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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 104
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Anfang August 1562 verwüstet ein Unwetter weite Teile Südwestdeutschlands. Kurz darauf brennen in der kleinen Grafschaft Wiesensteig die ersten Scheiterhaufen - ein schreckliches Szenario, das sich in den folgenden Jahrzehnten in anderen Regionen mehrfach wiederholen sollte. Denn ein häufiger Grund für die Verfolgung von Hexen war die Anschuldigung, Wetterzauber betrieben zu haben. Tatsächlich fallen die Hochphasen der Hexenverfolgung mit einer Klimaverschlechterung zusammen, die als Kleine Eiszeit bekannt geworden ist. Anhand ausgewählter Beispiele geht die vorliegende Studie der Frage nach, ob und inwiefern dieser Zusammenhang im südwestdeutschen Raum nachweisbar ist.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 6., Die Hungerkrise der frühen 1570er Jahre und der allmähliche Mentalitätswandel: Die Hungerkrise zu Beginn der 1570er Jahre war die erste, die von der Grindelwald-Schwankung verursacht worden war. Sie war ein völlig unerwarteter Blitzschlag nach einer langen Zeit des wirtschaftlichen Sonnenscheins und diente über mindestens zwei Generationen hinweg als Maßstab für alle nachfolgenden Versorgungskrisen. Doch vielleicht war sie nur deshalb in ihren Ausmaßen so verheerend, eben weil die Menschen darauf schlicht nicht vorbereitet waren. Die letzte vergleichbare Klimaverschlechterung im Zuge der ‘Kleinen Eiszeit’ hatte sich schließlich schon im 14. Jahrhundert ereignet und darauf war eine lange Zeit mit relativ mildem Klima gefolgt, das reiche Ernten ermöglicht hatte. Schon die Zeitgenossen betrachteten die ungünstige Witterung und die Missernten des Jahres 1569 als Ursachen der Krise. Diese Witterungsverhältnisse, die die Getreideernten stark dezimierten, breiteten sich von Ost nach West über weite Teile Europas aus. Ausgehend von Russland erfassten die Missernten rasch auch die Ukraine, Polen, Böhmen, Österreich und Norditalien. In Mitteleuropa erreichte die Hungerkrise schließlich im bitterkalten Winter 1570/71 ihren Höhepunkt. In der Tat waren die Landstriche zwischen Lemberg im Osten und Orléans im Westen am stärksten von der Inflation betroffen. Dort stiegen die Preise um das Vierfache oder sogar noch stärker. An den Küsten von Nord- und Ostsee fielen die Preisanstiege jedoch wesentlich moderater aus. In London und Danzig verdoppelten sie sich noch nicht einmal. Denn an den Küsten war es leichter möglich, die Missernten vorübergehend durch Einfuhren auszugleichen. In den deutschen Städten waren die Getreidepreise niemals zuvor so hoch gewesen wie während der Krise von 1570. Die übergroße Mehrzahl der Bevölkerung wendete während der Teuerung nahezu ihre gesamte Kaufkraft für Nahrungsmittel auf. Für Güter des gehobenen Bedarfs, wozu in Krisenzeiten auch Fleisch, Butter oder Kleidung gehörten, war kein Geld mehr vorhanden. Da durch die Kaufzurückhaltung der Absatz in vielen Branchen einbrach, war Arbeitslosigkeit eine Folge der Teuerung. Die hohen Lebensmittelpreise führten außerdem dazu, dass Handwerksmeister ihr Personal entlassen mussten und stattdessen ihre eigenen Kinder als billige Arbeitskräfte einspannten. Die Entlassenen besaßen nicht mehr das Bürgerrecht der Städte und erhielten damit auch keine Sozialleistungen. Schlimmer als in den Städten war die Not jedoch auf dem Lande, wo keinerlei Sozialleistungen existierten – abgesehen von klösterlichen Almosen. Vielen Angehörigen der unterbäuerlichen Schichten und entlassenen Handwerksgesellen blieben nur die Bettelei und der Versuch in die Städte zu fliehen. Entlassene Landsknechte, die im Besitz von Waffen waren, zogen durch das Land und überfielen in ihrer Not einzeln stehende Höfe und Weiler. In ihrer Not aßen viele Menschen Rüben, Nesseln, Kraut und Gras. Andere weideten gefallenes Vieh aus oder tot geborene Kälber. Die schiere Not zwang die Menschen sogar dazu, das Fleisch von Pferden, Hunden, Katzen, Ratten und Mäusen zu essen. Obdachlose und arme Leute, die sich kein Brennholz mehr leisten konnten, erfroren oder litten zumindest an Erfrierungen. Erfrorene Gliedmaßen faulten ab oder wurden bei mangelnder Hygiene von Ungeziefer befallen. Selbst den Mittelbauern fehlte es an vielem, obwohl ihre Äcker und Viehbestände selbst in schlechten Jahren noch genug für die Selbstversorgung abgeworfen hätten. Doch die Dienste und Abgaben sowie auch die Vorkaufsrechte der Grundherren raubten ihnen die letzten Reserven. Nur die Großbauern konnten auch in Krisenjahren noch einiges verkaufen. Zur Linderung der Not kaufte die Stadt Augsburg zwischen April 1570 und Mai 1571 für insgesamt 58 000 Gulden Getreide ein und ließ Brot in eigener Regie backen und zu verbilligten Preisen an Bedürftige ausgeben. Tatsächlich konnten die Kosten für den teuren Landtransport von Getreide nur in Krisenjahren gedeckt werden. Denn in normalen Jahren blieb der Wert einer Wagenladung relativ gering, weil Getreide im Vergleich mit dem Preis ein recht großes Volumen einnimmt und obendrein ein relativ großes Gewicht hat. Deshalb aßen die von Hunger bedrohten Bewohner großer Städte oft Brot aus Getreide, das in weiter Ferne geerntet worden war. Als 1571 die Getreidevorräte der Stadt Frankfurt am Main soweit aufgebraucht waren, dass sie noch nicht einmal für vier Tage gereicht hätten, ließ der Stadtrat 13 Schiffsladungen aus den Niederlanden in die Stadt schaffen. In Augsburg wurde das Getreide teilweise sogar aus dem ansonsten so gefürchteten und verhassten Osmanischen Reich angeliefert. Schon bald aber kam der Handel zum Erliegen, weil es zwischen Danzig und Antwerpen keine Obrigkeit mehr gab, die Getreideausfuhren gestattete. Erst 1572 kam der Handel wieder in Fahrt. Weil gute Ernten erwartet wurden, lockerten zahlreiche Territorien ihre Handelsbeschränkungen. Für eine Entwarnung war es jedoch noch zu früh. Denn erst 1573 erreichten die Sterberate und die Preise in zahlreichen deutschen Städten ihren Höhepunkt. Für Süddeutschland war es jedoch das erste Jahr mit weitgehender Normalität. Neben einer ganzen Reihe von modern anmutenden und rationalen Anordnungen, die sich auf das Krisenmanagement konzentrierten, ermöglichte die Krise auch die Einführung einer umfangreichen Sittengesetzgebung zur Sozialdisziplinierung. Sie kam allen Bevölkerungsteilen schlüssig vor, weil die Krise überwiegend als ein Strafgericht Gottes angesehen wurde. So wurden beispielsweise Mandate erlassen, die wöchentliche Bußprozessionen vorsahen oder Kundschafter eingestellt, die die Einhaltung der Sittengesetze beobachten sollten. Noch viel weniger rational waren die neu erlassenen Gesetze, die sich gegen die Zauberei richteten. Hinter solchen Verordnungen verbirgt sich ein Mentalitätswandel, der bereits um 1560 begonnen hatte und sich mit der Zeit immer mehr verstärkte. Er stellte eine merkliche Verdüsterung des Weltbildes dar und erklärt, weshalb die Oberschicht schließlich dem Drängen der einfachen Bevölkerung nach Hexenverfolgungen nachgab. Während des gesamten 16. Jahrhunderts hatte ein auf das Diesseits bezogener, lebensbejahender Optimismus dominiert, obwohl das Christentum nach der Reformation gespalten war und es deshalb immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen kam. Der Mentalitätswandel schlug sich nun unabhängig von der konfessionellen Zugehörigkeit in einer Abkehr von dieser weltoffenen, genussfreudigen und dem Diesseits zugewandten Haltung nieder. In ihrer Not suchten die Menschen Zuflucht in dogmatischen, konfessionell religiösen, asketischen und auf das Jenseits bezogenen Denk- und Verhaltensweisen. Sie versprachen den Zeitgenossen Halt. Die Jahrzehnte um 1600 waren nicht umsonst eine Hochphase der dämonologischen Literatur. Außerdem wurde in dieser Zeit erstmals seit langem der Hexenhammer wieder neu aufgelegt. Doch es soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auch eine ganze Reihe von Büchern zur Landwirtschaft erschien. So veröffentlichte beispielsweise Conrad Heresbach 1570 seine Schrift Rei Rusticae Libri Quattuor, das mehrere Auflagen erfuhr, und 1590 erschien Martin Grossers Kurze Anleitung zu der Landwirtschaft. Im Jahr darauf wurde Johann Colers Landwirtschaftlicher Kalender gedruckt. Diese und weitere Autoren mahnten ihre Leserschaft, tiefer zu pflügen, besser auf die verschiedenen Bedürfnisse der einzelnen Anbaupflanzen zu achten , reichlicher mit Stallmist, Mergel, Kalk oder Asche zu düngen, das Saatgut häufiger zu wechseln und zu ergiebigeren Fruchtfolgen zu wechseln. Zudem waren eiserne Pflüge und Eggen eine Erfindung jener Zeit.

Über den Autor

Hannes Weik, M.A., geboren 1983 in Künzelsau, hat in Tübingen und Brighton (Großbritannien) Neuere und Neueste Geschichte sowie Geografie studiert. Vor allem die Überschneidungsbereiche beider Wissenschaften faszinierten ihn, besonders die Historische Klimatologie und die Frage, wie der Mensch seine Umwelt wahrnimmt, deutet und gestaltet. Dabei stieß er 2007 auf die Kleine Eiszeit und die These, dass diese eng mit den Hexenverfolgungen der Frühen Neuzeit zusammenhängt. 2010 schloss er sein Studium ab und arbeitet seither in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Privat ist sein Interesse an den Fragestellungen aus der Studienzeit allerdings nach wie vor ungebrochen.

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