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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2010
AuflagenNr.: 1
Seiten: 108
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Wie kaum ein anderes Thema gilt die mittelalterliche Inquisition im aktuellen öffentlichen Diskurs als Ausdruck der brutal- menschenverachtenden Seiten der eigentlich zur Menschlichkeit verpflichteten Kirche. Aber ist die Institution Inquisition tatsächlich Ausdruck einer Abirrung vom Evangelium, insofern Inbegriff christlich- kirchlicher Unglaubwürdigkeit? Oder war die Inquisition vielmehr ein Fortschritt im Bereich des Strafrechts und ist somit als ein Werkzeug im Dienste der Humanisierung zu begreifen? Dieser provokanten Frage widmet sich die Autorin Christina Buschbell in ihrer Studie. Viel zu unbedacht wird der Begriff der Inquisition gleichgesetzt mit dem der Hexenverfolgung und der damit verbundenen Verbrennung hunderttausender vermeintlicher Hexen, grausamen Folterungen und einer überdimensionalen päpstlichen Macht, so die These der Autorin. Gestützt durch zahlreiche Quellen zeigt sie, dass die Herausbildung des Inquisitionsverfahrens und die Ketzerbekämpfung zunächst unverbunden nebeneinander standen. Welche Bedeutung kam dem Inquisitionsverfahren dabei ursprünglich zu, wie entstand die kirchliche Ketzerinquisition und inwieweit kam es in diesem Bereich tatsächlich zu Missbräuchen? Diese Leitfragen werden in der Studie überzeugend und schlüssig diskutiert und beantwortet. Um Motivationen und Lehren der ketzerischen Strömungen deutlich werden zu lassen, wird beispielhaft die Gruppierung der Katharer vorgestellt, die eine ausgeprägte dualistische und somit - in den Augen der Kirche - häretische Weltsicht vertritt. Analysiert wird im Anschluss die Rollenverteilung zwischen Bischöfen, Päpsten und dem weltlichen Arm, als es nach dem 20 Jahre andauernden Albigenserkreuzzug zu einer Änderung kommt und die Inquisition im Prozess gegen Ketzer Anwendung findet. Fehlen darf im Anschluss nicht der Blick auf die bedeutenden Inquisitoren Konrad von Marburg und Robert le Bougre sowie deren Wirkungskreise. Nicht nur ist die von der Autorin gewählte Thematik als interdisziplinär hoch-anspruchsvoll einzustufen, überdies gelingt es ihr, Brücken zu bauen zwischen Epochen und Verständnishorizonten.
Textprobe: Kapitel 4.3.3, Die Ketzerverfolgung unter Papst Gregor IX. 4.3.3.1, Die Einführung der päpstlichen Inquisition: Mit den Bestimmungen des Papst Gregor IX. unterstehenden Konzils von Toulouse begannen Ende des Jahres 1229, wie oben erläutert, systematischere Sanktionen gegenüber den Häretikern, als Bernhard von Clairvaux sie seinerzeit bereits durchgeführt hatte. Suchtrupps, eine Art Spezialpolizei, wurden beauftragt, nach den Ketzern zu forschen. Zwar oblag zunächst weiterhin den Bischöfen die volle Jurisdiktion, jedoch wurden hier bereits päpstliche Aufträge an andere Personen legitimiert. Schon wenige Jahre später wurden solche Aufträge erteilt und zusätzlich richterliche Vollmachten von Papst Gregor IX., zuvor Kardinal Hugolin und Legat Honorius III. und in diesem Amte mit der Durchsetzung des Antiketzergesetzes Kaiser Friedrichs befasst, gegeben. Die Bischöfe waren in den Augen des Papstes von großer Trägheit, so dass er ihnen, in Form der inquisitores haereticae pravitatis eine konkurrierende Gerichtsbarkeit zur Seite stellte. Auch wenn die These, Papst Gregor IX. habe die Inquisition zum Leben erweckt, mit Vorsicht zu vertreten ist, kommt dem Jahr 1231 in diesem Zusammenhang zweifellos eine nicht zu verkennende Bedeutung zu. Anknüpfend an den Kanon 3 des 4. Laterankonzils erließ der Papst im Februar 1231 seine Dekretale Excommunicamus, die für die Hinrichtung der Ketzer grünes Licht gab. Darüber hinaus wurden die üblichen Strafen – Exkommunikation, Infamie, Amtsverlust bzw. Berufsverbot, Gefängnis, Bußkreuzetragen – in verschärfter Form erneut angeführt. Wurde Vermögen beschlagnahmt, fiel ein Drittel an den Kläger und ein Drittel an den Senator, das letzte Drittel wurde zur Ausbesserung der Stadtmauer verwendet. Credentes sollten hinsichtlich der Strafen wie Ketzer behandelt werden. Der Papst beauftragte statt der Bischöfe nun offiziell so genannte Inquisitoren mit der ständigen Aufspürung, dem Verhör und der Verurteilung von Ketzern. Das von Gregor erlassene Edikt regelte außerdem die durch die weltliche Macht durchzuführenden Maßnahmen und Strafen. Wiederholt wurde – auch in späteren Erlassen – darauf hingewiesen, dass die Ketzer von kirchlicher Seite abgeurteilt sein mussten, ehe der weltliche Arm zur Ausführung der angesetzten Strafen schreiten konnte. Die von Gregor IX. veröffentlichten Vorschriften zur päpstlichen Inquisition verliehen dieser kaiserlichen Schutz und verbreiteten sich bald nicht nur in Italien, sondern drangen in das gesamte römisch- katholische Europa ein. Es ist zu beachten, dass die bei der Ketzerverfolgung angewandte Inquisition keineswegs mit dem allgemeinen Gerichtsverfahren gleichzusetzen ist, sondern eine Sonderform darstellt: Man ließ nun einige der von Innozenz geforderten Schutzbestimmungen entfallen und arbeitete so gegenläufig zu der vom ehemaligen Papst implizierten Intention, die eine Modernisierung des Strafrechts als Ziel gehabt hatte. Eine Denunziation reichte nach den neuen Bestimmungen in der Ketzerverfolgung als Prozess- Legitimation, die Ankläger durften anonym bleiben und Verteidiger mussten nicht zugelassen werden. Wurde ein Verteidiger gestattet, musste dieser befürchten, selbst der Häresie verdächtigt zu werden. Die Zeugen mussten nun nicht mehr ehrenwert und glaubwürdig sein, es wurden auch Verbrecher, Mitschuldige etc. in den Zeugenstand gerufen. Dadurch, dass die Inquisitoren außerdem Ankläger und Richter zugleich sein konnten, wurden die Rechte des Angeklagten auf ein Minimum reduziert. Ausführlicher wird diese Thematik in Kapitel 5 behandelt. Bis Mitte des 13. Jahrhundert hatte sich die Form der Inquisitionsgerichte stabilisiert und ihre Gerichtsbarkeit war verbreitet. Auch die Bemühungen des Papstes um die Ausrottung der Ketzer auf dem Balkan spielen eine nicht unbedeutende Rolle bei der Frage nach den Anfängen der Inquisition. Sämtliche weltliche und Ordensgeistliche, alle christlichen weltlichen Fürsten, deren Beamte und Untergebene unterstanden den Inquisitionsgerichten. ‘Von der Gerichtsbarkeit der Inquisitionstribunale ausgeschlossen waren lediglich der Papst, Bischöfe, die päpstlichen Legaten und Offiziale sowie letztendlich die Inquisitoren selbst, sofern sie vom Papst persönlich oder vom Ordensgeneral ernannt waren.’, schreiben HROCH/SKÝBOVÁ. Die Inquisitionsgerichte besaßen uneingeschränkte Kompetenz und waren im Grunde völlig unabhängig vom lokalen Bischof tätig. Trotzdem existierte die alte bischöfliche Ketzerverfolgung parallel dazu weiter. Zusammenfassend lässt sich mit LAMBERT sagen: ‘Unter Gregor IX. konstituierte man unter Einbeziehung der übergreifenden Autorität des Papsttums ausdrücklich eine päpstliche Inquisition, um die bisherigen Schwächen der bischöflichen Ketzerverfolgung zu beseitigen und beim Aufspüren und Verhören von Missetätern neue Impulse zu vermitteln. In der Mitte des 13. Jhs. waren die maßgebenden Prinzipien der kirchlichen Gegenoffensive festgelegt’. Mit der Etablierung dieses mächtigen Apparates begann nun die Zeit zielgerichteter und grausamer Verfolgungen, denen im Mittelalter ungezählte Menschen zum Opfer fielen.
Christina Buschbell, geb. 1983 in Heiligenhaus, entdeckte im Rahmen ihres Lehramtsstudiums an der Universität Duisburg- Essen ihr Interesse für kirchengeschichtliche Ereignisse. Besonders intensiv beschäftigte sie sich während ihres Studiums mit der Entstehung und Entwicklung der hochmittelalterlichen Inquisition. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Studiums im Jahre 2007 wurden die Forschungen der Autorin auf dem Essener Dies Academicus mit einem Preis ausgezeichnet. Heute ist Christina Buschbell als Grundschullehrerin mit der Fakultas Theologie in Ratingen tätig.
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