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- Zwischen Tugendrigorismus und Emanzipation: Frauenkonstellationen in Lessings Miß Sara Sampson und Emilia Galotti
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 03.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Dieses Buch setzt sich mit der Problematik von Tugend und Emanzipation der Frauen in Lessings Werken 'Miss Sara Sampson' und 'Emilia Galotti' auseinander. Zunächst wird ein Einblick in die Hauptaspekte der Aufklärungszeit gegeben, wobei das Menschenbild und die Stellung der Frau zu dieser Zeit besonders im Fokus stehen. Zudem werden die humanistischen Entwürfe im bürgerlichen Trauerspiel des 18. Jahrhunderts dargestellt. Stichwörter dieses Buches sind Tugend, Laster, Verführung und Emanzipation. Dabei rücken folgende Fragen in den Mittelpunkt: Inwiefern gab es einen Bildungsaufschwung des Bürgertums im 18. Jahrhundert? Inwiefern sind die Tugendvermittlungen innerhalb der Familien in der Aufklärung von Bedeutung für Lessings Frauenfiguren? Wie werden die humanistischen Konstellationen insgesamt im bürgerlichen Trauerspiel dargestellt? Warum ist der Tugendbegriff von besonderer Bedeutung zum Verständnis der Epoche des bürgerlichen Trauerspiels und der Handlungsmotive von Sara Sampson und Emilia Galotti? Beim Behandeln von Lessings 'Miss Sara Sampson' wird natürlich das Streben der Protagonistin nach väterlichen Prinzipien genauer betrachtet, so wie die vorprogrammierte Konfliktanlage und die Charaktereigenschaften von Marwood. Was das Werk 'Emilia Galotti' betrifft, setzt sich diese Arbeit mit Claudia Galotti als Vermittlerin von Tugend und Realität sowie mit der Frage, ob Emilia immer tugendhaft handelt oder sich manchmal zwischen den Fronten befindet, auseinander. Dabei stehen die emanzipatorischen Ansätze gegen strenge Idealvorstellungen sowie der Tod als Flucht vor dem Tugendverlust im Vordergrund.
Textprobe: Kapitel 4.1, Streben nach väterlichen Prinzipien: Auf den ersten Blick steht Sara Sampson für die bürgerlichen Prinzipien während der Epoche der Aufklärung. Sie verkörpert das vorherrschende Tugendideal dieser Zeit, so scheint es. Miss Sara Sampson soll Mitleid für das Schicksal der jungen Frau erwecken in einem Werk, das die ‘Dramatisierung einer traurigen, durch menschliche Fehler und unglückliche Zufälle zu Stande gekommenen Begebenheit’ darstellt. Gleich zu Beginn der Tragödie wird deutlich, dass Sara einen eigenen Willen besitzt, den sie demonstriert, da sie sich mit Mellefont in einem Wirtshaus, fernab von ihrem Vater, befindet. Zu Lessings Zeiten bedeutet der Tugendbegriff demnach, vernünftig zu handeln und sich maßvoll zu benehmen, sich im Klaren über Fehler und Laster zu sein. Die Tugend setzt demnach einen gewissen Bildungsgrad voraus, damit der Mensch vernünftig handeln kann In diesem Falle sind Sara Sampsons Sinne für einen Moment stärker als ihre Vernunft, da sie im Wirtshaus auf die erhoffte Hochzeit wartet und ihren Vater zurückgelassen hat. Sara bildet für ihren Vater die ‘Stütze seines Alters’. Somit ist ihre Abwesenheit für William Sampson ein gravierendes Problem, da er ‘das beste, schönste, unschuldigste Kind, das unter der Sonne gelebt hat’ (MSS, S. 5), braucht. Wenn man diesen Aspekt betrachtet, merkt man, dass Sara Sampson auf eine gewisse Art und Weise frei ist und nicht in Isolation zu Hause lebt. William Sampson sieht den Fehler, den Sara begangen hat, indem sie mit Mellefont geflüchtet ist, als den ‘Fehler eines zärtlichen Mädchens’ (MSS, S. 6) und die Flucht als ‘Wirkung ihrer Reue’ (MSS, S. 6). Im Gegensatz zu Emilia Galotti ist der Vater nicht besessen von der ewigen Tugend der Tochter. Insofern wird dem Leser bereits am Anfang deutlich, dass William Sampson nicht streng nach den Regeln der Tugend handelt, sondern ihm das Wohl seiner Tochter lieber ist als jegliche Strenge und Strafe gegen sie zu erheben. Trotzdem herrscht in dieser Tragödie eine gewisse Moral, die dazu beiträgt, dass Sara immer wieder Gewissensbisse ihrem Vater gegenüber hat und kontinuierlich daran zweifelt, ob ihre Entscheidung richtig gewesen ist. Saras emotionales Verhältnis zu ihrem Vater ist ein wesentlicher Punkt, der das gesamte Trauerspiel prägt. Sir William Sampson würde ‘lieber von einer lasterhaften Tochter als von keiner geliebt sein wollen’ (MSS, S. 6) und steht offen, unbeeinflusst von anderen Meinungen, zu seiner geliebten Tochter. Somit räumt Sir William ‘also gleich eingangs seiner Tochter eine gewisse Freiheit individuellen Empfindens ein und fordert keine absolute Respektierung seiner Entscheidungen als familialer Autoritätsperson’. Das Verhalten des ‘englischen Edelmanns’ ist bedingt durch die differenzierte Auffassung der Tugend zur Zeit der Aufklärung: Während in der Frühaufklärung der Tugendbegriff in Verbindung mit Vernunft und Nächstenliebe steht, wird in der Hoch- und Spätaufklärung der Tugendbegriff eher auf die Ebene der weiblichen, sexuellen Unschuld gestellt. William Sampsons Einstellung hebt den dramatischen Diskurs hervor. Er ‘reduziert seine Autorität, seine selbstbezogenen väterlichen Ansprüche und Machtbefugnisse, und gesteht seiner Tochter prinzipiell das Recht auf eigene Lebensführung sowie Partnerwahl zu’ .Am Anfang der Tragödie erklärt Waitwell, dass die bösen, lasterhaften Menschen sich dort befänden, wo sich das Dunkle aufhalte und fügt hinzu, dass ‘das Gewissen doch mehr als eine ganze uns verklagende Welt’ (MSS, S. 5) sei. Anhand dieser Szene verweist Peter Weber darauf, dass es zur Tugend gehört, ‘dem nächsten Angehörigen - hier betrifft es die Beziehung zwischen Vater und Kind - in Liebe zugetan zu sein. Damit deutet sich die Verbindung von tugendhaftem und natürlichem Verhalten an’. Sara Sampson strebt nach väterlichen Prinzipien, kann sich jedoch andererseits nicht vor dem Laster schützen, da sie mit Mellefont andere Erfahrungen durchlebt und ihre Triebe nicht kontrollieren kann. Dadurch dass ihr Vater Verständnis für die Situation zeigt, kommen Momente der Rührung auf, in denen die Zuschauer Sympathie für die Menschen empfinden sollen. Der Reiz, den Mellefont auf Sara ausübt, bringt sie dazu, mit ihm ins englische Wirtshaus zu flüchten und macht aus dem Mädchen ein Opfer der Sinnlichkeit. Sara entfernt sich von ihrer Tugend und träumt jede Nacht von ‘strafenden Stimmen’ und ‘schrecklichen Bildern’ (MSS, S. 13). Allein Saras Bewusstsein, dass sie einen Fehler begangen hat, spitzt den Konflikt kontinuierlich zu und lässt darauf schließen, dass sie trotz ihrer Entscheidung, sich Mellefont hinzugeben, nicht glücklich in ihrer Situation ist. Sie kann nicht glücklich sein, da in der Zeit stets Aufrichtigkeit seitens der Tochter gefordert wird, diese hier jedoch nicht gegeben ist. Somit kann sie sich innerlich nicht von ihrem Vater loslösen und ist in ihrer Liebe verzweifelt. Von diesem Standpunkt aus gesehen hat Sara zwar einen Fehler begangen, sieht diesen aber ein und denkt an ihren Vater, der seiner Tochter verzeihen will, wenn sie ihn noch liebt. Das schöne Bild einer unzerstörbaren Vater-Tochter-Beziehung regt Mitleid an und versetzt den Zuschauer in eine Lage, in der er seine Lebensweise selbst in Frage stellen kann. Mellefont weiß von der ungünstigen Lage seiner Sara und stellt seine Lebensführung in Frage: Ich ward öfter verführt, als ich verführte und die ich selbst verführte, wollten verführt sein. - Aber - ich hatte noch keine verwahrloste Tugend auf meiner Seele. Ich hatte noch keine Unschuld in ein unabsehliches Unglück gestürzt. Ich hatte noch keine Sara aus dem Hause eines geliebten Vaters entwendet und sie gezwungen, einem Nichtswürdigen zu folgen, der auf keine Weise mehr sein Eigen war. (MSS, S. 10)Mellefont ist sich bewusst, dass er Sara aus den tugendhaften Händen ihres Vaters gerissen hat und sie sich nun in einer Situation befindet, mit der sie aufgrund ihrer Erziehung nicht richtig umzugehen weiß. Sara macht einen tiefgreifenden, bzw. mehr noch: (sic) einen konfliktlösenden Wandlungsprozess durch. Mit ihrer Flucht hat sie gegen die ihr anerzogene Verhaltensnorm verstoßen, woraufhin sie Gewissensbisse und Zweifel empfindet, […]. Sara gerät in eine Identitätskrise, die sie mittels eines außerordentlichen Tugendrigorismus zu bezwingen sucht. Dieser Tugendrigorismus zeigt sich an mehreren Stellen der Tragödie: Durch ihre Fehler hofft Sara, dass ihr Vater sie vergessen hat, damit er nicht länger leiden muss. Sie stellt das Wohlergehen ihres Vaters über ihr eigenes Schicksal und möchte, dass er nicht mehr über sie nachdenkt. Hinzu kommt, dass Sara sich genau bewusst ist, dass sie sich nicht als etwas sehen kann, was sie durch Mellefonts Verführungskünste in einigen Momenten nicht mehr verkörpert: ‘Meiner Tugend? Nennen Sie mir dieses Wort nicht! - Sonst klang es mir süße, aber itzt schallt mir ein schrecklicher Donner darin’(MSS, S. 16). Nicht nur Sara Sampson sieht ein, dass sie dem Vater nicht gehorcht hat und somit einen Fehler gemacht hat, sondern auch Sir William Sampson selbst. Der englische Patriarch begreift, dass er Sara nicht gegen ihren Willen festhalten kann und dass er selbst ‘den größten Fehler bei diesem Unglücke begangen’ (MSS, S. 42) hat. Sir William kommt zu einem entscheidenden Entschluss, der die Vater-Tochter-Beziehung auf eine höhere Ebene hebt: Ohne mich würde Sara diesen gefährlichen Mann nicht haben kennen lernen. Ich verstattete ihm, wegen einer Verbindlichkeit, […], einen allzu freien Zutritt in meinem Hause. Es war natürlich, dass ihm die dankbare Aufmerksamkeit, die ich für ihn bezeigte, auch die Achtung meiner Tochter zuziehen musste. […] Er hatte Geschicklichkeit genug, sie in Liebe zu verwandeln, ehe ich noch das Geringste merkte, […]. Das Unglück war geschehen, und ich hätte wohlgetan, wenn ich ihnen nur gleich alles vergeben hätte. Ich wollte unerbittlich gegen ihn sein, und überlegte nicht, dass ich es gegen ihn nicht allein sein könne. Ich muss sie selbst zurückholen, und mich noch glücklich schätzen, wenn ich aus dem Verführer nur meinen Sohn machen kann. (MSS, S. 43) Anhand dieser Aussage kann man feststellen, dass Lessing den Vater zur Einsicht bringt, indem er ihn respektvoll gegenüber den Entscheidungen seiner Tochter handeln lässt. Es wird dabei unterstrichen, dass Mellefont nach William Sampsons Ansicht ein gefährlicher Mann ist, William jedoch Vergebung für diesen Mann hegt. Dem Vater wird bewusst, dass an dieser Flucht zwei Menschen beteiligt waren: Sara und Mellefont. Dadurch will der Patriarch seine Tochter zurückhaben und Mellefont als seinen Sohn anerkennen. Diese plötzliche Wende Mellefont gegenüber zeugt von einem noblen Charakter und unbegrenzter Herzensgüte. Das ‘Motiv der verführten Unschuld’ wird immer wieder aufgegriffen und die Unschuld an sich stets in Frage und auf die Probe gestellt. Durch die Herzensgüte, durch den liebenden und trotzdem lügenden Mellefont sowie durch die intrigante Marwood eskaliert der Konflikt. Im folgenden Kapitel soll untersucht werden, inwiefern der Zuschauer oder Leser bereits am Anfang der Tragödie merkt, dass ein Konflikt entsteht und zunehmend unlösbar wird. Diese ständig neu auftretenden Konfliktsituationen sind Hauptbestandteil des Dramas und wecken das Mitleid des Zuschauers der Protagonistin und William Sampson gegenüber.
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