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Geschichte

Yvonne Weihrauch

Leben in der DDR: Zur filmischen Darstellung des Alltags im Sozialismus

ISBN: 978-3-95850-658-9

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Das Ziel der Untersuchung ist es, herauszufinden, welchen Anteil historische und aktuelle Filme an dem heute vorherrschenden Bild der DDR haben und inwiefern sie dadurch Einfluss auf das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft nehmen können. Bei der Darstellung der DDR in den Medien berücksichtigte man bisher kaum die individuellen Wahrnehmungen und persönlichen Erlebnisse der Menschen, die dort lebten. Für die eigene Identitätsbildung ist jedoch das gemeinsame Erinnern wichtig. Obwohl die DDR nicht nur ein Teil der privaten Erinnerungen einzelner Bürger, sondern auch des öffentlichen Gedächtnisdiskurses ist, schenkte man ihr bisher wenig Aufmerksamkeit. Daher versucht dieses Buch die Rolle von Filmen bei der Erinnerung an den Alltag in der DDR herauszustellen. Zu diesem Zweck erfolgt eine Analyse vier historischer DEFA-Filme und einer rezenten Fernsehfilmserie hinsichtlich ihrer Darstellung des Familienalltags. Politische Entscheidungen bezüglich der Kontrolle von Staat und Gesellschaft kommen im täglichen Leben der Menschen am stärksten zum Tragen. Da die ausgewählten Filme zu unterschiedlichen Zeiten entstanden, lässt sich an ihnen die fortschreitende Entwicklung der DDR sowie ihrer Bürger beobachten.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.3, Die DDR im kollektiven Gedächtnis: Medien vermitteln Wissen über historische Ereignisse, nehmen Vorstellungen über die Vergangenheit auf und prägen sie zugleich - so auch in Bezug auf die DDR. Was für einen Großteil der westdeutschen und jüngeren ostdeutschen Bundesbürger, die die DDR nicht selbst erlebt haben, häufig nicht viel mehr als ‘historisch-politische Bildung mit hohem Unterhaltungswert’ ist, ‘wird von betroffenen Ostdeutschen mit persönlichem Erleben und der eigenen Biographie abgeglichen’. Letztere sind bei medialen Darstellungen anders angesprochen, da für sie die Geschichte der DDR stets auch eine Thematisierung eines Teils ihrer eigenen Lebensgeschichte und Identität bedeutet. Ziemlich genau 40 Jahre lang hatte es zwei Staaten deutscher Nation auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik gegeben. Während nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der östlichen Besatzungszone eine sozialistische Volksrepublik nach sowjetischem Vorbild, die Deutsche Demokratische Republik, aufgebaut wurde, setzten die westlichen Besatzungsmächte Großbritannien, Frankreich und die USA bei der Bundesrepublik Deutschland nach 1949 auf Demokratie und freie Marktwirtschaft. In der DDR führten Mangelwirtschaft und Einschränkungen u.a. der Meinungs- und Reisefreiheit zu Unzufriedenheit im Volk. Im Laufe der Jahre wanderten mehrere Millionen DDR-Bürger nach Westdeutschland aus, weil sie sich dort ein wirtschaftlich besseres und freieres Leben erhofften. Ende der 1980er Jahre gipfelte die Missstimmung in einer ‘friedlichen demokratischen Revolution in der DDR durch das Volk’. Mit der anschließenden Öffnung der Mauer im November 1989 und dem damit einhergehenden Beitritt des Staatsgebietes der DDR zur BRD ‘vollzog sich in Ostdeutschland eine rasche und tief greifende Transformation’. Die bundesdeutschen Strukturen, Institutionen und Normen aus Wirtschaft, Technik, Recht, Medien, Verwaltung u.a. wurden vollständig übernommen. Die Ostdeutschen sind ‘aus ihren gewohnten gesellschaftlichen Zusammenhängen herausgerissen worden. Sie haben ihre Ursprungsgesellschaft überlebt und fanden sich nach der Auflösung bzw. Zerstörung fast des gesamten institutionellen Gefüges und der früheren Sozialstruktur in einer gänzlich anderen Gesellschaft.’ Sie waren auf einmal fremd im eigenen Land, mussten sich umstellen und vieles neu erlernen. Im vereinten Deutschland entwickelten sich nach 1990 ‘zwei unterschiedlich geprägte Erinnerungskulturen. Während die Geschichte der alten Bundesrepublik als ‘Erfolgsgeschichte’ einer geglückten Demokratie erzählt wird, ist die ostdeutsche Erinnerungskultur von der Erfahrung eines radikalen Bruchs geprägt.’ Dass die Geschichte des realexistierenden Sozialismus in Ostdeutschland ‘ausschließlich ausgrenzend und die DDR als rechtskräftig beendetes Kapitel Feindgeschichte behandelt’ wurde, nährte nicht nur Totalitarismustheorien, die die zweite Diktatur auf deutschem Boden einem direkten Vergleich mit dem Nationalsozialismus unterzogen. Auf diese Weise wurden auch die persönlichen Geschichten und lebensweltlichen Erinnerungen vieler Ostdeutscher übergangen. Was sie tagtäglich erlebt und erfahren hatten, fand ‘keinerlei Beachtung im öffentlichen kommunikativen Gedächtnis’, sodass ‘mehrheitlich zerstreute Erinnerungsgemeinschaften’ entstanden. Zwar wurden ab Mitte der 1990er Jahre vereinzelt Studien zur Alltags-und Sozialgeschichte der DDR durchgeführt, doch die öffentliche Gedenkpolitik blieb davon noch weitgehend unberührt. Etwa zur gleichen Zeit fand das Bedürfnis zahlreicher ehemaliger DDR-Bürger, ihre individuellen Lebensgeschichten zu bewahren sowie der Abwertung ihres Wertesystems entgegen zu wirken, in einer Welle der nostalgischen Erinnerung an die DDR, auch ‘Ostalgie’ genannt, ihren Ausdruck. In Anbetracht des Zusammenbruchs und der Abwertung ihrer bisherigen Lebenswelt empfanden sie etwas, das Maurice Halbwachs ‘Heimweh nach der Vergangenheit’ nannte. Der Wegfall wichtiger Rahmen in allen Lebensbereichen (dazu gehörten u.a. Arbeit, soziale Sicherheit oder das Geschlechterverhältnis) machte sich mehr und mehr bemerkbar. Kritiker befürchteten, dass die Sehnsuchtsgefühle der Ostdeutschen zu einer Romantisierung oder ‘Weichzeichnung’ der Diktatur und Relegitimierung der DDR führen könnte. Dem Historiker Martin Sabrow zufolge geht eine solche Gefahr jedoch hauptsächlich von einer Erinnerungspolitik aus, ‘die sich der kommunikativen Erinnerung an die gelebte DDR verweigere und die 40jährige Diktaturvergangenheit auf ihre menschenverachtende Brutalität reduziere’. Die Diskurse und das Wissen über die ehemalige DDR und die Ostdeutschen wurden in den 1990er Jahren besonders dadurch bestimmt, dass ‘die überregionalen meinungsführenden Sendeanstalten und Qualitäts-Blätter den kleinen Ost-Markt ohne große redaktionelle Veränderungen übernehmen’ konnten und das Führungspersonal für die ‘in den Neuen Bundesländern geschaffenen öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten aus dem Westen stammte – und zumeist auch das der restrukturierten regionalen ostdeutsche [sic] Tageszeitung’. Kurz gesagt: Zunächst entschieden westdeutsche Redaktionsleiter darüber, welche Darstellung von den Ostdeutschen medial vermittelt wurde. Dieses Bild hat sich fest in das kommunikative Gedächtnis eingeschrieben. Selbst neue Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Studien, ‘die die ‘Andersartigkeit’ der Ostdeutschen und die damit verbundenen Klischees relativieren’, kommen nur schwer dagegen an. Das liegt daran, dass dieses neue Wissen von den Medien nur ‘selektiv aufgenommen, verstärkt oder eben hartnäckig ignoriert’ wird. Medien und die dort behandelten Diskurse sind schließlich ein wichtiger Faktor bei der Konstruktion von Wirklichkeit. Thomas Ahbe hat im Rahmen einer Studie untersucht, wie die Ostdeutschen in westdeutschen Medien-Diskursen in den Jahren 1989/90 und 1995 dargestellten wurden und kam dabei zu folgendem Ergebnis: Die Ostdeutschen treten als Helden der friedlichen Revolution auf oder als konsumfixiertes und autoritätsabhängige Konformisten. Sie erscheinen als SED-Apparatschiks und Stasi-Spitzel oder als nationalistisch aufgeheizter Mob, der nach Wiedervereinigung schreit und Ausländer jagt. Daneben figurieren die Ostdeutschen auch als Helden des wirtschaftlichen Umbruchs beziehungsweise als dessen sympathische Verlierer. Man zeigt sie als Rebellen, die ungerechte Verhältnisse engagiert und kreativ in Frage stellen oder eben als kleinbürgerliche Stehaufmännchen, die sich nach jedem auch noch so tiefen Einschnitt immer wieder nur in gewohnter Weise in ihrer kleinen Welt einzurichten versuchen. Die neuen Mitbürger erscheinen als ‘durch die Diktatur psychisch deformierte Charaktere’, als nörgelnde Quälgeister, die nicht willens oder fähig sind, Chancen zu ergreifen und Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen. Und sie treten als unbelehrbare Leugner der DDR-Verbrechen auf, die an den falschen Demonstrationen teilnehmen und die falschen Parteien wählen. Wiederkehrende Berichte in Radio und Fernsehen, Zeitungen und Magazinen festigten die überwiegend negativ konnotierten Beschreibungen von ehemaligen DDR-Bürgern in den Köpfen der westdeutschen Bevölkerung. Dieser war es unverständlich, warum viele Ostdeutsche vergangenen Zeiten nachtrauerten, wenn sie doch nun – nach Sicht so mancher Westdeutscher – in einem besseren Land lebten. Heutzutage sind solche Darstellungen zwar nicht mehr ganz so dominant wie noch zu Beginn der 1990er Jahre, doch als implizite Erinnerungen halten sie sich weiterhin im kommunikativen Gedächtnis. Vorurteile und Klischees werden von Eltern und Großeltern an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und so konserviert. Durch die soziale Praxis lernen Kinder von den sie umgebenden Personen, wie sie sich anderen Menschen gegenüber verhalten, in welchen Situationen sie sich zurückhalten oder sogar den Kontakt gänzlich meiden sollten. So können sich unbewusst erste Stereotypen im impliziten Gedächtnis festsetzen, die sich dann jeder subjektiven Steuerung entziehen, da sie nicht reflexiv sind. Hinzu kommt, dass die Einstellung der Nach-Wende-Generation zur ehemaligen DDR und zur Deutschen Einheit heute von Desinteresse und Unkenntnis gekennzeichnet sind. Das Bild, das ost- und westdeutsche Jugendliche von der DDR haben, ist zum einen geprägt von den Erfahrungen und Ansichten ihrer Bezugspersonen, zum anderen spielt aber auch der durch die Medien geführte Diskurs weiterhin eine nicht zu verachtende Rolle. Die Stasi-Thematik wird inzwischen zwar differenzierter und weniger kritisch behandelt, doch das allgemeine Interesse der Medien an der DDR geht seit Jahren zurück. Die wenige Berichterstattung ist bestimmt von negativen Aspekten und Vorkommnissen in den neuen Bundesländern, was nicht dazu beiträgt, dass Vorurteile überwunden werden. In welchem Maße jeder Einzelne bereit ist, sich zu erinnern und zu gedenken, ist abhängig vom jeweiligen Verhältnis ‘zur eigenen Geschichte, zur Geschichte des eigenen Volkes und abhängig vom Grad der Identifizierung mit Volk, Staat und Nation’. Wer seiner Gemeinschaft nahe steht, sich sogar mit ihr identifizieren kann und dessen Geschichte auch als Teil der eigenen empfindet, der ist eher bereit die Erinnerungen zu bewahren. Aktuelle Bedürfnisse und Interessen gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen bestimmen die Ansprüche, die ein Vergangenheitsbild erfüllen muss, und prägen so - wie schon Maurice Halbwachs feststellte – das kollektive Gedächtnis. Bei der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit der DDR kommt dem Medium Film, genauer gesagt dem Spielfilm, eine zentrale Rolle zu. Filme etablieren ‘bestimmte Geschichtsbilder an die DDR’ und sind damit ‘ein wichtiger Bestandteil populärer Erinnerungskultur’. Als Medien des kollektiven Gedächtnisses nehmen Filme die zu einem spezifischen Zeitpunkt vorherrschenden Vorstellungen von der Vergangenheit auf und prägen diese zugleich.

Über den Autor

Yvonne Weihrauch, M.A., wurde 1986 in Eisenhüttenstadt geboren. Ihr Studium der Kultur- und Sprachwissenschaft an der Universität Flensburg schloss die Autorin im Jahre 2013 mit dem akademischen Grad Master of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte sie umfassende praktische Erfahrungen in der Zeitungsbranche. Ihre Faszination für die deutsche Geschichte und den Einfluss der Medien auf den Menschen motivierten sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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