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Geschichte

Daniela M. Sechtig

ARMINIUS vs. SIEGFRIED

Die Entwicklung des germanischen Helden in der deutschen Literatur

ISBN: 978-3-8366-6874-3

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Produktart: Buch
Verlag:
Diplomica Verlag
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2008
AuflagenNr.: 1
Seiten: 176
Abb.: 4
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Arminius und Siegfried dienten einst als patriotische Vorbilder und auch heute noch spielen sie im kulturellen Leben Deutschlands eine gewisse Rolle. Es umgibt sie der Mythos des stereotypen germanischen Helden, der sich in mehreren hundert Jahren entwickelte und stets im Zusammenhang mit der Geschichte der deutschen Nation, Literatur und des deutschen Nationalbewusstseins stand. Der germanische Held als patriotisches und moralisches Vorbild nahm auf diese Weise teil am politischen Zeitgeschehen Deutschlands. Vor allem die literarische Rezeption des Arminius-, beziehungsweise Siegfriedstoffes hat für die Bildung, Ausformung, Verbreitung und Instrumentalisierung des Germanenmythos gesorgt. Im 19. Jahrhundert erlebte der Stoff einen literarischen Höhepunkt, der sogar zu der Annahme führte, dass Arminius und Siegfried ein und dieselbe Person seien. Doch was genau machte den germanischen Helden aus? Mit welchen heroischen Merkmalen versahen die Literaten Arminius und Siegfried und trafen diese tatsächlich auf beide zu? Die Literaturwissenschaftlerin Daniela Sechtig präsentiert eine umfassende Untersuchung zum Bild des germanischen Helden von den Ursprüngen bis ins 19. Jahrhundert und anhand der Stücke Die Hermannsschlacht von Christian Dietrich Grabbe (1836) und Die Nibelungen von Friedrich Hebbel (1855-60) - zwei der eigenwilligsten und bedeutensten deutschen Tragiker ihrer Zeit. Welches Bild von Hermann / Siegfried entwickelten die beiden Autoren im Vergleich zu ihren Vorgängern und den Quellen? Inwieweit stimmen diese Bilder mit dem Germanenmythos des 19. Jahrhunderts überein, und vor allem, welche Änderungen wurden von Grabbe und Hebbel vorgenommen? In diesem Buch werden die Heldenkonzeptionen der beiden Dramatiker dargelegt und miteinander verglichen. Auch die Intentionen der Autoren hinsichtlich ihrer Geschichtsauffassung und der daraus entwickelten Rolle des Helden werden erläutert. Ein Vergleich des Hermann- und Siegfriedbildes wird zeigen, ob Grabbes und Hebbels Protagonisten dem tradierten Bild des germanischen Helden entsprechen und welchen Beitrag sie mit ihrer Heldenkonzeption für den Germanenmythos in der Literatur und Gesellschaft des 19. Jahrhunderts geleistet haben.

Leseprobe

Kapitel 2.1.3, Das Geschichtsdrama Grabbes – Neue Tendenzen: Während der Restauration ergab sich ein Zustand des ständigen Widerspruchs zwischen politischem Regiment und der Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft. Dieses Erlebnis von Bewegung und gleichzeitiger erzwungener Bewegungslosigkeit war die zentrale Erfahrung im intellektuellen Leben jener Jahre und führte oftmals zum Rückzug in den Weltschmerz, [...] Provinzialismus, Ästhetizismus, [die] Resignation oder [...] Aggressionen. Obwohl im Zuge der Bemühungen um ein deutsches Nationaltheater Anfang des 19. Jahrhunderts viele neue Theater gegründet wurden, war die dramatische Literatur doch vielen Beschränkungen unterworfen. Die meisten deutschen Bühnen waren Hof- und Residenztheater und damit Institutionen des Adels. Auch die bürgerlichen Stadttheater und privaten Bühnen unterlagen strenger Aufsicht. Dies zwang die Dramatiker zu größeren Zugeständnissen und führte zur Dominanz eines leichteren Repertoires. Populär waren die Stücke Kotzebues, Ifflands, Vulpius oder Körners. Schon August Wilhelm Schlegel hat in seinen Wiener Vorlesungen angesichts des Verfalls der Schauspielkunst auf die Folgen für die Dramatik hingewiesen: Dieser sowohl poetische als sittliche Verfall des Zeitgeschmacks hat nun den Umstand zur Folge gehabt, dass die Schriftsteller, welche auf der Bühne am beliebtesten sind, nur um augenblicklichen Beifall buhlen, unbekümmert um das Urteil der Kenner [...] diejenigen aber, welche [dies] bei höherem Zwecken vor Augen haben, sich nicht entschließen können, sich nach den Forderungen der Menge zu bequemen, und wenn sie dramatisch komponieren, auf die Bühne keine Rücksicht nehmen wollen. Besonders in den 30er und 40er Jahren beklagte man den Verfall des Dramas und dessen Unfähigkeit, mit dem Roman zu konkurrieren. Gleichzeitig hielt man an den traditionellen Begriffsbestimmungen der Hamburgischen Dramaturgie fest und feierte das Drama als höchste literarische Gattung. Doch zu einer Erneuerung der Dramenform kam es - abgesehen von den Versuchen Grabbes und Büchners - kaum. Grabbe versuchte sich den desolaten Theaterverhältnissen zu widersetzen. 1830 schrieb er an Kettembeil: Die jetzige Bühne verdient´s nicht - Lumpenhunde sind ihr willkommen, dafür soll sie aber wieder zu den Dichtern kommen. Mit dieser Einstellung isolierte er sich selbst von der Bühne. Die mangelnde Rücksichtnahme auf die technischen Bedingungen des Theaters sollte sich besonders in Grabbes Geschichtsdramen zeigen. Geschichtsdramen waren das am reichsten entwickelte Genre in der deutschen Dramatik des frühen 19. Jahrhunderts. Stofflich konnte man auf alle Begebenheiten zurückgreifen, die sich zwischen den Mythen der Vorgeschichte bis zu den gesellschaftlichen und politischen Konflikten der Gegenwart ereignet hatten. Doch wegen der Nichtexistenz eines politisch geeinten Vaterlandes kam dieses und seine ganze Geschichte als Thema nicht in Frage: [...] die Berufung auf die Nationalgeschichte war in restaurativer Zeit offiziell schon ein Akt der Opposition und Demagogie. Dramatisierbare Stoffe, welche die Zensur meist ungehindert passieren konnten, boten aber auch die Regionalgeschichte, die Geschichte einzelner Geschlechter und auch ausländische Ereignisse und Gestalten. Grabbe griff in seinem Erstling Herzog Theodor von Gothland auf einen nordischen Stoff zurück in Marius und Sulla und Hannibal auf einen (römischen-) antiken Stoff der Hohenstaufen-Stoff stammt aus dem Mittelalter und sein Napoleon aus [...] der gerade erst geschichtlich gewordenen unmittelbaren Vergangenheit. Selbst der altgermanische Stoffkreis um Arminius erhält bei Grabbe eine lokalpatriotische Tendenz. Dabei ging es ihm vor allem um die Rolle des Helden in der Geschichte. Grabbes Werke sind literaturgeschichtlich schwer einzuordnen. Seine Sozialkritik und die radikalen formalen Änderungen, welche er einführte, rücken ihn in die Nähe des Vormärz, doch auch hier bleibt seine Stellung isoliert. Sein Napoleon entstand aus der Haltung des Protests gegen die engen Grenzen des Theaters seiner Zeit. Kritiker beklagten das Hinaussetzen über jede Regel, nicht blos der Form, [...] sondern auch über die unumstoßbare Idee einer sittlichen Weltregierung und Weltanschauung, auf welche jedes Kunstwerk zurückgeführt werden muss. Doch auf diese Art begehrte Grabbe gegen die ideologischen, ästhetischen, dramaturgischen und theaterpraktischen Normen der Restaurationszeit auf. Grabbes Werke wollten erschüttern. Er wollte die bürgerliche Welt demaskieren und provozieren. Hinzu mischte sich aber auch ein Gefühl der Resignation und des Weltschmerzes. Die Zeit der großen Revolutionen war (vorerst) vorbei die Enttäuschung darüber, die bestehenden Verhältnisse nicht ändern zu können, nahm er ohnmächtig und mit einer pessimistischen Haltung hin. Grabbe musste sich auch mit der Klassik, der Romantik und der aufkommenden Trivialliteratur auseinandersetzen. Dabei entwickelte er neue weltanschauliche und poetische Ansätze. Während seiner Arbeit an Marius und Sulla im Sommer 1827 schrieb Grabbe in einer Anmerkung: Der Dichter ist vorzugsweise verpflichtet, den wahren Geist der Geschichte zu enträtseln. Solange er diesen nicht verletzt, kommt es bei ihm auf eine wörtliche historische Treue nicht an. Grabbe ging es also darum herauszuarbeiten, was er an der Geschichte für wesentlich hielt und dies mit den Mitteln des Theaters darzustellen. Sein Interesse als Dramatiker galt vor allem den historischen Größen und dem Verhältnis zwischen Masse und Individuum, beziehungsweise Volk und Machthaber. Die Deutung der Geschichte widerspricht bei Grabbe sehr der biedermeierlichen Lebens- und Weltanschauung der Restauration. Diese bot mit der Betonung von Familie, Institution und Normen keinen Platz für das herausragende Individuum. Doch gerade um die einzelne heroische Gestalt und deren Konflikt mit der Gesellschaft ging es Grabbe in seinen Dramen, auch wenn die außerordentliche Figur am Ende scheitern muss. In seinen Dramen wollte Grabbe also den Prozess der Geschichte selbst und die darin enthaltene Rolle des heroischen Individuums darstellen. Die Geschichte ist bei Grabbe ein zeitlicher Fortlauf, eine Aneinanderreihung von Geschehnissen, an dessen gesamten Ablauf der einzelne Heros letztlich nichts ändern kann, da er in die gesellschaftlich bedingten Möglichkeiten seiner Zeit eingebettet bleibt. Das herausragende heroische Ereignis existiert daher nur im Augenblick. Um den ‚Ereignis-Charakter’ dieser historischen Begebenheiten greifbar zu machen, wählte Grabbe für seine Geschichtsbetrachtung nicht den Moment des Aufbauens, sondern den Punkt des Scheiterns des historischen Helden. Zur Vermittlung des unmittelbaren Ereignisses bediente sich Grabbe einer neuartigen dramatischen Technik: in relativ selbstständigen Handlungsteilen konzentrierte er die gegensätzlichen politischen Kräfte, umgeben von eigenen Umweltdarstellungen und Spannungszielen. Die dramatische Entscheidung wird schließlich durch das Zusammenprallen der Handlungsteile herbeigeführt. Die Lösungen seiner dramatischen Konflikte ergeben sich aus der Handlung, nicht aus psychologischer Motivation. Auf der Bühne sollte dies besonders eindrucksvoll durch die Massen- und Schlachtszenen wirken, welche aber die bühnentechnischen Möglichkeiten seiner Zeit weit hinter sich ließen. Doch darauf nahm Grabbe immer weniger Rücksicht. Ein stilistischer Neuansatz lag auch in der Einbeziehung komischer, satirischer und grotesker Elemente in die Tragödie. Seine Kunst lag aber in der Darstellung der historischen Umwelt. In dieser Beziehung gilt er zusammen mit Büchner als Vorläufer des Naturalismus. Doch das breite epische Ausmalen der örtlichen Verhältnisse und zeitlichen Umstände kann sich schnell als dramatische Schwäche erweisen, wenn die Umweltdarstellung gegenüber der bewegten Handlung überwiegt. Trotzdem erreichte Grabbe mit seinen Geschichtsdramen eine neue Qualität bei der Widerspiegelung der historischen Wirklichkeit. Dies bedeutete, einen Bruch mit der klassischen und romantischen Tradition zu vollziehen, zu Gunsten einer neuen poetischen Sprache und einer offenen epischen Form.

Über den Autor

Daniela M. Sechtig studierte Literaturwissenschaft, Kunstgeschichte und Romanistik an der Universität Osnabrück. 2007 Abschluss als M.A.

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