von Pferd- und Waffenbesitz, Einkommen aus Grund und Boden sowie die Begleitung eines Fußsoldaten (kachi ?/rôtô ??). Ein großes Heer war dagegen immer weniger vonnöten vor allem nach Beendigung des Emishi-Kriegs wurden eher flexible Eingreiftruppen benötigt. Die Wehrpflichtigen-Kontingente kleiner Provinzen wurden aufgrund eines schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisses schließlich sukzessive bis etwa 792 abgeschafft. R. Zöllner erkennt in diesem Entwicklungsverlauf die schrittweise Trennung von Kriegern und Bauern – indem zwischen Heerfolgepflichtigen und ‘Nur-Bauern’ unterschieden wurde. Der Bedarf an militärischen Einheiten wurde vor allem durch regionale Aufstände bedingt, welche seit Ende des 9. Jahrhunderts zunahmen. Männer aus den mittleren Adelsrängen, die regional als Provinzbeamte eingesetzt wurden, setzten sich individuell mit den Konflikten auseinander, um sich ihre Einkünfte zu sichern. Auf diesem Wege bildete sich bereits eine Tendenz zur Privatisierung militärischer Macht heraus. Zum anderen bestellte der Hof zur Stärkung der militärischen Kräfte seit 792 sogenannte ‘junge Getreue’ (kondei ??), die sich aus Söhnen und jüngeren Brüdern des mittleren Adels zusammensetzten. Das Kamakura-Bakufu bestätigte den eigenen treuen Hausleuten (goke‘nin ???) ihre Eigentumsrechte (z.T. auch schriftlich) und grenzten dadurch deren lokalen Herrschaftsbereich von den staatlichen Gütern und den Privatgütern des Hofadels ab.

Über den Autor

Johann Gutjahr, Jahrgang 1981, studierte Japanologie, Geschichte und Politik mit dem Abschluss Magister Artium an der Universität Hamburg.

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