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Geschichte

Leonie S. Wagenaar

Die Minne bei Hartmann von Aue: Zum Minnebegriff im Erec und im armen Heinrich

ISBN: 978-3-95934-787-7

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 10.2015
AuflagenNr.: 1
Seiten: 68
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Dichtkunst Hartmanns von Aue ist als verschiedenartig zu bewerten, da sein Repertoire sowohl Werke umfasst, die der Artusepik zugeordnet werden können, als auch Werke im Bereich der Minnelyrik, der Legendenlyrik und der Kreuzzugslyrik. Ob und inwiefern bestimmte Themen trotz dieser Diversität wiederholt in seinen Werken vorkommen und in welcher Form, ist eine interessante Frage. Eines der Themen, das von verschiedenen Literaturwissenschaftlern analysiert worden ist, ist der Minneaspekt im Werk Hartmanns. Dies hat zu unterschiedlichen Fragen und Ansichten geführt: Ist seine Auffassung zur Minne am Ende seines Lebens einer Absage an die Minne gleichzusetzen? Macht Hartmann in seinem Dichterleben diesbezüglich eine Entwicklung durch? Ändert sich seine gesellschaftliche und literarische Ansicht zur Minnethematik in der Dichtkunst mit den Erfahrungen, die er in seinem Leben macht? In dieser Studie wird anhand der Frage, inwiefern der Minnebegriff bei Hartmann von Aue als gattungsspezifisch oder als Folge seiner persönlichen Entwicklung zu betrachten ist, untersucht.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2.1 Artusepik: In der Entstehunsgeschichte des deutschen Artusromans sind die Werke des Chrétien de Troyes aus Frankreich von großer Wichtigkeit. Er wird als der eigentliche Begründer der Artusepik, die dem deutschen Publikum zum ersten Mal von Hartmann von Aue mit der Übersetzung und Bearbeitung des Erec vermittelt wird, betrachtet. Die Erzählungen des Chrétien bedeuten eine neue Auffassung von der Literatur in der höfischen Zeit. Um 1170 entstanden nach der französischen Vorlage Werke wie das Rolandslied, Eneit und der Trierer Florys. Dabei ist nicht die Erfindung neuer Stoffe wichtig eine Bearbeitung des Inhalts oder höchstens eine Umdeutung gewisser Geschehnisse genügen, damit im Wahrheitsgehalt und somit in der Glaubwürdigkeit die Quelle als Legitimation dienen kann. Der Anfang jeder Artusgeschichte wird von einer Verstörung der höfischen Ordnung markiert. Dabei handelt es sich oftmals um eine Schändung der Ehre, die von einem auserwählten Ritter durch âventiure wiederhergestellt werden muss. Die Verletzung der Ehre ist nicht nur eine persönliche Kränkung, sondern auch eine Beleidigung des gesamten Artushofes. Während der âventiure gerät der Ritter in Situationen, in denen er tugend zeigen kann: Hilfe leisten, Güte zeigen, usw. Es handelt sich dabei um Dienste an die Gemeinschaft, die dem Ritter ebenfalls einen individuellen Aufstieg bringen. Nachdem er sich ausreichend für Rehabilitation eingesetzt, und somit seine Ehre wiederhergestellt hat, kehrt der Ritter an den Artushof zurück. Die âventiure-Handlung ist mit minne-Handlung verknüpft, wie am Beispiel der beiden Artusromane Hartmanns deutlich zu erkennen ist: während Erec den Fehler macht, sich zu verligen, indem er sich ausschließlich der Liebe zu Enite widmet und damit seine Verantwortlichkeiten als Ritter vernachlässigt, nimmt Iwein diese viel zu ernst, und verrîtet sich, so dass seine Laudine diejenige ist, die unter Vernachlässigung zu leiden hat. In beiden Fällen ist richtige mâze der Kern der Lösung. König Artus selber gilt als Inbegriff des höfischen Ritters, der die Ordnung der höfischen Welt aufrecht erhält und sich ständig durch seine Weisheit und Freigiebigkeit bewährt. Bemerkenswert in den Artusromanen sind ferner die märchenhaften Gestalten, denen der Ritter während seines Ausritts begegnen kann: Zwerge, Riesen, Drachen – seine Kampffähigkeiten werden auf sehr verschiedenartige Weise erprobt. Auch im Erec sind diese Gestalten vorhanden. 2.2 Zur Entwicklung der Minnedichtung: Laut Schweikle ist der mittelalterliche Minnesang so vielseitig, dass es keine allesumfassende Theorie gibt, um diese Dichtform als einheitliche Kunstäußerung zu analysieren. Er weist daraufhin, dass zur Erklärung des Entstehens des Minnesangs und zur späteren Herausbildung dieser Lyrik viele Faktoren, die vor allem von den gesellschaftlichen und sozialen Veränderungen im 12. Jh. bestimmt worden sind, einbezogen werden müssen. Seiner (auf den Vergleich verschiedener Theorien von Literaturwissenschaftlern gegründeten) Meinung nach ist der zwischen 1170 – 1200 gedichtete Hohe Minnesang ein Ausdrucksmedium des gesamten Adels, in dem die Problematik und Situation der damaligen Gesellschaft dargestellt werden: die höfische Gesellschaft (sowohl die adligen als auch nichtadligen Schichten), positioniert sich in der Dichtung, die zur Selbstdarstellung dient, indem die Situation, in der man sich befindet (z. B. die standesgemäße Lage), oder die existentiellen Unsicherheiten (wie Angst vor Sünde und Buße) sich in dem Werbeaspekt des Minnedienstes (wobei ein unerreichbares Ideal hervorgehoben wird) äußern. Zentrale Werte dabei sind dienest und triuwe, die die Grundlage zum Funktionieren des neuen Feudalsystems bildeten. Der Frauendienst ist als Metapher der Dienstideologie zu verstehen, in der durch das Handeln der Dichter (oder, wie in Erzählungen, der Ritter) und durch das Streben, die rechte mâze in den Tugenden zu betrachten, emotionale und existentielle Probleme dargestellt werden. Ein individuelles Angehen der Problematik, die dadurch verstärkt wird, dass kein Dichter zu der damaligen Zeit einen Gesamtüberblick der Literatur und der Entwicklungen in der Dichtung haben konnte, ergibt eine große Diversität in der Entwicklung des Minnesangs. Demzufolge unterscheidet Schweikle einige Phasen in der Entwicklung der Minnedichtung, die weder zeitlich, noch vom Inhalt her chronologisch zu bewerten sind, sondern sich größtenteils nebeneinander entwickelt haben35. Der Zeitraum, in dem Hartmann dichtete, erstreckt sich von der zweiten Phase (der ersten Hochphase, um 1170-1190/1200) bis zur vierten Phase, (um 1190 – 1230). In der ersten Hochphase befassen sich die Dichter thematisch mit der Ausgestaltung des Minnedienstes in der Hohen Minne auch Kreuzzugslieder und Hohe-Minne-Klage gehören zu dieser Phase. Hartmann hat sich auch mit der Dichtung der dritten Phase, (um 1190-1210/20), die sich auf Kreuzlieder, Frauenlieder, niedere Minne und Witwenklagen bezieht, befasst. Mit der vierten Phase als Höhepunkt und Überwindung (1190-1230) setzt die Problematisierung der Definition von frouwe und wîp sich durch, werden Parodien, Mädchenlieder und Lieder der niederen Minne geschrieben, und bekennen Dichter, wie auch Hartmann, sich zu einer Minne-Absage. Inhalt der frühen Minnelyrik ist das Werben um eine Frau, das über Zweifel, Anstrengung, Eifersucht, usw. zum Treuebekenntnis führt. Hier ist die Rede von einer partnerschaftlichen Beziehung. Langsam entwickelt sich dieser frühe Minnesang zu dem eigentlichen, hohen Minnesang. Es gibt zwischen dem Ritter und der Dame eine Distanz. Einerseits ist diese sozial-historisch zu erklären, und zwar aus der Tatsache, dass der im 12. Jahrhundert aufkommende Ministerialstand (zu dem einige Dichter, wie auch Hartmann von Aue, gehören), durch Dienstleistung um die Anerkennung von Höhergestellten werben muss. Ganz ohne Makel ist diese These jedoch nicht: der soziale Status der meisten Minnesänger war nicht unumstritten der des Ministerialen es befanden sich unter den Dichtern auch Hochadlige. Außerdem musste sich nicht jeder Dienstmann um Anerkennung bemühen, weil einige sich längst ‘hochgearbeitet’ hatten. Eine weitere Erklärung ist die, dass die Distanz als solche nicht aus sozialen Gründen gegeben ist, sondern vielmehr als eine Art Fiktion gesehen werden soll, die eine tiefere Bedeutung hat: Kern des Minnesangs ist das mit größter Anstrengung durchgehaltene Werben um eine Frau. Ziel ist die Anerkennung, zunächst durch die Frau – der Minne Lohn. Dieser Lohn ist in einer Ehe jedoch nicht zu finden, da die Frau in einer Ehe dem Mann untergeordnet ist. Demnach galt die Liebeslyrik einer Frau, die über ihren tatsächlichen Rang hinausgehoben wird, oder, wie auch oft vorkam, schon mit einem anderen verheiratet ist. Es geht hierbei jedoch auch um die sittliche Vervollkommnung durch das strenge Einhalten der Tugenden. Dadurch, dass die Frau erhöht wird, ist sie ein reines und vollkommenes Wesen. Der Ritter muss sich vor ihr bewähren, seine Liebe bleibt jedoch unerfüllt – seine Minneherrin ist unerreichbar. Zu den verschiedenen Gattungen innerhalb des Minnesangs gehören inhaltlich unterschiedliche Liedtypen, wie z. B. die Minneklage, in der eine nicht erwiderte Anbetung einer höher gestellten Dame geäußert wird, wobei der Werbende Beharrlichkeit in seinem Dienst zeigt und nicht resigniert, jedoch Enttäuschungen über das Ausbleiben des Lohnes zu bewältigen hat. Auch Kreuzlieder, in denen als ethisch-religiöses Problem die Diskrepanz zwischen Minnedienst und Gottesdienst und der damit verbundene Entscheidungskonflikt des Dichters beschrieben wird, gehören zur Minnelyrik, wie die ‘Mädchenlieder’, die sich an junge, unverheiratete Frauen richten und gegenseitige Liebe zulassen. Wie sich aus dieser kurzen Übersicht erweist, hat sich der Minneaspekt in der Dichtung Hartmanns in verschiedenen Gattungsformen geäußert, von Minneliedern und Kreuzzugsliedern bis zu Artusromanen und in gewissem Sinne auch Legendendichtung. Interessant dabei ist die Frage, welche Rolle Minne in den unterschiedlichen Genres spielt. 4. Der Minneaspekt bei Erec: 4.1 Zur Vorlage und zum Aufbau: Wie schon in Kap. 2.1 erwähnt, ist der Inhalt dieser Artuserzählung auf die französische Vorlage des Chrétien de Troyes zurückzuführen, der mit Êrec et Ênide eine Erzählung in der Tradition der Artusepik geschrieben hat. Der Aufbau der Geschichte ist dem Anschein nach mit anderen Artusdichtungen vergleichbar: ein Ritter widmet sich nicht allen Tugenden auf gleiche Weise, wird also bestraft, muss büßen und erlangt schließlich Rehabilitierung und die Wiederherstellung seiner Ehre. Die Geschehnisse während der Ausritte zur âventiure des Ritters Erec sind jedoch nicht nur als solche zu betrachten, sondern haben eine Funktion im Gesamtkonzept der Geschichte: sie sind dazu da, hintergründige und die dem Abenteuer übersteigenden Verwicklungen, Entscheidungen, Entwicklungen usw. in einem anderen Zusammenhang auszulösen und zu bewerten. Ein Beispiel dafür findet sich in der Szene, in der Enite in einen Loyalitätskonflikt gerät: entweder sie bricht ihr Schweigegebot, indem sie Erec vor den heranreitenden Räubern warnt, oder sie hält sich an ihr Gebot, indem sie nichts sagt, ihren Mann jedoch der Gefahr aussetzt. Nicht der Kampf mit den Räubern an sich (die von Erec besiegt werden) wird hier hervorgehoben, sondern die Rolle der Enite. Durch die Anspielungen, die die Räuber auf Enite machen, wird der Blick auf sie verstärkt. Hartmann hat die Vorlage des Chrétien nicht nur übersetzt, sondern auch der Situation an deutschen Fürstenhöfen angepasst. Auf dem Weg zum Artushof nach dem Sperberkampf z.B. verlieben Erec und Enite sich im Roman des Chrétien heftig, während bei Hartmann von einem Begehren erst die Rede ist, nachdem der König Enite durch einen Kuss anerkannt hat. In der Erzählweise richtet Hartmann sich mehr auf die Erzählerrolle es sind weniger direkte Dialoge als in der französischen Vorlage vorhanden […].

Über den Autor

Leonie S. Wagenaar wurde 1964 in Deventer, Niederlande, geboren. Ihr Studium der Germanistik an der Rijksuniversiteit Groningen schloss die Autorin mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Sie arbeitet heutzutage als Rektorin einer Schule in den Niederlanden.

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