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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Abb.: 6
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Bitte des Präsidenten kam einer Erpressung gleich: Würden sich die Deutschen nicht mit bewaffneten Verbänden der Bundeswehr am amerikanischen Kampfeinsatz in Vietnam beteiligen, sehe er sich gezwungen, statt dessen große Teile der zu Schutzzwecken in Westdeutschland stationierten Kontingente der US-Army nach Indochina zu verlegen. Nicht ohne Grund griff Lyndon B. Johnson gegenüber seinem deutschen Gast zu derartigen Mitteln: Erst kürzlich hatten beide Kammern des Kongresses die Bewilligung weiterer Gelder für das expandierende militärische Engagement der Amerikaner von einer Beteiligung der europäischen Verbündeten abhängig gemacht. Die Beistandsaufforderung aus Washington stellte Bundeskanzler Ludwig Erhard 1965 vor kaum lösbare Probleme: Einem Kampfeinsatz westdeutscher Soldaten stand geltendes Recht entgegen er wäre den überwiegend pazifistisch eingestellten Bundesbürgern zudem kaum zu vermitteln gewesen. Um den Wünschen des mächtigen Verbündeten dennoch Rechnung tragen zu können, ersannen Erhards Strategen einen Kompromiss: Die Bundesregierung werde den Einsatz eines Hospitalschiffs des Roten Kreuzes zur Versorgung kriegsversehrter Zivilisten in Vietnam finanzieren. Im Herbst 1966 nahm das Team der Helgoland seine humanitäre Arbeit auf. In der vorliegenden Arbeit werden die politischen Hintergründe und die rechtlichen Grundlagen der Helgoland -Mission empirisch untersucht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Rechtliche Grundlagen für den ‘Helgoland’-Einsatz: 4.1, Sicherheit für Schiff, Personal und Patienten: der Schutz der Mission durch die Genfer Konventionen: Ein ausreichender Schutz für Schiff, Personal und Patienten sowie die völkerrechtliche Absicherung der Mission waren für das DRK die Grundvoraussetzungen für eine Übernahme der Trägerschaft. In der Zusage durch DRK-Präsident Ritter von Lex an Kanzler Ludwig Erhard heißt es: ‘Das DRK geht hierbei davon aus, daß für diese Hilfsmaßnahme völkerrechtlich die Voraussetzungen für ein Lazarettschiff im Sinne des Art. 25 des II. Genfer Abkommens vorliegen. Mit Rücksicht auf die dem DRK gegenüber seinen in Südvietnam tätigen Angehörigen, den Patienten und der Besatzung obliegenden Verantwortung müssen alle völkerrechtlichen Schutzbestimmungen genau eingehalten werden.’ In seinem Antwortschreiben betonte der Kanzler, daß er die Auffassung des DRK teile, daß die Mission im Rahmen der Genfer Abkommen durchgeführt werden müsse, um Erfolg und Schutz gewährleisten zu können. Im Gegensatz zum DRK legte sich Erhard allerdings noch nicht auf eine bestimmte Konvention fest, sondern verwies auf die Notwendigkeit einer Prüfung durch Juristen, welches der vier Genfer Abkommen auf die Mission des Hospitalschiffs anzuwenden sei. Daß Lex in seinem Schreiben den eindeutig militärisch besetzten Terminus des ‘Lazarettschiffs’ verwendete, kann nur versehentlich geschehen sein, denn im gleichen Brief betonte er, daß es sich bei dem Einsatz um eine ‘rein zivile Aktion’ handeln müsse. Die Klärung der Frage, welchen Status die ‘Helgoland’ in Vietnam besitzt, gehörte zu den wichtigsten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Verlauf der Mission. Bereits Mitte Januar 1966 begannen die ressortübergreifenden Besprechungen von Juristen aus AA und BMGes. Kernpunkt der Überlegungen war die Frage, ob die Mission unter den Schutz der II. oder der IV. Genfer Konvention zu stellen sei. Beide Teilabkommen eröffnen trotz gemeinsamer Grundlage völlig unterschiedliche Möglichkeiten, aber auch Einschränkungen für den Schutz Verwundeter und Kranker im Krieg, so daß eine genaue Definition der Ziele des Einsatzes der ‘Helgoland’ unumgänglich war. Die Tatsache, daß die Konventionen deutlich zwischen zivilen und militärischen Einsätzen humanitären Charakters bezüglich ihrer Rechte und Pflichten differenzieren, erklärt, warum Lex‘ vorschnelle Festlegung auf die II. Konvention einer genaueren Überprüfung bedurfte. Die am 12. August 1949 verabschiedeten Genfer Konventionen sind die Weiterentwicklung der 1864 von Rotkreuz-Gründer Henri Dunant formulierten ‘Konvention über die Verbesserung des Loses der Kranken und Verwundeten die den Armeen im Felde’. Als Konsequenz aus den Erfahrungen der beiden Weltkriege, in denen im Vergleich zu vorausgegangenen militärischen Konflikten nicht nur größere Massen unter bis dato unbekannten Bedingungen in ‘Materialschlachten’ kämpften, sondern auch die Zivilbevölkerung stärker in Mitleidenschaft gezogen worden war, wurden eine Modifizierung der Konvention von Dunant und die Ausarbeitung dreier zusätzlicher Konventionen von den Unterzeichnerstaaten beschlossen. Neben der I. Konvention besteht das Genfer Abkommen aus der ‘Konvention zur Verbesserung der Verwundeten, Kranken und Schiffbrüchigen der Streitkräfte zur See’ (II.), der ‘Konvention über die Behandlung der Kriegsgefangenen’ (III.) und der ‘Konvention zum Schutze von Zivilpersonen in Kriegszeiten’ (IV.). Da die Behandlung von Zivilpersonen Bedingung für die ‘Helgoland’-Mission war, konnten die Konventionen I und III von vorne herein aus den Überlegungen der Ministerialjuristen ausgeschlossen werden. In den Vermerken von AA und BMGes wurde die IV. Konvention favorisiert, aber auch eine eventuelle Anwendung der II. Konvention – zunächst ungeachtet ihrer klar definierten Zielsetzung hinsichtlich des Schutzes der Angehörigen von Seestreitkräften – in die Planung einbezogen. Der Vorteil der Anwendung der II. Konvention lag für die Juristen vor allem darin begründet, daß die ‘Helgoland’ im Falle der Besetzung ihres Einsatzhafens durch den VC oder nordvietnamesische Verbände hätte auslaufen dürfen, das Sanitätspersonal im Falle einer Gefangennahme ein Recht auf Rückführung gehabt hätte und das Recht auf militärischen Schutz durch bewaffnete Verbände an Bord gehabt hätte. Die Bedingung für eine Anwendung der II. Konvention wären allerdings sowohl eine militärische Trägerschaft als auch die Behandlung von Angehörigen der südvietnamesischen oder amerikanischen Streitkräfte an Bord gewesen. Da die Intention des ‘Helgoland’-Einsatzes jedoch in der ausschließlichen Behandlung von Zivilpersonen in einer Einrichtung in ziviler Trägerschaft lag, entschied das AA am 8. Februar 1966, die Unterschutzstellung der Mission unter die IV. Genfer Konvention der Bundesregierung vorzuschlagen. Zuvor hatte das IKRK die völkerrechtlichen Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung der ‘Helgoland’ bestätigt. Zwar war ein militärischer Schutz der ‘Helgoland’ durch bewaffnete Soldaten an Bord bei Anwendung der IV. Genfer Konvention nicht möglich, doch bewogen vor allem zwei Punkte die Bundesregierung am 10. Februar 1966 zu ihrer Entscheidung zu deren Gunsten: Das Hospitalschiff stand weder unter der Aufsicht eines Truppenbefehlshabers noch mußte es die Flagge einer kriegführenden Partei führen, wie es Bedingungen für die Anwendung der II. Konvention gewesen wären. Die Kommandogewalt an Bord oblagen ausschließlich dem Kapitän und dem Chefarzt durch den weißen Anstrich und das Tragen des Rotkreuzzeichens an Rumpf und Schornstein wurde die ‘Helgoland’ eindeutig als zivile Krankenhauseinrichtung kenntlich gemacht. Die ‘Helgoland’ führte die Flagge der Bundesrepublik Deutschland und damit das Hoheitszeichen eines neutralen und nicht am Krieg beteiligten Staates. Eine Notifizierung der beteiligten Mächte über den Einsatz ist in der IV. Genfer Konvention nicht ausdrücklich vorgesehen. Entsprechende Noten wurden von der Bundesregierung jedoch gewünscht und den befreundeten Mächten überbracht im Falle Nordvietnams wurde die Notifizierung auf Wunsch der Bundesregierung durch das IKRK vorgenommen. Da der VC die Genfer Konventionen 1966 nicht anerkannt hatte, blieben eine Akzeptanz der Regeln des Abkommens und damit eine Achtung des Schiffes als zivile Hospitaleinrichtung durch die Befreiungsfront allerdings fraglich, obwohl bislang im gesamten Vietnamkonflikt von keiner beteiligten Seite ein Angriff auf eine militärische oder zivile Sanitätseinrichtung erfolgt war. Daß die Bundesregierung dennoch eine Unterschutzstellung unter die Genfer Konvention veranlaßte, ist jedoch nicht nur durch den Druck des DRK und eine völkerrechtliche Absicherung im Falle eines Angriffs auf die ‘Helgoland’ zu erklären: Die offizielle Anerkennung und Schutzwürdigkeit des Schiffes als Hospital zur Behandlung von Zivilpersonen unterstreicht deutlich die Intention der Bundesregierung, nicht militärisch und aktiv als beteiligte Macht in den Vietnamkrieg einzugreifen, sondern durch die Entsendung der ‘Helgoland’ in Trägerschaft der Nicht-Regierungsorganisation DRK lediglich einen humanitären Beitrag für die unter den Kriegseinwirkungen leidende Zivilbevölkerung der Republik Vietnam leisten zu wollen.

Über den Autor

Johannes Max Riemann (Jahrgang 1975) hat Geschichte und Politikwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf studiert. Die Erforschung der deutschen Geschichte ab 1933 gehörte dabei zu seinen wissenschaftlichen Schwerpunkten. Die Helgoland -Mission und ihre politische Vorgeschichte hat er im Rahmen seines Magisterexamens empirisch erforscht und mit seiner Arbeit die erste zusammenhängende Abhandlung zur Thematik verfasst. Heute lebt und arbeitet Riemann als politischer Journalist in Düsseldorf.

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