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Verlag:
disserta Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2021
AuflagenNr.: 1
Seiten: 360
Abb.: 150
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Architektur, sofern es sich nicht nur um reinen Zweckbau handelt, ist stets auch Ausdruck kultureller Identität. Dies gilt auch und in besonderem Maße für den Synagogenbau. Uwe Kornberger untersucht den Synagogenbau der sefardischen Juden, der sich nach deren Vertreibung von der Iberischen Halbinsel über ganz Europa und darüber hinaus verbreitet und zum Ausdruck einer sich neu schaffenden Kultur wird. Der Untersuchungsrahmen umfasst sefardische Synagogen von ihren Anfängen bis ins 20. Jahrhundert, von al-Andaluz bis nach Südamerika und in die Vereinigten Staaten von Amerika. Unter Hinzuziehung primärer Quellen, vor allem hebräischer Responsen, entsteht ein einzigartiger Überblick über den Synagogenbau und das Selbstverständnis dieser jüdischen Gruppe, welches sich darin manifestiert.
Textprobe: Kapitel 2.4 , Vergleich mit dem aschkenasischen Synagogenbau: Gemeinsam ist sefardischen und aschkenasischen Synagogenbauten die bereits in der Einleitung erwähnte Einbindung in den allgemeinen architektonischen Kontext. Mittelalterliche Synagogen entstanden überall im Stil ihrer Zeit und ihrer Umgebung. Nicht nur, daß es im Mittelalter keine jüdischen Baumeister gab und Synagogen von fremden”, d.h. nicht jüdischen Baumeistern, bzw. Architekten ausgeführt wurden, Juden waren auch stets eine bestenfalls tolerierte Minderheit, deren Vorstellungen nie stilbestimmend waren. Eine Wahl zwischen verschiedenen Stilen ist erst im 19. Jahrhundert gegeben. Erst dann wird die Frage, in welchem Stil ein jüdisches Gotteshaus zu errichten sei, öffentlich diskutiert. Diese Umstände wirkten auch auf die Innenarchitektur der mittelalterlichen Synagoge. Während im sefardischen Raum eine Synagoge einem omayadischen Pfeilersaal gleichend errichtet werden konnte, wurde im aschkenasischen auf die abendländischen Vorbilder des Refektoriums oder Dormitoriums zurückgegriffen. Der aschkenasiche Synagogenbau orientierte sich am Profanbau, die sefardische Synagoge aber kann auch auf den Moscheebau als Vorbild rekurrieren, also auf Gotteshäuser Andersgläubiger, deren Religion zeitweise maßgebend war. Eine weitere äußere Gemeinsamkeit der Bethäuser beider kultureller Gruppen bestand darin, daß eigenständig konzipierte Bauten anscheinend häufig mit einem Hof ausgestattet waren. Es ist anzunehmen, daß diesem Hof jeweils gleichartige Funktionen zukamen: - als Treffpunkt vor dem Gottesdienst, - als Platz für die Sukka (Laubhütte), - für Hochzeiten, - um den Gebäudeeingang aus Rücksicht auf die nicht-jüdische Umwelt von der Strasse zurückzunehmen, - und als Refugium für die Frauen, zu einer Zeit, als diese keinen Platz in der Synagoge selbst hatten. Sefardische wie aschkenasische mittelalterliche Synagogen waren nach Osten orientiert. Der Thoraschrein stand an der in Gebetsrichtung gelegenen Wand. Spezifisch sefardisch ist die Anlage eines Hechal-Raumes. Der Parochet (tkrp = Vorhang) war ein Tempelaccessoire, daß das Allerheiligste (rybd) von der Tempelhalle trennte. In der Synagoge trennte er zwischen dem Gebetsraum und dem Toraschrein. In frühen Synagogen scheint es zwei unterschiedliche Positionen bezüglich der Anbringung des Parochet gegeben zu haben. Eine Darstellung in der jüdischen Katakombe der Villa Torlonia Roms und Seilspuren sowie Löcher an der Vorderseite des Rundbogens der Nische des Toraschreins der abgebildeten Synagoge legen nahe, daß der Vorhang am Rundbogen angebracht wurde und so die Zone des abschloß. Die Darstellung eines Toraschreins auf einem heute im Metropolitan Museum of Art in New York befindlichen Goldglasboden zeigt den Parochet im Inneren des Schreins befestigt. Die unterschiedliche Befestigung des Parochets blieb bestehen: Nach aschkenasischer Sitte wurde der Vorhang im Schrein, nach sefardische Sitte vor dem Schrein angebracht (z.B.: Paris, Rue Buffault, 1877 und Bayonne 1835-37). Gemeinsam war die Aufstellung des Lesepultes, der Bima, in der Raummitte sicherlich auch dadurch bedingt, daß dieselben halachischen Autoritäten (Alfasi, Ben Ašer, Maimonides) anerkannt wurden. An der Stellung der Bima zeigen sich aber auch Unterschiede. Es konnte sein, daß die Sefardim das Pult aufgrund verschiedener Überlegungen in den Westen der Gebetshalle rückten, während den Aschkenasim gerade diese Seite einen minderen Grad von Heiligkeit zu besitzen” schien. Die sefardischen Synagogen zeigen wesentlich früher Galerien zur Bereitstellung von Sitzplätzen für Frauen als die aschkenasischen, wo Galerien erst im 16. Jahrhundert auftauchen. Bei den Aschkenasim wurde die Geschlechtertrennung vielmehr durch gesonderte Frauenabteilungen realisiert, die als Anbauten an bestehende Synagogen entstanden. Spezifisch achkenasisch scheint auch das Phänomen der zum Gebetssaal hinabführenden Stufen zu sein. Dies könnte auf ein unterschiedliches Verständnis der Talmudstelle pBer III, 724 zurückzuführen sein. Die Ausschmückung der aschkenasischen und der sefardischen Synagoge war allem Anschein nach auch sehr unterschiedlich. Während die meisten Bauten der Aschkenasim innen schlicht weiß getüncht waren, wurden die sefardischen Synagogen z.T. reich mit Schriftbändern, vegetabilen und geometrischen Motiven verziert. Wenn von der allgemeinen Schlichtheit in aschkenasischen Bauten abgewichen wurde, kamen auch Tiermotive zum Tragen. Tiere tauchten im sefardischen Raum aber nur im Zusammenhang mit Wappendekor auf. Wesentlich können sich die mittelalterliche sefardische und die aschkenasische Synagoge in ihrem Inneren also durch die mögliche Anlage eines Hechal-Raumes, und durch die nach Westen versetzte Stellung der Bima im sefardischen Bereich unterscheiden.
Uwe Kornberger studierte an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg, schloss dort mit einer Arbeit über mittelalterliche hebräische Poesie ab (Ibn Gabirols Keter Malchut) und widmete sich nachfolgend immer wieder der jüdischen Kunst mit dem klaren Schwerpunkt auf den mittelalterlichen Synagogenbau, den er nicht allein architektonisch darstellen, sondern auch kulturell und philosophisch deuten möchte.
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