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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 76
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kunst ist ein Stück Lebensgestaltung in dem Sinne, als sie wesentlich dazu beiträgt, die menschliche Persönlichkeit zu formen im Geiste humanistischer Ideale – ein Element der Lebensgestaltung, der Lebensförderung, der Lebensbestätigung im Dienste der Humanität ... Kunst war Widerstand im tiefsten Sinne dieses Wortes, sie war Widerstand gegen den Untergang in die Barbarei. So beschreibt Wilhelm Girnus in der Einleitung für eine 1979 durchgeführte Tagung die Rolle der Kunst und damit auch die Rolle der Musik in den faschistischen Konzentrationslagern – Kunst als Widerstand gegen Grausamkeit, Unmenschlichkeit und Barbarei. Die KZ waren sicherlich die grausamsten Orte, an denen Menschen im 20. Jahrhundert lebten, sofern sie überhaupt längere Zeit überlebt haben. Dass an diesen Orten des Grauens musiziert oder generell Kunst betrieben wurde, ist für uns heute kaum oder nur sehr schwer nachvollziehbar. Es stellt sich angesichts der Barbarei in den Lagern die Frage, was den Menschen die Musik in ihrem ansonsten so grausamen Alltag bedeutet haben könnte. Hat sie die Häftlinge von den äußeren Lebensumständen abgelenkt? War sie eine Flucht in eine andere und bessere Welt? Konnten Menschen mit Hilfe der Musik neuen Überlebenswillen finden? Warum wurde an Orten wie Auschwitz oder Theresienstadt eigentlich musiziert? Die bedeutendste Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist jedoch, ob Musik für die Inhaftierten eine Form des Widerstandes gegen die Nazis darstellen konnte und wenn ja, um welche Formen von Widerstand es sich handelte. Diese Frage ist insofern berechtigt, da ein realer Widerstand gegen die SS aufgrund der Machtverhältnisse nicht stattfinden konnte. Braucht es für diese besondere Epoche der Menschheitsgeschichte vielleicht auch eine besondere Auslegung des Widerstandsbegriffes? Sind das Durchhalten und Überleben im KZ und das Aushalten der Grausamkeiten des Lageralltags nicht schon Formen des Widerstehens im ursprünglichsten Sinne des Wortes ‚Widerstand’? Darf Musik in diesem Sinne als Form geistigen Widerstandes gesehen werden? Diese Fragen anhand der Lager Auschwitz und Theresienstadt zu beantworten soll Aufgabe dieser Studie sein.

Leseprobe

1. Einführung Kunst ist ein Stück Lebensgestaltung in dem Sinne, als sie wesentlich dazu bei-trägt, die menschliche Persönlichkeit zu formen im Geiste humanistischer Ideale – ein Element der Lebensgestaltung, der Lebensförderung, der Lebensbestätigung im Dienste der Humanität ... Kunst war Widerstand im tiefsten Sinne dieses Wortes, sie war Wider-stand gegen den Untergang in die Barbarei. So beschreibt Wilhelm Girnus in der Einleitung für eine 1979 durchgeführte Tagung die Rolle der Kunst und damit auch die Rolle der Musik in den faschistischen Kon-zentrationslagern – Kunst als Widerstand gegen Grausamkeit, Unmenschlichkeit und Barbarei. Die KZ waren sicherlich die grausamsten Orte, an denen Menschen im 20. Jahrhundert lebten, sofern sie überhaupt längere Zeit überlebt haben. Dass an diesen Orten des Grauens musiziert oder generell Kunst betrieben wurde, ist für uns heute kaum oder nur sehr schwer nachvollziehbar. Meine erste Konfrontation mit dem Themenkomplex ‚Musik und KZ’ ist mir noch gut in Erinnerung: In einem musikhistorischen Seminar wurde die Kinderoper Brundibar von Hans Krása und ihre herausragende Bedeutung im Musik-leben des Ghettos Theresienstadt vorgestellt. Seit dieser Zeit habe ich mich immer wieder gefragt, ob, in welchem Umfang und zu welchem Zweck auch in anderen Lagern – es existierten über 10.000 nationalsozialistische Lager unterschiedlichster Art! – musiziert worden ist und was den Menschen die Musik in ihrem ansonsten so grausamen Alltag bedeutet haben könnte. Hat die Kunst die Häftlinge von den äußeren Lebensumständen abgelenkt? War Musikmachen die Flucht in eine andere und bessere Welt? Konnten Men-schen mit Hilfe der Musik, die durch die Nazis und vor allem durch den Missbrauch in deren Lagern ihre Unschuld verloren hatte, neue Kraft und neuen Überlebenswillen finden? Betrachtet man die Konzentrationslager im Allgemeinen (s. Kapitel 2), stellt man schnell Unterschiede sowohl in der Häftlingsstruktur als auch in der Funktion der einzelnen Lager im System des NS-Regimes fest. Ferner gibt es große Unterschiede zwischen der Frühphase 1933-1936 und den späteren Lagern 1936-1945. Besonders fallen diese Unter-schiede im direkten Vergleich derjenigen beiden Lager auf, die in dieser Studie betrachtet werden: Theresienstadt als ‚Kultur- und Vorzeigeghetto’ und Auschwitz als ‚konzentratio-näres Vernichtungslager’. Aber gerade diese Unterschiedlichkeit macht den Reiz eines Vergleiches der Musikfunktionen an diesen Orten aus, vor allem, wenn sich trotz der augenscheinlichen Differenzen bzgl. Der Lager Gemeinsamkeiten in den Funktionen von Musik für die Gefangenen ergeben. In Auschwitz und damit in vielen anderen KZ war Musik zum einen Begleitung von Zwangsarbeit, Untermalung von Strafaktionen, aber auch selbst Strafmaßnahme – alles primär in Form von Häftlingsgesang. Zum anderen stellte sie – in Gestalt von Lagerorche-stern – eine organisierte Form soziokultureller ‚Lebensbereicherung’ dar, die zumeist allerdings nur für die SS und einige wenige Häftlinge zugänglich war und häufig mit mangelnder Professionalität zu kämpfen hatte. Anders war die Situation in Theresienstadt, wo eine große Zahl intellektueller Juden inhaftiert war und wo zahlreiche Möglichkeiten des Musizierens auf professionellem oder zumindest semiprofessionellem Niveau bestanden. Allein beim groben Überfliegen der acht Kapitel, die Milan Kuna dem Thema ‚Musik in Theresienstadt’ widmet wird klar, dass hier ein kulturelles Leben von außergewöhnlich großem Ausmaß stattgefunden haben muss. Das Repertoire reichte von diversen Opern über Oratorien und Kammermusik bis hin zu Jazz. Das verwundert aus heutiger wie damaliger Sicht, da Jazz ja im übrigen Teil des Reiches auf der untersten Stufe der ‚entarteten Kunst’ stand und bereits kurz nach der Machtübernahme der Nazis nicht mehr aufgeführt werden durfte. Zu den Lagern und im Besonderen zu Theresienstadt schreibt die 2. Auflage der MGG: Inhumanität, Rassismus, Terror, Entrechtung und Vernichtung sind konstitutive Elemente der nationalsozialistischen Ideologie. Ihren pragmatischen Ausdruck fanden sie im System der Lager, mit dem die ideologischen Vorgaben konsequent umgesetzt wurden. Es gab verschiedene Arten von Lagern, die im Gesamtzusammenhang des NS-Terrors unterschiedliche Funktionen hatten. Die besondere Rolle, die Theresienstadt darin spielte, hatte für dieses Lager Lebensbedingungen zur Folge, die nicht für das gesamte System repräsentativ sind. Zu den Unterschieden zwischen Theresienstadt und Auschwitz und den im Vergleich zu Auschwitz sehr verschiedenen Funktionen des Lagers und der Musik dort später mehr. Eine Frage begegnete mir bei der Beschäftigung mit diesem Thema immer wieder: Warum wurde an Orten wie Auschwitz oder Theresienstadt musiziert? Zum einen natür-lich auf Wunsch und Befehl der SS, zum anderen aber auch aus freien Stücken in der knapp bemessenen ‚Freizeit’. Eine besondere Rolle nahmen dabei die in fast allen großen Lagern vorhandenen Orchester ein. Hier wurde teils vor und nach der ‚normalen’ Arbeit musiziert , teils auch quasi ‚hauptberuflich’ gespielt . Die Qualität dieser organisierten Formen des Musizierens hing häufig von Einzelpersonen ab, wie später noch deutlich werden wird. Das verbindet z. B. die gute Qualität des Mädchenorchesters in Birkenau unter Leitung von Alma Rosé mit den für Lagerverhältnisse herausragenden Theresien-städter Opernaufführungen unter der musikalischen Führung von Raphael Schächter. Die bedeutendste Frage, die sich in Zusammenhang mit den Funktionen von Musik in Konzentrationslagern stellt und die auch in dieser Studie im Mittelpunkt stehen soll, ist jedoch, ob Musik für die Inhaftierten eine Form des Widerstandes gegen die Nazis darstel-len konnte und wenn ja, um welche Formen von Widerstand es sich handelte. Diese Frage ist insofern berechtigt, da ein realer Widerstand gegen die SS aufgrund der Machtverhält-nisse nicht stattfinden konnte. Die Häftlinge waren zwar in der Mehrheit, aber durch die Schaffung einer der SS-Struktur ähnlichen Häftlingshierarchie hatten sich die SS-Funktionäre ein so feinmaschiges Netzwerk von Machtverteilungen auch innerhalb der Häftlingsgesellschaft errichtet, dass die Organisation von aktivem Widerstand – also der Form des Widersetzens, die wir heute im Volksmund als Widerstand bezeichnen – ausge-schlossen war. Selbst die Verweigerung des Gehorsams als abgeschwächtere Form des Widerstehens war zu gefährlich. Es stellt sich unter diesen Bedingungen einige Fragen: Braucht es für diese beson-dere Epoche der Menschheitsgeschichte eine besondere Auslegung des Widerstandsbegrif-fes? War es schon Widerstand, sich einen winzigen Rest an Menschenwürde zu bewahren bzw. anderen zu helfen, das sie sich ihre Identität bewahren konnten? Sind das Durchhal-ten und Überleben im KZ und das Aushalten der Grausamkeiten des Lageralltags nicht Formen des Widerstehens im ursprünglichsten Sinne des Wortes ‚Widerstand’? Konnte Musik vielleicht dabei helfen, dort durchzuhalten, und darf Musik dadurch als Form geistigen Widerstandes gesehen werden? Diese Fragen zu beantworten und dabei zu klären, ob es hinsichtlich der Ausprägungen des Widerstandes in Form von Musik Unter-schiede zwischen Auschwitz (stellvertretend für die großen Konzentrationshaupt- und Vernichtungslager) und Theresienstadt (als der kulturellen Mustersiedlung ) gab, soll Aufgabe dieser Studie sein.

Über den Autor

Jens Christian Peitzmeier, Jahrgang 1985, erlernte bereits zu Grundschulzeiten das Orgelspiel. Es folgte das C-Examen für nebenamtliche Kirchenmusiker im Alter von 14 Jahren. Er studierte Musik und Germanistik für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Osnabrück mit den künstlerischen Fächern Orgel (Wiltrud Fuchs, Carsten Zündorf), Gesang (Sigrid Heidemann) und Horn (Heiko Maschmann). Chorleitungsunterricht erhielt er bei Joachim Siegel. Zahlreiche Konzertreisen führten ihn schon in jungen Jahren durch die nördliche Bundesrepublik. Interpretations- und Meisterkurse besuchte Jens Christian Peitzmeier bei Harald Vogel, Wolfgang Schäfer, Gerd-Peter Münden, Friederike Woebcken und Markus Utz. Er war weiterhin Gründer und künstlerischer Leiter des Frauenchors der Universität Osnabrück. Darüber hinaus arbeitete er während des Studiums viele Jahre als wissenschaftliche Hilfskraft und Dozent für Klavier, Partitur- und Generalbassspiel. Seine wissenschaftliche Examensarbeit befasst sich wie einige andere musikhistorische Forschungen Peitzmeiers mit Musik im Spannungsfeld von Krieg und Frieden. Das Referendariat im Schuldienst absolviert er im Studienseminar Meppen und am Städtischen Gymnasium Nordhorn. Seit seiner frühen Jugend ist Jens Christian Peitzmeier nebenberuflich als Kirchenmusiker tätig, seit 2010 u.a. als Kantor und künstlerischer Leiter der Lutherischen Kantorei Nordhorn.

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