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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 116
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Kahl geschoren, entkleidet, entwürdigt und entweiblicht: Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 begann für viele Frauen ein langer und qualvoller Leidensweg durch zahlreiche Gefängnisse und Konzentrationslager. Alleine im Konzentrationslager Ravensbrück - dem größten Frauenkonzentrationslager auf reichsdeutschem Boden - waren zwischen 1993 und 1945 über 123.000 Frauen und Mädchen inhaftiert. Die Haft bedeutete für die Frauen meist den völligen Verlust ihrer Weiblichkeit: Katastrophale hygienische Bedingungen, brutale Strafen, schwere körperliche Arbeit und nicht zuletzt die ständige Todesangst, führten zu einem drastischen Verfall der typisch weiblichen Attribute - die Frauen bezeichneten sich schließlich selbst als Unwesen . Im Fokus dieser Studie stehen Frauen, deren Alltag durch die Willkür der Nationalsozialisten und die verheerenden Umstände im Konzentrationslager bestimmt wurden und die ihre Erinnerungen, zum Teil selbst, aber auch mit Hilfe von Journalisten und Autoren, niedergeschrieben haben. Anhand zahlreicher Berichte überlebender Frauen wird untersucht, wie sie versuchten, in einem solchen Lager zu leben und zu überleben.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 6, Frauen in Konzentrationslagern: Auch ohne besonders brutale Strafen, oder Folter waren die Frauen während ihrer Haftzeit unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt. Bei den meisten Überlebenden beginnt die Haft zunächst im Gefängnis, von wo aus sie in verschiedene Lager transportiert wurden. Trotz der vielen, verschiedenen Einzelschicksale, individuellen Umstände der Verhaftung und subjektiven Wahrnehmungen der Ereignisse gibt es Faktoren, die von allen Autorinnen beschrieben wurden. Zu diesen zählt an erster Stelle die dauerhafte körperliche und seelische Belastung durch Hunger, unhygienische Zustände und mangelnde medizinische Versorgung. Des Weiteren beschrieben alle einen überwiegend monotonen Alltag, der sich trotz der Extremsituation der Haft einstellte und den es durch die Entwicklung eigener Strategien zu überleben galt. Die amerikanische Historikerin Sybil Milton hat sich mit dieser Thematik beschäftigt und sich dabei speziell auf weibliche Formen des Überlebens konzentriert. Sie schlussfolgert, dass sich Frauen anderer Überlebenstechniken bedient hätten als Männer. Zu diesen zählt sie: ‘Hausarbeit, die eine Art praktischer Therapie war und zur Erlangung von Kontrolle über die eigene Lebenssphäre diente, freundschaftliche Beziehungen, Kommunikationsnetze, religiöse und politische Überzeugungen, unauffälliges Verhalten und möglicher Weise sogar Sex’. Viele dieser Faktoren lassen sich auch in den hier ausgewerteten Überlebensberichten wiederfinden, wobei die Aspekte der gemeinschaftlichen Integration in Beziehungsnetze gesondert betrachtet werden müssen. Im Folgenden sollen daher als widrig empfundenen Aspekte der Haft und die Strategien des Überlebens im Fokus stehen. Keine Sonderstellung für weibliche Häftlinge: Bevor im nun folgenden Teil die Lebensbedingungen von Frauen in Konzentrationslagern ausführlich dargestellt werden sollen, muss zunächst festgehalten werden, dass grundsätzlich von ‘offizieller’ Seite für weibliche Häftlinge keine andere Behandlung vorgesehen war, als für männliche. Bei der Organisation des Lagers, den Häftlingskategorien, den Arbeitskommandos und den Bestrafungen gab es keine speziellen Regelungen für Frauen. Dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass Frauen die gleichen Situationen anders wahrnehmen konnten als Männer und dass es durchaus geschlechtsspezifische Unterschiede gab. Dass Frauen wie Männer in Konzentrationslagern dennoch der gleichen Behandlung ausgesetzt waren, mag aus der damaligen Vorstellung resultieren, dass es grundsätzlich keine Unterschiede zwischen Männern und Frauen der ‘niederen Rassen’ gab und dass nur bei ‘nordischen’ Rassen eine Geschlechterdifferenz nachweisbar sei. Diese Theorie von der Gleichheit der Geschlechter hatte demzufolge auch Auswirkungen auf die Behandlung von Frauen in Konzentrationslagern. So war beispielsweise die Bestrafung durch Schläge für männliche wie weibliche Häftlinge in der gleichen Art und Weise und mit der gleichen Härte durchzuführen. ‘Die Prügelstrafe rief neben unerträglichen Schmerzen bei allen Frauen auch das Gefühl tiefer Demütigung hervor. Was mußten sie empfinden, wenn sie in Gegenwart des Lagerkommandanten […] und gelegentlicher Besucher über den Prügelbock gezogen wurden! Seit April 1942 gab es auf persönliche Anordnung Hitlers einen ‚verschärften Strafvollzug‘, der auf das unbekleidete Gesäß zu erfolgen hatte’. Gewisse Gruppen bzw. ‘Rassen’ waren es nach der Ideologie der Nationalsozialisten nicht ‘wert’ in verschiedene Geschlechter unterteilt zu werden. Dass sich unter den Nationalsozialisten Rassismus und Sexismus vermischten, zeigte sich auch am Umgang mit Zwangsarbeiterinnen. Je niedriger der ‘Wert’ einer bestimmten Volksgruppe war, desto höher war der Anteil an Frauen, die zur Schwerstarbeit heran gezogen wurden. Auch wenn dieses Beispiel aus einem Bereich außerhalb der Konzentrationslager stammt, zeigt es dennoch welche Ausrichtung die Geschlechterpolitik der Nazis hatte. Zwar wurden Männer und Frauen in den Konzentrationslagern voneinander getrennt, allerdings nicht mit der Absicht ihnen eine unterschiedliche, geschlechtsspezifische Behandlung zukommen zu lassen. Vielmehr führten die grundsätzlichen Standards, die für weibliche wie männliche Häftlinge galten, zu geschlechtsspezifischen Problemen und Gefahren (Misshandlung, Zwangsprostitution, Demütigung, Verrichtung von schwerer ‘Männerarbeit’ etc.) für die inhaftierten Frauen. Eben diese geschlechtsspezifischen Aspekte und Erfahrungen werden im nun folgenden Teil thematisiert werden. Hintergrund sind dabei, wie bereits erwähnt, die Erinnerungen der überlebenden Frauen und welche Erfahrungen sie selbst in ihren Erinnerungen als ‘geschlechtsspezifisch’ wahrnahmen. 6.1, Ankunft im Konzentrationslager: Eine Auffälligkeit bei nahezu allen Autobiographien von Überlenden Frauen ist, dass alle den Aufnahmeritus in das Konzentrationslager sehr eindringlich und ausführlich schilderten. Tatsächlich scheint die Ankunft und die Aufnahme von fast allen Frauen als die erste einschneidende Demütigung und der erste, bewusste Angriff auf ihr Geschlecht gewesen zu sein. Den ersten Eindruck von Ravensbrück schilderte eine Reihe von Frauen ähnlich wie die Lagerinsassin Hildegard Schaeder: ‘In fichtenbestandenem, sandigen Hügelgelände, von Betonmauer und Stacheldraht im Kreise umgeben, über die einzig der Wachturm und de Krematoriumsschornstein hinausragten, lagen an der schnurgeraden, mit Kohlenschotter bestreuten, peinlich sauber gepflegten Lagerstraße und ihren Nebenwegen, über denen wir manchmal lange Zeit deutsche Flieger kreisen sahen, die rund dreißig Blocks, einstöckige Holzbaracken, jede aus ‚A- und B-Seite bestehend, mit je einem Wohnraum, Schlafraum, Waschraum, je fünf Aborten und insgesamt einem ‚Dienstzimmer‘ für die Blockälteste’. Und die Lagerinsassin Antonia Bruha: ‘Hinter uns das Tor, durch das wir gekommen sind: ein schweres, eisernes Tor, doppelt verschlossen. Eine hohe, dicke Mauer umgibt das Lager, auf ihr ist Stacheldraht gespannt. Später erfahren wir, daß dieser Draht Tag und Nacht elektrisch geladen ist, um jede Flucht unmöglich zu machen. Abseits liegt eine langgestreckte, hölzerne Baracke, die durch einen Drahtzaun vom Lagerplatz getrennt ist wir sehen hinter den offenen Fenstern SS-Männer und Aufseherinnen sitzen. Zur rechten Hand steht eine Holzbaracke, in die wir eine nach der anderen gerufen werden’. Die Angaben darüber, wie viele Frauen in einem Block untergebracht waren, hingen davon ab zu welchem Zeitpunkt die Frauen ins Lager kamen, da die Häftlingszahlen nach Kriegsbeginn stark anstiegen. Corrie ten Boom zum Beispiel erzählt, sie habe in einer Baracke ‘[...] mit ungefähr 1.400 darin gehaust’. Ankunft im Lager: Im Folgenden soll nun versucht werden, anhand zentraler Begriffe wie Aufnahme, Kleidung, Ernährung etc. einen Eindruck in den Alltag innerhalb der KZ zu geben. Was das alltägliche Leben im Konzentrationslager für die einzelnen Frauen bedeutete, lässt sich heute jedoch nur schwer rekonstruieren. Jede der Frauen erlebte ihren eigenen Alltag subjektiv und individuell, ein Gesamtbild lässt somit nur in einzelnen Bruchstücken zusammenstellen. Die einzelnen und individuellen Schilderungen der Frauen, welche beispielsweise durch Interviews mit Überlebenden zusammengetragen wurden, sowie die schriftlichen Zeugnisse der überlebenden Frauen lassen ein Mosaik entstehen anhand dessen man den Alltag der Frauen im Lager zumindest teilweise nachvollziehen kann. Mit der Aufnahme begann für die Frauen das Leben in Ravensbrück. Das Aufnahmeritual in Verbindung mit den ersten Eindrücken von Stacheldraht, Entwürdigung und Gewalt verdeutlichte den Neuankömmlingen unmissverständlich die Aussichtslosigkeit und den Ernst ihrer Situation. Auffällig ist, dass sich die verschiedenen Aussagen in Bezug auf das Erleben der Aufnahme im KZ sehr ähneln. Nach oft tagelangen und unter schlechten Bedingungen durchgeführten Transporten mussten sich die Frauen im KZ nach längerer Wartezeit zunächst entkleiden und kalt abduschen. Anschließend wurden den Frauen die Haare geschoren, eine Prozedur, die ebenfalls von vielen der Überlebenden geschildert wurde. Vor allem die Rasur der Kopfhaare wird von den Frauen entwürdigend empfunden: ‘Ich glaube, nach den Schlägen und den Hunden war der schlimmste Schock das Kahlscheren. Und für denjenigen, die noch nicht dran waren, der Anblick der kahlen Schädel’. Das Aufnahmeritual wurde auch von Antonia Bruha ausführlich beschrieben: ‘[...] und schon stehen wir im nächsten Raum. […] es ist ein Duschraum […] Aber auch manche, die keine Läuse haben, die nur der Aufseherin zu hübsch erscheinen, werden kahlgeschoren. […] Anschließend werden wir im Duschraum nackt in einer Reihe aufgestellt. […] Wir warten fast zwei Stunden auf den Arzt. Der Raum ist inzwischen kalt geworden, wir frieren erbärmlich. Endlich kommen fünf Männer in SS Uniformen. […] Nun beginnt eine peinliche Nacktparade vor der SS Versammlung. […]’. Danach erhielten die Frauen ihre Häftlingskleidung, bei der in der Regel nicht auf passende Größen oder Zusammenstellungen geachtet wurde. Neben dem Kahlscheren wird vor allem immer wieder die Kälte und das Ablegen der Kleidung als besonders unangenehm und entwürdigend dargestellt. Der gesamte Ritus vollzog sich in einer sehr angespannten und hektischen Atmosphäre, meist unter den Augen von männlichem Bewachungspersonal, welches nicht mit Prügeln sparte wenn es nicht schnell oder ordentlich genug voran ging. ‘Vor den Männern uns ausziehen, zögernd sahen wir uns an, aber schon sprangen die Gestreiften auf uns zu und rissen uns die Kleider vom Leib. Schnell, schnell, hetzten sie uns, so daß wir mit fliegenden Händen alles von uns warfen. […] Wir waren eingekleidet, wir schauten uns an stumm- sprachlos. Jetzt waren wir Masse, zerlumpte Weiber, keine unterschied sich von der anderen’. Viele der Überlebenden schilderten, dass sie während dieser ohnehin entwürdigenden Situation zusätzlich von den Männern der SS durch anzügliche Bemerkungen oder Gesten verspottet und beleidigt wurden. Der Verlust der Haare, die schlecht sitzenden Häftlingskleidung und die entwürdigende Zurschaustellung wurde von den Frauen als ‘Entweiblichung’ verstanden. Von den Frauen wurde die Ausnahme ins KZ bereits als Angriff auf ihre Weiblichkeit wahrgenommen, was auch von vielen Überlebenden auf diese Art formuliert wurde. Dass die Aufnahme ins Lager von den meisten der Frauen präzise geschildert wurde und daran offenbar besonders viele Erinnerungen geknüpft waren, zeigt wie stark sie bereits dieser erste Eindruck geprägt hat. Die Überlenden sahen durch die Vernichtung ihrer äußerlichen weiblichen Züge ihre Wesensmerkmale als Frauen beseitigt: ‘Als die Sonne sinkt, stehen wir wieder vor dem Bad. Nicht wir, sondern eine Gruppe unmöglich angezogener Menschen. [...] Wir sind keine Frauen mehr und keine Menschen. Jede hat ihre Lagernummer erhalten, und somit ist sie in die große Schar der Rechtlosen und Namenlosen aufgenommen‘. Das Empfinden der Autorinnen beim Eintreffen im Konzentrationslager stellt sich dennoch auch unterschiedlich dar, obwohl die Verhältnisse im Lager dieselben waren. Die Beschreibungen von Margarete Buber-Neumann bei ihrer Ankunft im KZ sind für den Leser zunächst befremdlich. Ihre Zeit im Gulag hat die Autorin tief geprägt und somit scheint ihr vorerst das Lager eine qualitative Lebensverbesserung zu sein. Befremdlich daran ist der Aspekt, das in der geschichtlichen Aufarbeitung derartige Ansichten, wie die der Autorin nicht geäußert werden. Das heißt, niemand würde den Gedanken vertreten, dass Konzentrationslager nicht so unmenschlich waren wie beispielsweise ein Gulag: ‘So eine Ravensbrücker Baracke schien mir ein Palast, wenn ich an die Lehmhütten in Burma zurück dachte. Man bedenke nur, eine Toilette und ein Waschraum! Tische und Schemel und Schränke! […] Aber nun erst der Schlafsaal mit seinen sieben, damals noch zweistöckigen Bettenreihen, wo jeder Häftling sein eigenes Bett mit einem Strohsack besaß!’ Diese Perspektive der Wahrnehmung eines Spezial- bzw. Konzentrationslagers mag ungewöhnlich erscheinen, war jedoch kein Einzelfall. Für die inhaftierten Frauen war es unerheblich, ob sie in einem Gefängnis oder einem Lager inhaftiert waren. Die Minimalstandards des täglichen Lebens waren entscheidend für die Bewertung der Überlebenschancen und der Lebensqualität. Das Vorhandensein von Betten, Stühlen und Essgeschirr war für die Frauen ein wichtiger Aspekt, der ihnen Hoffnung verlieh, die Haft überleben zu können. Dass allerdings auch Eindrücke wie dieser sehr stark von den Zeitpunkt abhingen, zu dem man in ein Lager kam, zeigt eine Bemerkung von Edith Sparmann, die sich ebenfalls an die Minimalstandards im Lager erinnerte: ‘Danach wurden Wäsche und Lagerkleidung ausgehändigt. […] Das war zu jener Zeit als ich ankam, noch sehr viel. Wenn Häftlinge, die später ins Lager kamen, die folgende Aufzählung hörten, werden sie wohl sagen: ‚Wo war die denn? Niemals in Ravensbrück.‘ Doch 1941 bekam man tatsächlich noch Folgendes: einen Büstenhalter, einen Schlüpfer […] Dann ein Hemd, einen Strumpfgürtel, ein Unterkleid, ein Paar Strümpfe, ein Kleid, eine Schürze, ein Paar Holzpantinen, ein Nachthemd und im November auch noch eine Jacke und ein Kopftuch’. Nach dem Aufnahmeritual wurden die Frauen schließlich auf ihre jeweiligen Blöcke im Konzentrationslager verteilt.

Über den Autor

Florian Rübener, M.A. wurde 1984 in Engelskirchen geboren. Sein Studium der Geisteswissenschaften Geschichte und Anglistik an der Universität Duisburg-Essen schloss er im Jahr 2012 mit dem akademischen Grad des Magister Artium ab. Bereits während seines Studiums spezialisierte Rübener sich auf die Geschichte der Neuzeit - insbesondere auf die Zeit des Nationalsozialismus. Neben seinem Studium arbeitete Rübener als freier Journalist und publizierte vor allem Wortbeiträge im Rundfunk. Ein Besuch des Konzentrationslagers Dachau sowie die im Studium erworbenen Kenntnisse, motivierten ihn schließlich, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen. Seit Abschluss seines Studiums arbeitet Rübener hauptberuflich als Journalist.

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