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- Zur Glaubwürdigkeit der Fotografie: Die Suche nach dem Wahrheitsgehalt im fotografischen Bild
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 11.2012
AuflagenNr.: 1
Seiten: 36
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Das Porträtbild im Ausweisdokument, die überlieferten Kriegsfotografien des ersten und zweiten Weltkriegs, Bildnisse verstorbener Ikonen der frühen Popkultur - das fotografische Bild wird in großem Einvernehmen als ein Abbild der Realität und Mittel zur Konservierung der Vergangenheit gehandhabt, dem gleichsam auch eine immense Verweiskraft auf das abgebildete Pendant zugeschrieben wird. Zu allen vorhergehenden Abbildungstechniken der Geschichte besitzt sie eine bemerkenswerte Novität: Die Fotografie wird der Realität in einem Maße gerecht, das bis dato nicht vorstellbar war. Die ersten, noch erhaltenen Fotografien datieren auf die 1820er Jahre, grobkörnige Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Joseph Nicéphore Nièpce, der unter Zuhilfenahme einer Zinnplatte als Trägerschicht und lichtempfindlichen Silbersalzen Direktpositive entwickelte. Die technischen Voraussetzungen und Erkenntnisse, die für die Anfertigung dieser Fotografien nötig waren, können rückblickend als Gemeinschaftsarbeit großer Denker und Experimentatoren der Menschheitsgeschichte gewertet werden. Schon Aristoteles beschrieb Phänomene, die die Grundprinzipien der fotografischen Funktionsweise darstellen. Damit war die mechanische Komponente des Funktionsprinzips der Kamera bereits früh bedient bis zur Anfertigung der ersten haltbaren Fotografie sollten allerdings noch rund 150 Jahre vergehen, da der chemische Aspekt der Fotografie noch nicht ausgereift genug war, um das Bild, das seit Jahrhunderten an die Wand der camera obscura geworfen wurde, nachhaltig auf einer Fotografie zu manifestieren, um schließlich die seit jeher bestehende Sehnsucht des Künstlers nach einer vollkommenen Widerspiegelung der Welt zu stillen. In dieser Studie soll vorrangig untersucht werden, wie viel realistische Verweiskraft in den Bildern der Fotografie zu detektieren ist und inwieweit die Digitalisierung der Fotografie am Vertrauen des Betrachters rüttelt. Zudem wird besonderer Bezug zu Bildmanipulation und Inszenierung hergestellt.
Textprobe: Kapitel Der Mensch bleibt außen vor: Woher rührt André Bazins Überzeugung, der Fotografie einen unantastbaren Objektivitätsanspruch zuzusprechen? Sie stützt sich auf seine deutliche Stellungnahme in seiner ontologischen Untersuchung des fotografischen Bildes, die dem Fotografen kaum Anteilnahme am fertigen Bild einräumt, ein ‘Reproduktionsprozess, in dem der Mensch keine Rolle spielt.’ Bazin wertet das Außen-Vor des Menschen als ein authentisches Moment im Prozess des Fotografierens und sieht den Hauptteil der Arbeit von der Mechanik erledigt. Er lenkt leicht ein und gesteht, dass bei Auswahl von Bildausschnitt, Anordnung und Auswahl des Motivs sicherlich die subjektive Empfindung des Fotografen mitentscheide, doch seien die hinterlassenen ‘Spuren’ weit weniger deutlich als in den Oeuvres der Malerei. Diese Vorstellung einer (beinahe) autark funktionierenden fotografischen Apparatur und die einhergehende Objektivität ihrer Bilder ist vielgeteilt im fototheoretischen Dickicht. Schon in einem sehr früher Versuch einer Wesensbestimmung des fotografischen Bildes rund 90 Jahre vor Bazins Auseinandersetzung, bemerkt der Brite William Henry Fox Talbot, Erfinder des Negativ-Positiv-Verfahrens und Wegbereiter der frühen Fotografie, fasziniert in Bezugnahme seiner ersten präsentablen Aufnahme, dass das darauf abgebildete Wohnhaus wohl das erste Objekt der Welt sei, >>von dem jemals bekannt wurde, dass es sein eigenes Bild gezeichnet habe.’ Schon Talbots Buchtitel ‘pencil of nature’ impliziert, dass der eigentliche Künstler die Natur selbst sei. Weitere Ausführungen unterstreichen diese Vermutung: ‘Die Hand der Natur hat sie abgedruckt.’ Auch hier überschneiden sich die Äußerungen Talbots und Bazins, der die Fotografie als einen ‘Abdruck des Gegenstandes durch die Vermittlung des Lichts’ zu fassen versucht. Auch Alexander von Humboldt reiht sich in ähnlicher Formulierung in die Äußerungen Talbots ein, wenn er von Fotos als Gegenständen spricht, ‘die sich selbst in unnachahmlicher Treue mahlen.’ Das Foto als Abdruck des Lichts oder sich selbst malendes Abbild Ansichten, die vor allem weit kurz nach ihrer Erfindung verbreitet waren, als noch große Unsicherheit über die neue Apparatur, ihre Bilder und Fähigkeiten herrschte. Was sich als Quintessenz herausfiltern lässt, ist ein weiteres Novum zu vorhergehenden Abbildemethoden, das zur Glaubwürdigkeit des fotografischen Bildes beiträgt: Die Anteilnahme des Fotografen am Prozess der Bildherstellung lässt sich auf ein Minimum reduzieren. André Bazins Ausführung lässt sich sogar noch soweit ins Extrem heben, dass der Fotograf lediglich den Auslöser betätigen muss ohne durch weitere Maßnahmen, wie dem Blick durch den Sucher, Wahl von Ausschnitt und verschiedener Parameter, gestalterisch Einfluss zu nehmen. Die Fotoanhängerschaft der Lomographic Society, eine idealistisch geprägte Bewegung der Analogfotografie, stützt sich auf das Prinzip des mehr oder minder willkürlichen Foto-Schießens mit klar aufgestellten Regeln wie: ‘You don’t have to know beforehand what you captured on film’. Auf Gut Glück wird einfach aus der Hüfte geschossen, dem Zufall Platz eingeräumt. Was tatsächlich auf dem Negativstreifen gebannt wurde, enthüllt erst das Positiv. Selbst das Auslösen der Kamera ist kein notwendigerweise von Menschenhand ausgeführter Prozess, sondern kann über Zufallsmechanismen oder Programmierung von Maschinen getätigt werden. So ist im deutschen Strafrecht verankert, dass eine Fotografie nach § 268 I Nr. 1, III StGB durch einen ‘von menschlicher Einwirkung unberührten, in Übereinstimmung mit der Programmierung ablaufenden Herstellungsvorgang’ angefertigt werden kann. In diesem Fall handelt es sich um einen Paragraphen, der die Überwachungskameras und Blitzanlagen der Polizei vor Bildmanipulation und menschlichem Eingriff wahren soll. Der mechanische und chemische Anteil im Entstehungsprozesses gewinnt Überhand, sodass der Fotografie durch die (beinahe gänzliche) menschliche Abwesenheit auf Produktionsebene folglich eine Form von objektiv-dokumentarischen Charakter zugeschrieben wird. Auch auf Rezeptionsebene ist es die menschliche Abwesenheit, in diesem Fall aber die Abwesenheit des Abgebildeten, die die Bedeutung konstituiert. Dieser Aspekt wird unter dem Punkt der Uneindeutigkeit des fotografischen Bildes noch gesondert behandelt.
Leon Benjamin Auris Engler, aufgewachsen in München, arbeitete als freier Pressefotograf in Wien, tutorierte dort an der Universität ein Seminar für Fotografie und sammelte wertvolle Erfahrungen als Assistant TV Producer bei den United Nations in NYC. Sein Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaften schloss er mit Auszeichnung ab. Zudem vertiefte er sein Studium an der Université Sorbonne in Paris, unter anderem unter Lehrtätigkeit Phillippe Dubois. Der Autor ist eigentlich in der Praxis verhaftet, wodurch seine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeit der Fotografie gleichermaßen präzise und eindringlich ist.
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