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- Brundibár in Terezín: Zur Bedeutung des Musiklebens im Konzentrationslager Theresienstadt
Geschichte
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Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 112
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Konzentrationslager Theresienstadt von 1941 bis 1945: Die Kinderoper ‚Brundibár‘ vom jüdischen Komponisten Hans Krása wurde hier während des beispiellosen Unternehmens der Nazis zwischen Transporten, Hunger und Elend rund 55-mal aufgeführt. Aber auch viele andere Musiker haben Theresienstadt zu einem musikalischen Vorzeigelager gemacht. Haben die musizierenden Häftlinge in Theresienstadt das Kulturleben genutzt, um in eine Scheinwelt zu fliehen? Haben sie den Nazis damit in die Hände gespielt? Diese Studie zeigt einen groben geschichtlichen Abriss, beschreibt das kompositorische Schaffen von Hans Krása mit einem besonderen Augenmerk auf die Kinderoper Brundibár und geht schließlich der Frage nach, ob das kulturelle Leben in Theresienstadt Schweinwelt oder Notwendigkeit war. Besonders einfühlsam ist das Zeitzeugeninterview mit Eva Herrmannová, die als 13jährige nach Theresienstadt deportiert wurde und im Chor der Kinderoper mitsang.
Textprobe: Kapitel 2.3.1, Entstehung von Brundibár: 1938 verständigte sich Hans Krása mit dem Avantgardekünstler Adolf Hoffmeister über das Libretto für eine Kinderoper, die sie zu einem Wettbewerb des tschechoslowakischen Ministeriums für Schulwesen und Kultur einreichen wollten, dessen Zielrichtung Reformbestrebungen in Schulen war. Das Vorbild für die Kinderoper waren die Lehrstücke von Bertolt Brecht. Eine große Rolle in der Kinderoper spielt demnach der Chor, der die Handlung immer wieder vorantreibt und vor allem das Geschehene kommentiert. Der Kampf von Gut und Böse wird als Kampf zweier Welten dargestellt, die gegeneinander arbeiten. Dabei zielt die Oper auf die Solidarität der Gemeinschaft (die Kinder der Nachbarschaft) mit dem Einzelnen (das Geschwisterpaar Pepícek und Aninka). Krása und Hoffmeister reichten die Partitur anonym ein. Zu einer Preisverleihung sollte es allerdings nicht mehr kommen, da das Land 1939 von den Deutschen besetzt wurde. Glücklicherweise ging die eingereichte Partitur im Ministerium nicht verloren, sondern sie wurde 35 Jahre später im Nachlass von Dr. Jaroslav Jindra – einem ehemaligen Mitglied der Gesellschaft für Moderne Musik in Prag – gefunden und der Gedenkstätte Theresienstadt übergeben. Die Handlung der Kinderoper Brundibár ist recht einfach und schnell erzählt: Die Geschwister Aninka und Pepícek brauchen dringend Milch für ihre kranke Mutter. Leider haben beide Kinder kein Geld, um welche zu kaufen. Auf dem Marktplatz bieten ein Eisverkäufer, ein Milchmann und ein Bäcker ihre Waren an. Ein Polizist erklärt den Kindern, dass man arbeiten müsse, um Geld zu bekommen. Da sehen die Kinder den Leierkastenmann Brundibár, der für sein Spiel Geld bekommt, und beschließen ebenfalls zu musizieren. Aber niemand bemerkt sie, denn ihre Stimmen sind zu schwach und sie kommen nicht gegen den Leierkastenmann an. Sie versuchen, sein Spiel zu stören und werden schließlich von ihm weggejagt. Traurig überlegen sie, was sie nun tun können. Da erscheinen Katze, Hund und Spatz, um ihnen zu helfen. Die Tiere kennen alle Kinder in der Nachbarschaft und rufen sie am nächsten Morgen zusammen. Die große Kinderhorde läuft mit Aninka und Pepícek auf den Marktplatz und alle singen zusammen ein Lied. Sie verdienen genug Geld, um Milch zu kaufen, aber dann kommt Brundibár und versucht, es ihnen wieder wegzunehmen. Aber alle Kinder und Tiere nehmen die Verfolgung auf und feiern am Ende ihren Sieg über den bösen Brundibár. Hoffmeisters Libretto hat keinen großen literarischen Anspruch, vielmehr suchten Krása und Hoffmeister nach einer Vorlage, das kindlich heiter und dennoch kein Märchenstoff war. Die Oper sollte eine Situation im täglichen Leben erzählen und zeigen, dass man gemeinsam gegen das Böse zusammenhalten kann. Im Falle der Kinderoper ist das der Sängerkrieg der Kinder gegen den bösen Leierkastenmann Brundibár. Anlässlich des 50. Geburtstages des Direktors des jüdischen Waisenhauses in Prag – Otto Freudenfeld – wurde die Kinderoper schließlich dort von den Waisenkindern uraufgeführt. Am Abend des Geburtstages trafen sich dort der Dirigent Rafael Schächter, die Pianistin Erna Grünfeld, der Komponist und Pianist Gideon Klein, der Bühnenbildner František Zelenka, Hans Krása und der Sohn des Direktors Rudolf Freudenfeld. Dort erzählte Krása von seiner Kinderoper, die noch nicht gespielt worden war und gemeinsam beschlossen sie, die Aufführung mit den jüdischen Waisenkindern nachzuholen. Der Dirigent Rafael Schächter verteilte die Rollen und leitete die Proben. František Zelenka entwarf und stellte das Bühnenbild her. Allerdings musste er sich mit wenigen Requisiten behelfen und so rahmte nur ein Bretterzaun die Bühne ein. Darauf wurden Bilder von Tieren befestigt, in deren Köpfe Löcher geschnitten wurde. Die singenden Kinder mussten dann nur noch ihre Köpfe durch die Löcher stecken. Leider wird in keiner Literatur erwähnt, ob es ein Orchester gab, aber ich vermute, dass zunächst Gideon Klein den Klavierauszug gespielt hatte. Die Partitur stand nämlich nicht zur Verfügung, weil sie noch im Ministerium für Schulwesen und Kultur war. Nach Rudolf Freudenfeld kamen später noch drei weitere Musiker hinzu: Wir hatten weder eine Partitur noch ein Orchester, und es wäre damals unmöglich gewesen, das eine wie das andere zu beschaffen. Löffelholz, Berkovic und Kaufman – Klavier, Violine, Schlagwerk – spielten daher mit großer Begeisterung nach dem Klavierauszug. Die Proben verzögerten sich allerdings, als Rafael Schächter im November 1941 nach Theresienstadt deportiert wurde – er gehörte dem sogenannten Aufbaukommando an. Auch einige der Waisenkinder wurden deportiert und es musste wieder von vorne begonnen werden. Nun leitete Rudolf Freudenfeld die Proben, der vorher schon von Rafael Schächter Unterricht in Chorleitung und Harmonielehre erhalten hatte. Am 10. August 1942 wurde schließlich auch Hans Krása deportiert und er konnte die Uraufführung, die zum Jahreswechsel 1942/43 stattfand, nicht mehr sehen. Er hatte noch nicht einmal erfahren, dass die Aufführung überhaupt zustande gekommen war. Krása ging davon aus, dass alle Deportationen die Bemühungen für eine heimliche Aufführung zunichte machten. Dennoch hoffte er, irgendwann noch einmal an den Klavierauszug seines Werkes zu kommen und Brundibár in Theresienstadt wieder neu aufzunehmen. Mitte 1943 trafen schließlich die Kinder aus dem jüdischen Waisenhaus in Theresienstadt ein und mit ihnen Rudolf Freudenfeld, dem es gelang, den Klavierauszug ins Lager zu schmuggeln.
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