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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 01.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 152
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Lange Zeit war in der Wahrnehmung der Franzosen Deutschland fast ausschließlich mit der Bundesrepublik gleichgesetzt, die DDR erfuhr keinerlei Beachtung. Das änderte sich erst im Zuge der internationalen Anerkennung in den 70er Jahren Stück für Stück. Drei wesentliche Phasen der Beziehungen unterscheidet der Autor: Die Bemühungen der DDR um die Gunst Frankreichs vom Ende der 60er Jahre bis zur Anerkennung 1973, eine Phase der Stagnation der Beziehungen unmittelbar darauf, und schließlich die zweite Hälfte des Jahrzehnts im Zeichen der Verhandlungen um eine Entspannung der Beziehungen in ganz Europa. Doch auch die Jahrzehnte vorher und nachher werden in diesem Buch in Kürze behandelt. Die Beziehungen zwischen Frankreich und der DDR standen aber nicht für sich, sondern in einem engen Geflecht zu jenen mit Bonn und Moskau. Jede Interaktion mit einer dieser Parteien hatte Folgen für den weiteren Kontakt mit den anderen. Die Analyse bezieht sowohl exogene, globale Faktoren des Kalten Krieges als auch endogene, kontinentaleuropäische Faktoren der deutschen Teilung mit ein. Der Fokus liegt hierbei auf den außenpolitischen Bemühungen der DDR, unter anderem weil viele Spezifika und Antriebe ihrer Außenbeziehungen zu Westeuropa einer genaueren Erklärung bedürfen. Die Untersuchung gliedert sich nach den Beziehungen verschiedener gesellschaftlicher und politischer Ebenen zum jeweils anderen Land, namentlich der Parteien und Gewerkschaften, der halboffiziellen und offiziellen Interaktionen, der gesellschaftlichen Kräfte, der Kulturträger und der Wirtschaft.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Vor der Anerkennung keine Regierungsbeziehungen – Kontakte zu Parlamentariern: War es der Partei- und Staatsführung der DDR zwar unmöglich, vor ihrer diplomatischen Anerkennung offizielle Kontakte zur Regierung und zu den Institutionen Frankreichs zu unterhalten, so wurde doch versucht, über offiziöse Kanäle Einfluss auf die französischen Entscheidungsträger auszuüben. Eines der beliebtesten Mittel dieser Kategorie stellte der Kontakt zu Abgeordneten des Senats und der Nationalversammlung dar, der offiziell als privat und damit unterhalb der staatlichen Ebene eingestuft wurde. Gleichzeitig waren jene Abgeordnete natürlich mit der Verwaltungs- und Regierungsebene in stetem Kontakt und hatten darüber Einfluss auf den Meinungsbildungsprozess in offiziellen Kreisen. Erste Ansprechpartner in den Parlamenten waren naheliegenderweise Abgeordnete der PCF. Langfristig zielten die Bemühungen der DDR auf Vertreter des sozialistischen und bürgerlichen Lagers, da sie auf nationaler Ebene einerseits mehr Einfluss auf die Ausgestaltung politischer Außenbeziehungen versprachen und sich die SED andererseits von Fürsprechern gemäßigter politischer Kräfte eine Öffnung zu einer breiteren französischen Öffentlichkeit erhoffen durfte. Interesse fanden solche Avancen insbesondere bei solchen Politikern, die Frankreich außenpolitisch im Sinne de Gaulles eine Sonderrolle zwischen den Blöcken zusprachen oder die sich gegen die mit der Westbindung der BRD einhergehende europäische Integration und damit den fortschreitenden Verlust der nationalen Unabhängigkeit aussprachen. Und so folgten einige Abgeordnete bereits in den 1950er Jahren den Einladungen in die DDR. Insbesondere aus Besuchen von gaullistischen Abgeordneten erhoffte die SED, Prestige für ihre Bemühungen um die internationale Anerkennung der DDR schlagen. Ein regelrechter ‘Polit-Tourismus’ in die DDR begann 1959, als die erste französische Parlamentarierdelegation ins ‘andere Deutschland’ fuhr. Die Bundesregierung beobachtete derartige Kontakte in Sorge um die Aufrechterhaltung des Alleinvertretungsanspruches stets kritisch. Aufgrund der Vorbehalte aus Bonn sah sich der französische Außenminister Couve de Murville 1960 veranlasst, zu intervenieren und rief den Abgeordneten den privaten Charakter ihrer Besuche in Erinnerung. 1962 beschloss das Politbüro des ZK der SED die Normalisierung der Beziehungen zu Frankreich und die Gleichstellung mit der BRD als ein außenpolitisches Hauptziel. Als sich Präsident de Gaulle für seine außenpolitischen Bestrebungen mangels westlicher Partner noch stärker auf seinen außen- und sicherheitspolitischen Kurs der Eigenständigkeit besann und einen engeren Kontakt zur Sowjetunion und zu den Staaten Osteuropa suchte, genoss auch die DDR seitens einiger Linksgaullisten ein gesteigertes Interesse. In diesem Zusammenhang darf auch das ideologische Moment des Antifaschismus nicht unterschätzt werden. Frankreichs Regierung führte seine Legitimation nicht zuletzt auf die Résistance zurück. Die häufigen Erinnerungsmomente an den Zweiten Weltkrieg, Motor des Patriotismus, ließen einen als heroisch bewerteten Zeitabschnitt auferstehen und zumindest im Mythos die nationale Einheit symbolisierte. Zwar respektierte die französische Regierung weiterhin den Wunsch Bonns, keine offiziellen Kontakte zur Partei- und Staatsführung in Ost-Berlin zu unterhalten, doch die sowjetisch-französische Entspannung in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre erleichterte der DDR die Pflege der Kontakte nach Frankreich unterhalb der Regierungsebene. So verärgerte den neuen Bundeskanzler und erklärten ‘Atlantiker’ Erhardt der diplomatische Nadelstich, dass genau einen Tag vor seinem Besuch beim französischen Staatsoberhaupt (15. Februar 1964) eine Parlamentariergruppe der gaullistischen Regierungspartei UNR (Union pour la nouvelle République) nach Ost-Berlin reiste. Die Bundesregierung hatte verständlicherweise Schwierigkeiten, der offiziellen Stellungnahme der Gaullisten zu glauben, die Parteiführung hätte nichts von dieser Exkursion gewusst. Allerdings ist davon auszugehen, dass de Gaulle die Bundesregierung bzgl. einer möglichen Anerkennung der DDR lediglich verunsichern wollte, damit Erhardt den Freundschaftsvertrag ernster nehme und die Bonner Außenpolitik nicht unentwegt auf Washington ausrichte. Zumeist betitelte de Gaulle die Regierung in Ost-Berlin delegitimierend als Pankow und die DDR im Ganzen war für ihn nicht mehr als ein Kunstprodukt des Kalten Krieges, das er oft als ‘Preußen und Sachsen’ bezeichnete. Der französische Präsident erwies sich bereits während der zwei Berlinkrisen stets als einer der resolutesten Verteidiger der Alliiertenrechte und stand in kritischen Momenten immer an der Seite Bonns. Andererseits ließ er Vertreter der eigenen Partei, die sich für die Sache der DDR einsetzten, nicht nur aus der gaullistischen Vision eines ‘Europas vom Atlantik bis zum Ural’, sondern v.a. aus politisch-taktischem Kalkül gewähren. Unausgesprochen behielt er Ost-Berlin also als Druck- und Drohmittel in der Hinterhand. Zu einem der Linksgaullisten, die sich am meisten für die DDR interessierten, gehörte Raymond Schmittlein, UNR-Fraktionsvorsitzender 1960–62 und Vizepräsident der Assemblée nationale 1962–67. Der Germanist und Mitglied der Freundschaftsgruppe EFA unternahm seit 1961 mehrere Reisen in die DDR. Er begrüßte die Bonner Öffnung gegenüber der DDR unter dem Außenminister bzw. Bundeskanzler Willy Brandt und forderte im November 1969, dass die französische Regierung nicht weiterhin ‘eine Europäische Nation von solcher Bedeutung […] ignorieren’ sollte. Frankreich könnte ‘Weimar, Potsdam, Leipzig, Dresden und Rostock aus seiner Wahrnehmung deutscher Wirklichkeit nicht aussparen’ und dürfte die ‘kulturellen und ökonomischen Verbindungen mit dem Staat, der den Mut besaß, Preußen zu vernichten’, nicht vernachlässigen. Die Zeit wäre reif, ‘mangels einer juristischen Anerkennung, die Beziehungen mit der DDR zu normalisieren und mit einer politischen Delegation auch kulturelle und Wirtschaftsmissionen nach Berlin und Potsdam zu entsenden.’ Weiterhin setzte er sich in der ab 1967 bestehenden Groupe d'amitié France-Allemagne Démocratique in der französischen Nationalversammlung sowie im Senat für eine Vertiefung der Beziehungen beider Länder ein. Konkrete Entscheidungen zugunsten der DDR zogen derartige Vorstöße nicht unmittelbar nach sich. De facto konnte es der SED-Führung nur darum gehen, die Zweifel an Bonns Alleinvertretungsanspruch zu nähren und den Druck auf die französische und damit indirekt auf die westdeutsche Regierung hinsichtlich einer Anerkennung der DDR zu erhöhen. Letztlich war es für Ost-Berlin eine Enttäuschung, dass de Gaulles ‘Politik der Nadelstiche’ gegen Bonn und das westliche Bündnis nicht zur Schwächung der NATO und zu einer von der Bundesrepublik unabhängigen Anerkennung der DDR führte.

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