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Geschichte


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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 09.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 92
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Wir schreiben das Jahr 1474. Unaufhaltsam nähert sich eine der größten und am besten ausgestatteten Armeen ihrer Zeit unter der Führung des burgundischen Herzogs Karl dem Kühnen der kleinen, aber gut befestigten und zur Abwehr entschlossenen Stadt Neuss. Die kommenden Monate werden den Verteidigern aber auch den Angreifern alles abverlangen. Zum Einsatz kommen nicht nur die bekannten Nahkampfwaffen des Mittelalters, sondern eine Vielzahl an durchaus modern anmutenden Geschützen, Grabensystemen und Strategien. Hunger, Verzweiflung aber auch Hoffnung und Mut im Angesicht der andauernden Belastung sind stete Begleiter auf beiden Seiten. Fast ein Jahr lang wird es dauern, bis der deutsche Kaiser Friedrich III. ein Heer aufstellen und Neuss zu Hilfe kommen kann. Wie schafften es die Menschen in der belagerten Stadt, mit den extremen Belastungen über eine so lange Zeit hinweg umzugehen? Was bewegte sie, die Stadt nicht zu übergeben und wie schafften sie es, ihre Einheit zu wahren?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4.2, Die Entwicklung der Feuerwaffen im Mittelalter: Mit Pulver betriebene Waffen sind keine Erfindung des späten 15. Jahrhunderts. Verschiedene Rezepte für Schießpulver gab es in Europa seit dem 13. Jahrhundert, auch wenn es zunächst nur für den Antrieb von Raketen verwendet wurde. Roger Bacon (1214 – 1292) beschrieb bereits, welch großen Schrecken das Pulver auslösen konnte. Einige Zeit später ging man dazu über, Bolzen mit Hilfe des Schießpulvers aus vasenförmigen Gefäßen zu verschießen. Diese Waffen erfreuten sich bereits früh großer Beliebtheit und sie befanden sich recht bald auch in Besitz verschiedener Städte. Die Leistungsfähigkeit und Präzision dieser Handfeuerwaffen waren wohl wesentlich höher als häufig vermutet. In Tests wurde ermittelt, dass bereits eine effektive Kampfentfernung von 200-300 Meter möglich war und auf 20 Metern mühelos 1,5 mm starker Stahl durchschlagen werden konnte. Das 15. Jahrhundert brachte weitere, leistungsfördernde Entwicklungen wie Haken, bessere Schäfte und Luntenschlösser. Die rasante Weiterentwicklung der verschiedenen Techniken, ob nun zum Angriff oder zur Abwehr bestimmt, war vor allem ein Ergebnis der ständig schwelenden Rivalitäten zwischen den Mächten Europas. Insbesondere der vermehrte Einsatz von Bombarden führte dazu, dass die Mauern der Burgen und Städte verstärkt werden mussten. Die verschiedenen Weiterentwicklungen führten nach und nach zu einer Professionalisierung des Krieges. Das Schießpulver musste im richtigen Verhältnis gemischt werden, beim Aufbau der Kanonen musste auf den richtigen Winkel, die Windrichtung und die Entfernung geachtet werden. Zu diesem Zweck war es immer stärker notwendig, im Kriegsfall Spezialisten anzuwerben, die den steigenden Anforderungen gewachsen waren. Das Mischverhältnis des Schwarzpulvers unterlag immer wieder Veränderungen. Während das von Roger Bacon Mitte des 13. Jahrhunderts entwickelte Pulver eher zum Anzünden geeignet war als zum Explodieren, wurde erst 25 Jahre später das Mischverhältnis von Albertus Magnus entscheidend verbessert. Das optimale Verhältnis beträgt 75% Salpeter, 10% Schwefel und 15% Kohle. Das burgundische Schwarzpulver bestand im 15. Jahrhundert aus 71,4% Salpeter, 21,4% Schwefel und 7,1% Kohle. Die Verbreitung der Feuerwaffen nahm einen rasanten Verlauf. 1326/27 wurden sie in Italien und England erstmals verwendet, 1338/39 in Frankreich, 1342 in Spanien und 1346 im Norden des Heiligen Römischen Reiches. Im späten 15. Jahrhundert wurden besonders große Kanonen, die Bombarden, in Frankreich, Spanien, Italien und den Niederlanden entwickelt und gebaut. Auch wenn diese Geschütze bei optimalem Gebrauch und perfekt gemischtem Pulver bereits weiter als 1.000 Meter schießen konnten, so verwendeten die Kanoniere häufig wesentlich weniger Pulver als möglich, um einer Explosion des Geschützes vorzubeugen. Daher wurden sie häufig 200-250 Meter vor der belagerten Befestigung aufgebaut und durch spezielle Schilde von feindlichem Beschuss abgeschirmt. Als Geschosse wurden steinerne Kugeln verwendet. Die Schussfrequenz war allerdings gering, für die großen Geschütze kann mit maximal sieben Schuss pro Tag gerechnet werden. Die Belagerungsartillerie war zu Anfang demnach noch nicht allzu effektiv, so dass parallel weiterhin Katapulte eingesetzt wurden. Eine Verbesserung erfolgte erst am Ende des 14. Jahrhunderts. Im 15. Jahrhundert wurden erstmals große Bombarden und Mörser eingesetzt, für deren Produktion vor allem die Eisenverarbeitung grundlegend war. Von nun an lösten sie die Katapulte endgültig ab. Doch nicht nur bei Belagerungen, auch in der Feldschlacht wurden im Spätmittelalter Geschütze eingesetzt. Die burgundische Armee setzte im 15. Jahrhundert Feld- und Salvengeschütze ein. Im gleichen Zuge wurden die bereits angesprochenen Handfeuerwaffen in immer größeren Stückzahlen hergestellt. Doch trotz aller Steigerung der Effektivität, die Wirkung der Artillerie des 15. Jahrhunderts sollte nicht überschätzt werden. Die mittelalterlichen Mauern konnten mit dieser zwar beschädigt, nicht aber komplett zerstört werden, was auch bei der Belagerung von Neuss deutlich werden sollte. 4.3, Belagerungen im späten Mittelalter: Plante man die Belagerung einer Burg oder einer Stadt, war die Wahl der Jahreszeit entscheidend. Man begann meist in Frühjahr oder Sommer, wenn Erdarbeiten leichter zu bewerkstelligen waren und Trockenheit Feuer innerhalb der Befestigung begünstigte. Regen konnte darüber hinaus den verschiedenen Belagerungsmaschinen und dem Schwarzpulver zusetzen. Grundsätzlich gab es zwei Vorgehensweisen beim Angriff auf befestigte Stellungen: Der direkte Angriff (‘oppugnatio’) und die Blockade (‘obsidio’). Beides war nicht ohne Risiko. Während ein Versuch, die Mauern zu erstürmen, meist mit hohen Verlusten verbunden war, war eine langfristige Blockade sehr teuer. Zudem barg sie das Risiko, dass ein Entsatzheer den Belagerten zu Hilfe kam. Wenn man eine lange Belagerung durchführen wollte, waren strenge Disziplin, ausreichende Verpflegung und regelmäßige Soldzahlungen entscheidend, um das Heer zusammenzuhalten. Auch war Abwechslung wichtig. So wurden gelegentlich sogar Turniere veranstaltet und Spielleute ins Lager eingeladen. Es kam auch vor, dass unter einem Waffenstillstand Belagerer und Belagerte gegeneinander im Wettkampf antraten. Es gab ein Muster, nach dem bei vielen Belagerungen vorgegangen wurde. Am Anfang stand die Aufforderung, die Stadt kampflos zu übergeben. Wenn darauf eingegangen wurde, konnte die Bevölkerung mit Schonung rechnen und die Garnison die Stadt friedlich verlassen. Wurde die Kapitulation abgelehnt konnten die Angreifer versuchen, die Befestigungen in einem schnellen Überraschungsangriff zu erstürmen. Funktionierte dies nicht, wurden zunächst rund um die Stadt oder Burg befestigte Lager errichtet sowie die Belagerungsmaschinen und Artillerie vorbereitet. Nun mussten die Angreifer versuchen, sich möglichst geschützt den Mauern zu nähern. Auch wurde versucht, Mauern, Türme oder Tore mit Hilfe von Katapulten oder Geschützen zu zerstören oder zumindest zu beschädigen. Waren die Angreifer nahe genug an die Mauer gelangt konnten sie versuchen, diese mit Leitern zu erklettern, sie zu unterminieren oder einen Rammbock zum Einsatz zu bringen. Um eine Befestigung einzunehmen, wurden meist mehrere Strategien parallel verfolgt: Das Ausnutzen von Verrat, das Einnehmen der Mauern durch einen Überraschungsangriff, Aushungern der Verteidiger oder auch das Vortäuschen eines Rückzuges. Für die Verteidiger war es wichtig, noch vor dem Eintreffen des feindlichen Heeres möglichst viele Versorgungsgüter in die Stadt zu holen sowie Holz, Eisen und die Zutaten für das Schwarzpulver einzulagern. Auch mussten die eigenen Waffen und Geschütze einsatzbereit gemacht werden. Die wehrfähige Bevölkerung wurde organisiert und es wurden Maßnahmen zur Abschreckung von Verrätern und Deserteuren unternommen. Die Vorräte mussten sorgfältig rationiert werden. Auch wurden spezielle Einheiten damit beauftragt, nach Anzeichen für feindliche Stollen Ausschau zu halten. Manchmal konnte man auch eine Prognose dafür abgeben, welcher Mauerabschnitt wahrscheinlich am stärksten angegriffen werden würde. Während der Belagerung waren regelmäßige Ausfälle wichtig, um den Gegner nicht zur Ruhe kommen zu lassen. In der Regel war es so, dass noch bis ins späte Mittelalter die Verteidiger den Angreifern überlegen waren. Der Fall einer Befestigung wurde meist durch Schwachstellen in der Mauer oder eine unzureichende Garnison ausgelöst. Das Erstürmen von Mauern war keine einfache Angelegenheit, aber den Angreifern stand eine Reihe von Gerätschaften zur Verfügung. Eine der ältesten war die Belagerungsleiter. Diese musste exakt die richtige Länge haben. War sie zu kurz, konnten die Angreifer die Mauerkrone nicht erreichen. War sie zu lang, konnte sie leicht umgestoßen werden oder unter der Last der Bewaffneten zusammenbrechen. Als Faustregel galt, dass im Idealfall die Entfernung zwischen dem Fuß der Mauer und dem der Leiter die Hälfte der Höhe der Mauer betragen musste. Zur Bestimmung der Mauerhöhe schlägt der römische Militärtheoretiker Vegetius zwei verschiedene Methoden vor. Man konnte eine Schnur mit Hilfe eines Pfeils auf die Mauerkrone schießen und anhand der Länge dieser Schnur und der Entfernung des Schützen zur Mauer konnte man die noch fehlende Seite des so entstandenen Dreiecks berechnet werden. Es war auch möglich, den Schatten der Mauer bei Sonnenuntergang mit dem eines drei Meter hohen Stabes zu vergleichen und die Höhe entsprechend umzurechnen. Zusätzlich zu starren Leitern wurden faltbare Exemplare und Strickleitern verwendet. Die mittelalterlichen Krieger konnten auf diese Weise Befestigungen unglaublich schnell erklettern. Während des 100-jährigen Krieges demonstrierte dies Marschall Boucicaut, der in kompletter Rüstung eine Leiter nur unter Zuhilfenahme seiner Arme erklomm. Allerdings waren sie auf der Leiter vielfältigen Gefahren ausgesetzt, insbesondere Geschossen, Steinen, kochendem Wasser und siedendem Öl. Bei der Annäherung an die Mauer konnten sich die Angreifer mit mobilen Schilden schützen. Diese wurden in unterschiedlichen Formen seit der Antike verwendet. Sie konnten nicht nur zum Schutz von heranrückenden Truppen, sondern auch zum Abschirmen von Belagerungsmaschinen und -artillerie verwendet werden. Zu diesem Zweck wurden zudem größere, fahrbare Konstruktionen errichtet, die häufig Tiernamen erhielten. Auch wenn diese Technik im 15. Jahrhundert noch Anwendung fand, nahm aufgrund der verbesserten Artillerie die Bedeutung von Gräben und Erdwällen zu. Nahe an die Mauern heranzukommen war nicht nur für deren Erstürmung entscheidend. Das Unterminieren von Befestigungen bzw. der entsprechenden Fundamente war eine häufig angewandte Strategie. Man grub einen Graben bis an den Fuß der Mauer, des Turms oder des Tores, höhlte den Untergrund aus, füllte diesen dann entweder mit brennbarem Material oder Schwarzpulver und entzündete dieses dann. Im Idealfall brach das darüber liegende Gebäude komplett in sich zusammen. Waren Wassergräben vorhanden, mussten diese zunächst trocken gelegt werden. Die Verteidiger waren dieser Methode allerdings nicht wehrlos ausgeliefert. Sie konnten beim Graben verursachte Vibrationen mit Hilfe von nahe der Mauer aufgestellten Glocken orten und einen Gegenstollen graben. Erreichten sie den Stollen der Angreifer, konnten sie sie entweder unterirdisch bekämpfen oder auch Rauch oder Exkremente in den Gang einleiten. Gelang es nicht, die Befestigung einzunehmen, konnte es zu einer Verhandlung um einen Waffenstillstand kommen. Bei besonders schwierigen und komplizierten Verhältnissen konnte es sinnvoll sein, einen neutralen Vermittler zu Hilfe zu rufen. Kam es zu einer Einigung, schworen beide Parteien in der Regel, den Vertrag nicht zu brechen.

Über den Autor

Daniel Ossenkop, M.A. wurde 1986 in Hildesheim geboren. Seinen Bachelor in Geschichte und Englisch schloss er 2011 in Braunschweig ab. Bis 2014 studierte und arbeitete er in Düsseldorf, wo er den Master of Arts mit dem Schwerpunkt Mittelalterliche Geschichte abschloss. Bereits während des Studiums sammelte er praktische Erfahrungen im Museumsbereich und beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte des Krieges im Mittelalter. In seiner Freizeit ist der Autor im historischen Fechten aktiv.

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