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- Holzbrunnenkonstruktionen des frühen und hohen Mittelalters: Funktionsweisen und Bedeutung am Beispiel von Süddeutschland und dem Elsass
Geschichte
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 04.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 172
Abb.: 46
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Im Mittelpunkt der Arbeit stehen verschiedene Holzbrunnenkonstruktionen des frühen und hohen Mittelalters. Im Jahre 2006 wurden von Juni bis November Grabungen der Firma Institut national de recherches archaeologiques préventives (INRAP) in der elsässischen Gemeinde Sermersheim auf der Gemarkung Hintere Buen durchgeführt. Die Basis der Arbeit bildet der Grabungsbericht von É. Peytremann, die in drei Bänden – Text, Abbildungen, Anhang – vorliegt. Sermersheim, das sich aufgrund der hohen Befunddichte besonders gut eignet, soll im Vergleich zu weiteren Fundplätzen des Elsass und Süddeutschlands Aufschluss über die Konstruktionen der Brunnen des frühen und hohen Mittelalters geben. Die Zielsetzung der Arbeit soll sein herauszufinden, aus welchem Grund eine solch hohe Anzahl an Brunnen errichtet wurde. Vergleiche mit anderen Siedlungsbefunden zeigen, dass normalerweise deutlich weniger Brunnen errichtet wurden. Weiterhin soll die Frage beantwortet werden, ob die Konstruktionen der Brunnen im Zusammenhang mit einer bestimmten Funktion stehen können.
Textprobe: Kapitel 6, Die Funktion der Brunnen innerhalb der Siedlung: Brunnen dienen in erster Linie der Wasserversorgung von Mensch und Tier. Funde wie Keramikreste, Schöpfkellen, Eimerhenkel, -reifen oder -attachen, oder Reste von Daubeneimern sind Belege dafür. Nach K.S. Bader definiert sich ein ‘echtes’ Dorf über gemeinsame Anlagen, wie Anger, Wege und Brunnen. Im Fall Sermersheim war die Bedeutung der Brunnen noch umfassender. Bevor allerdings genauer über die Funktion der Brunnen gesprochen wird, soll zunächst die Funktion der Siedlung betrachtet werden. Auf der 1,73 ha großen Fläche wurden, wie bereits in Kapitel 2.4.3 erwähnt, neben den 46 Brunnen 75 Grubenhäuser, vier Pfostengebäude, 48 Vorratsgruben, 932 Gruben, sechs Gräben und zwei Grabgruppen für das frühe Mittelalter nachgewiesen. Weiterhin wurden aus den Brunnen zahlreiche Fragmente von Gefäßkeramik und Tierknochen, Reste von 90 Webgewichten, eine Sichel und zahlreiche Pflanzenreste geborgen. In Anbetracht der Fundsituation ist es wahrscheinlicher, dass die Siedlung eine Handwerkersiedlung oder ein Handwerkerareal darstellt als eine Wohnsiedlung. Ähnlich ist die Situation für den Fundort Wehringen (Kr. Augsburg). Mit einer Flächengröße von 1 ha, 117 Grubenhäusern und zahlreichen Webgewichten bezeichnet V. Babucke die Siedlung als ein Handwerkerdorf. In Sermersheim wird für Graben FSS 1785 vermutet, dass er eine abgrenzende Funktion innehatte. Da er bereits im 7. Jahrhundert bestand, ist anzunehmen, dass er schon zu dieser Zeit den Handwerksbereich der Siedlung von der eigentlichen Wohnsiedlung abgrenzte. Da sich allerdings westlich des Grabens der heutige Ort Sermersheim befindet und der archäologische Nachweis nur schwerlich erbracht werden kann, bleibt es bei dieser Vermutung. Dass es sich jedoch um eine größere Anlage gehandelt haben muss, lässt sich auch aus den historischen Quellen ablesen. Obgleich zum großen Teil Fälschungen, so wird zumindest die Schenkungsurkunde Ottos I. an seine Frau Adelheid als echt angesehen. In der besagten Urkunde wird Sermersheim infolgedessen zu einem königlichen Gut. Im 13. Jahrhundert wird Sermersheim als fester Sitz des elsässischen Landvogts erwähnt und zerstört. Allein die Aussage, dass Sermersheim fester Sitz des Landvogts war, lässt Rückschlüsse auf die Bedeutung der Siedlung zu. Auch wenn sich in nächster Zeit vermutlich kaum weitere archäologische Nachweise erbringen lassen, so bieten doch die Schriftquellen Möglichkeit zur Interpretation. Die Wasserversorgung allein für den täglichen Bedarf der Menschen ist hier zumindest für einen Teil der Brunnen auszuschließen. Gräber nahmen sowohl bei ihrer Anlage als auch bei der Errichtung anderer Strukturen keine Rücksicht. So ist in diesem Punkt die Anlage des Brunnens als reine Wasserversorgung für den Ernährungsbedarf eher unwahrscheinlich. 6.1, Handwerkliche Funktion der Brunnen: H. Geisler schreibt in einem Aufsatz über Kirchheim, dass Schmieden und Textilherstellung als Basis-Handwerke auf jedem Hof ausgeübt wurden. Die beiden Handwerke lassen sich auch in Sermersheim nachweisen. Zahlreiche Schlackefunde – vor allem hervorzuheben ist hier ein 10 Kilo schwerer Eisenschlackefund aus einer Vorratsgrube – deuten auf Metallproduktion oder auch -verarbeitung hin. Damit das Eisen aus dem Erz geschmolzen werden kann, ‘muss das stark verunreinigte und mit Gesteinen vermischte Roherz mit Wasser gereinigt und dann geröstet werden.’ Zwar können archäologisch keine Nachweise erbracht werden, doch deuten die Schlackefunde darauf hin, dass das Eisen vor Ort gewonnen oder verwendet wurde. Beim Vorgang des Schmiedens benötigt man ebenfalls Wasser. Das glühende Metall wird in Wasser getaucht und abgeschreckt. Durch diesen Vorgang des Abschreckens erhält das Eisen seine Härte. Sowohl Lein- und Hanfreste als auch Webgewichte sind Anzeichen für Textilverarbeitung. Damit aus den beiden Pflanzenarten die für die Stoffherstellung wichtigen Fasern gewonnen werden konnten, bedurfte es großer Wassermengen. Nachdem die Pflanzenstengel aus der Erde gezogen, getrocknet und die Samenkapseln entfernt wurden, legte man sie bündelweise in einen Rösteteich. Dies geschah, damit Bakterien die Stengel soweit zersetzten, bis diese in sich zusammenfielen und für die Weiterverarbeitung verwendet werden konnten. Bei der Keramikherstellung ist Wasser ebenfalls ein elementarer Bestandteil. Um den gewonnen Ton gebrauchsfertig zu bekommen, mussten zuvor mehrere Bearbeitungstechniken angewandt werden. Zunächst wurde der Ton beim Sumpfen vollständig gewässert, gereinigt und zerkleinert. Beim Schlämmen wird so viel Wasser der Masse beigegeben, bis sich ein flüssiger Tonbrei bildet. Beim Modellieren musste der Ton ebenfalls feucht gehalten werden, bevor das Objekt dann nach der Fertigstellung getrocknet und gebrannt wurde. 6.2, Versorgung von Tieren und Pflanzen: Der beachtliche Anteil an Tierknochen in den Brunnen deutet auf eine umfangreiche Tierhaltung hin. Die Ergebnisse der Untersuchung in Kapitel 4.4. haben gezeigt, dass die am häufigsten vorkommenden Tierarten Rind, Schwein, Pferd, Schaf/Ziege sind. Kein ungewöhnliches Bild für eine Siedlung der damaligen Zeit. Die Tiere waren sowohl Fleischlieferant als auch Nutztier und mussten dementsprechend versorgt werden, unter anderem auch mit Wasser. Das Rind, im Hochmittelalter allmählich durch das Pferd ersetzt, war zudem als Zugtier für den Pflug bei der Feldarbeit von Nutzen. Der Anbau von Linsen, Erbsen, Feldbohnen und Rübsen und anderen Feldfrüchten ist ebenfalls abhängig von der Wasserzufuhr. Der Gartenbau ist ebenfalls ein Faktor, bei dem Wasser eine Rolle spielt. Mit Koriander und Dill sind zwei Gewürzpflanzen nachgewiesen, die besonders in der jüngeren Wachstumsphase viel Wasser benötigen. 6.3, Der Brunnen als Kultobjekt: Sicheln (vgl. PUI 2288), die in einem rituellen Zusammenhang im Brunnen niedergelegt wurden, deuten auf eine Funktion als Kultobjekt hin. Wingharts Aussage, der den Brunnen als Gegenstand heidnischer Bräuche beschreibt, untermauert diese Funktion. Für den von ihm angesprochenen bayrischen Raum kann ein Brunnen als der Ort einer dörflichen Gemeinschaft angesehen werden, an dem Opfer in individuellen oder gemeinschaftlichen Riten dargebracht wurden. Ausschlaggebendes Fundgut aus einem Brunnen der frühmittelalterlichen Siedlung in Eching (Lkr. Freising) waren eine Lanzenspitze und Reste eines Rinderschädels. Eine wasserversorgende Funktion ist auszuschließen. Hinsichtlich der Sichel, die auch aus einem der Brunnen in Sermersheim geborgen werden konnte, finden sich zwar Nachweise abergläubischen Gebrauchs, doch sind diese nie in einem direkten Zusammenhang mit Brunnen zu sehen. Brunnenopfer als solches sind nichts seltenes, doch handelt es sich in Anbetracht der Fundlage der Sichel eher um Verfüllungsmaterial als um einen heidnischen Brauch. Die Sichel befand sich in der obersten Schicht von Brunnen PUI 2288.
Saskia Hunsicker M.A. wurde 1983 in Püttlingen geboren. Ihr Studium der Frühgeschichtlichen Archäologie schloss sie 2009 erfolgreich ab. Bereits während des Studiums lag ihr Hauptinteresse in der Dendrologie und Archäobotanik, die auch nach dem Studium ihre Forschungsschwerpunkte sind.
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