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- Das Judentum in Richard Wagners "Ring des Nibelungen": Eine kritische Diskussionsgeschichte
Geschichte
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 100
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Richard Wagners Antisemitismus polarisiert bis heute. Dabei geht es nicht um die Frage, ob Wagner Antisemit war, denn dies lässt sich anhand seiner Schriften eindeutig belegen. Vielmehr wird die Diskussion von der Frage bestimmt, ob antisemitische Tendenzen auch den musikalischen Werken Wagners innewohnen. Spätestens seit Adornos ‘Versuch über Wagner’ ist diese schwierige Frage kontrovers diskutiert worden. Die pseudowissenschaftliche Argumentation in Wagners Schriften, Andeutungen von prominenten Denkern wie Gustav Mahler, Alfred Einstein oder eben Theodor W. Adorno und nicht zuletzt die Vergötterung Wagners und seiner Musik durch Adolf Hitler gaben das Brennmaterial, an dem sich die Diskussion in den 70er Jahren - nach einer Zeit, in der man mit werkimmanenter Deutung eine Klärung zu verdrängen suchte - mit voller Wucht entzünden sollte. Die vorliegende Untersuchung hat das Ziel, die Diskussion über antisemitische Zerrbilder im ‘Ring des Nibelungen’ kritisch zu beleuchten. Eine Diskussion, die sich als sehr emotional und kontrovers herausstellt, auch weil, wie viele Wagner-Verteidiger immer wieder betonen, Wagner seine Bühnenfiguren nie offen als jüdisch oder gar als Judenkarikaturen herausgestellt hat. Die Studie stellt dabei die musikwissenschaftliche Debatte in ihrer historischen Gesamtheit dar, also von den ersten Aufführungen des Ring bis in die Gegenwart. Die Studie untersucht die Diskussion hinsichtlich ihres Wesens und ihrer Psyche und zeigt, wie sich einzelne Argumentationslinien im Lauf der Zeit verändert und präzisiert haben.
Textprobe: Kapitel 4., Die Diskussion zwischen Verdrängung und Schuld: 4.1, Hier gilt´s der Kunst-Die 50er Jahre: Im Interesse einer reibungslosen Durchführung der Festspiele bitten wir von Gesprächen und Debatten politischer Art auf dem Festspielhügel freundlichst absehen zu wollen. ‚Hier gilt’s der Kunst!‘. Dies schrieben Wieland und Wolfgang Wagner ins Programmheft und auf Plakate, als sie 1951 in dem vor kurzem noch Hitler gegenüber nibelungentreuem Bayreuth die Festspiele wieder eröffneten. Auch wenn diesem Ausspruch heute der Beigeschmack von Abwehr und Verteidigung der braunen Vergangenheit anhaftet, so als wäre es ein Versuch, ‘Alberichs Tarnhelm über eine unselige Vergangenheit zu stülpen’, traf die Bitte der Wagners doch den Nerv der Zeit. Die 50er Jahre waren allgemein von dem Gefühl geprägt, einen Schlussstrich unter die Vergangenheit ziehen zu können und aktuelle Entwicklungen ließen der deutschen Bevölkerung auch genügend Raum, in eine wiedererstarkende und hoffnungsvolle Zukunft zu blicken. Dass es den Wagner-Erben durchaus ernst war mit der Entpolitisierung Bayreuths, zeigt ein von Andrea Mork in ihrer Dissertation zitierter Brief aus dem Jahr 1964 von Wieland Wagner an Hans Severus Ziegler, der kurz zuvor sein Buch Adolf Hitler aus dem Erleben dargestellt veröffentlicht hatte. In diesem Brief rügt Wieland Wagner Ziegler dafür‚dass Sie das Thema Adolf Hitler und Wahnfried erneut in der Öffentlichkeit breitzutreten für opportun halten.‘ Das Bewusstsein für die Brisanz dieser Verbindung geht Hand in Hand mit der Absicht, ‚dieses für die Bayreuther Festspiele tödliche Thema vergessen zu lassen […] Es gibt nach Auschwitz keine Diskussion mehr über Adolf Hitler‘ verfügt er. ‚Sie haben meiner Mutter, den Festspielen und der Stadt Bayreuth einen sehr schlechten Dienst geleistet‘. Diese Ausführungen sind wichtig für die Betrachtung unserer Diskussion, denn das Diktum Wieland Wagners, das, wie Gottfried Wagner nahelegt, auch wirtschaftlichen Intentionen des Bayreuther Familienunternehmens unterlag, bestimmte für die nächste Zeit auch die musikwissenschaftliche Interpretation von Wagners Musikdramen. Die der Germanistik entnommene Methode der werkimmanenten Interpretation versucht, ein Kunstwerk aus sich selbst heraus zu erklären und zu deuten. Geschichtliche, politische und gesellschaftliche Betrachtungen werden dabei außer Acht gelassen. Diese Art der wissenschaftlichen Herangehensweise hatte nicht das Ziel, Wagners Musikdramen von eventuell nationalsozialistischen Inhalten reinzuwaschen, wie kritische Wagnerforscher behaupten, vielmehr wollten die Anwender dieser Methode wohl ihre eigene Vergangenheit damit übertünchen und sich so auch selbst das Feld für neue Forschungen bereiten. So ist es dann auch verständlich, dass die verstörenden Veröffentlichungen von Theodor W. Adorno und Ludwig Marcuse sowie Thomas Manns Verdikt, dass ‚viel Hitler in Wagner sei’, dem vorherrschenden romantisierend trivialen Wagnerbild dennoch keinen Abbruch tun konnten. Ernest Newmans epochemachende Biographie wurde gar nicht erst ins Deutsche übersetzt (bis heute) und in Hans Mayers Wagner-Monographie war das Pflänzchen der Ideologiekritik so zart, dass es übersehen wurde. Im englischsprachigen Raum war es Robert Gutman, der in seiner Wagner-Biographie Wagner: The Man, His Mind and His Music erstmals eine Verbindung zwischen Wagners antisemitischem Rassismus und seinen Opern sah und sie anhand des Parsifal ausführlich erläuterte. 4.2 Der Kampf Zelinskys – Wie politisch darf ein Künstler sein? In Deutschland kam es erst infolge der sog. 68er-Generation, die nach den Gründen für den Zivilisationsbruch des Holocausts fragte, auch zur kritischen Hinterfragung Wagners. Ein Germanist trat dabei als Hauptankläger auf: Hartmut Zelinsky, der zum hundertjährigen Ring-Jubiläum 1976 eine breit angelegte Dokumentation veröffentlichte, die die fatale Wirkungsgeschichte Wagners bis zum Dritten Reich eindrucksvoll und detailreich zeigt. Auch die Inszenierung des ‘Jahrhundert-Ring’ 1976 in Bayreuth, für den Patrice Chereau als Regisseur und Pierre Boulez als Dirigent verantwortlich waren, muss in diesen Zusammenhang erwähnt werden, eine Inszenierung, die den romantischen Antikapitalismus, wie auch Shaw den Ring deutete, und die antisemitischen Intentionen Wagners auf die Bühne brachte und damit die Öffentlichkeit auf das Problem des Antisemitismus in Wagners Werk aufmerksam machte. In einem Interview sagt Boulez 1996 rückblickend: ‘Ich habe in Bayreuth mit Patrice Chereau bei der Inszenierung des Rings der Nibelungen darüber gesprochen, Ich habe ihn auf diese ‚Judenkarikaturen‘ aufmerksam gemacht und Chereau hat das auf der Bühne dann gezeigt – ausgestellt - um zu demonstrieren, was Wagner wirklich gewollt hat. Denn es ist vollkommen falsch, diese Intentionen unter den Teppich zu kehren. Das ist da. Man muss es zeigen. [Frage: Damit man es reflektieren kann? Damit es seine geheimnisvolle untergründige Wirkungsweise verliert?] Ja. Und ich erinnere mich, diese Darstellung Mimes hat die Leute im Publikum damals so schockiert-und sie dachten, Chereau macht sich hier lustig über die Juden. In Wahrheit hat er gezeigt, was im Kopf von Wagner vorgeht’. 1978 wurde die Diskussion um Wagners Antisemitismus mit einem Aufsatzband in der Reihe Musik-Konzepte fortgesetzt. Unter dem provokanten Titel Richard Wagner. Wie antisemitisch darf ein Künstler sein? wurde dieser von Heinz-Klaus Metzger und Rainer Riehn herausgegeben. Der Zeitpunkt war dabei nicht zufällig. Zwei Jahre zuvor waren nämlich die Tagebücher Cosima Wagners von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack veröffentlicht worden, in welchen die Ambivalenz der Person Wagners in vollem Umfang sichtbar wird: ‚Wir finden ihn darin in seiner unbestreitbaren Genialität und seiner unbeschreiblichen Widerwärtigkeit’. In dem erwähnten Aufsatzband wurde Material zusammengetragen, um Wagners Antisemitismus auch jenseits von Das Judentum in der Musik zu beweisen. Vor allem Hartmut Zelinskys hierin enthaltener Aufsatz Die ‚feuerkur’ des Richard Wagner oder die ‚neue Religion‘ der ‚Erlösung‘ durch ‚Vernichtung‘ fixiert Wagners Antisemitismus als den persönlichsten und ideologisch entscheidendsten Komplex in dessen künstlerischer Existenz, der den ‘zentralen ideologischen Hintergrund seines Ring des Nibelungen’ bilde. Eindrucksvoll belegt er dies mittels von Tagebucheinträgen von Cosima Wagner, wo es zum Beispiel heißt, Wagner habe in heftigem Scherz gesagt, dass alle Juden in einer Aufführung des ‚Nathan‘ verbrennen sollten. ‘Wie sehr Wagners Brand- und Zerstörungsphantasien, zu denen auch der über Jahrzehnte sich erhaltende Wunsch nach dem ‚Brand von Paris’ zu zählen ist, den er als ‚Symbol der endlichen Befreiung der Welt von dem Druck alles Schlechten’ ansah und den er im Brand von Walhall in seinen Ring aufnahm, – wie sehr diese Phantasien sich gerade immer wieder an den Juden entzünden, kann […] nur angedeutet werden’. Zelinsky erkennt im Ring eine ‘vorgebildete Blutideologie’, in der vom ‘blonden deutschen Blut’ und ‘gesundem Blut’ die Rede ist. Allerdings berücksichtigt der Versuch eines analytischen Nachweises weit mehr jene Äußerungen, die den Tagebüchern Cosima Wagners sowie Wagners Briefen entnommen sind, als solche aus den kunsttheoretischen Schriften. Auch die Handlung der Opern oder gar die komponierte Musik wird kaum herangezogen. Zelinsky kommt sogar zu dem Schluss, Wagners Werk sei ‘kaum ein Fall für Musikwissenschaftler, viel eher ein Fall für den Psychiater’ der doch auch das Wagnerpublikum mit einbeziehen solle.
Michael Günther (Jg. 1975) studierte Musik, Geschichte und Erziehungswissenschaften in Potsdam.
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