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Geisteswissenschaften

Denise Turner

Vom Lebkuchenhaus und seiner Bewohnerin: Die Hexe im Märchen

ISBN: 978-3-95820-049-4

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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 08.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 80
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Sie ist alt, böse, hässlich und kann zaubern - Schon die ganz Kleinen wissen, wie die Hexe im Märchen aussieht und welche Rolle sie spielt. Keine Frage also, sie ist der Bösewicht des deutschen Märchens. In über 50 Märchen der Brüder Grimm, einem Drittel aller Kinder- und Hausmärchen gehört sie zum festen Inventar, wird das Märchen durch die Hexe geprägt. So weiß auch jeder, dass sie Hänsel und Gretel in ihr Lebkuchenhaus lockt, um sie zu fressen. Doch warum tut sie das? Wer ist die Märchenhexe eigentlich, in welchem Zusammenhang steht sie mit der Volkshexe und wie ist sie zu einer der wichtigsten Figuren im Märchen geworden? Möglicherweise ist sie auch eine Erfindung der Brüder Grimm, aber was haben Frau Holle, Stiefmütter und eine russische Märchenfigur namens Baba Jaga mit ihr zu tun? Die so einfach gestrickt zu scheinende Märchenhexe ist ein Wesen mit vielen Gesichtern. In diesem Buch wird hinter ihre schaurige Visage geblickt, die Bedeutung des Begriffs Hexe entschlüsselt und ihre Rolle in verschiedenen Märchen analysiert, um herauszufinden, wer die Märchenhexe wirklich ist. Ist sie nur die böse Alte mit kannibalischen Absichten oder steckt doch mehr dahinter?

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 4, Die Hexe im Märchen von ‘Hänsel und Gretel’: Für die Untersuchung der Hexe und ihrem Bild in ‘Hänsel und Gretel’ ist die Vergegenwärtigung des Märchens und die Rolle der Hexe von Bedeutung. Zusammenfassung: Hänsel und Gretel sind die Kinder eines armen Holzhackers. Die Familie ist kaum in der Lage ihren Lebensunterhalt zu bestreiten und muss hungern. Deshalb wird der Vater von seiner Frau, der Stiefmutter der beiden Kinder, überredet, die Kinder auszusetzen. Das Gespräch wird von Hänsel und Gretel mit angehört. Hänsel sammelt in seiner Entschlossenheit, das zu verhindern, Kieselsteine. Diese verteilt er am nächsten Tag auf dem Weg in den Wald. Im Wald lassen sich die Kinder am Feuer nieder, während die Eltern mit dem Holz hacken beginnen. In der Ferne nehmen sie das Schlagen einer Axt wahr. Es handelt sich dabei jedoch nur um einen Zweig, der, von der Stiefmutter angebracht, im Wind gegen einen Baum schlägt und die Illusion einer schlagenden Axt erzeugen soll. In der Nacht erwachen die Kinder im Bewusstsein, allein im Wald zurückgelassen worden zu sein. Mithilfe der von Hänsel gestreuten Kiesel finden die beiden den Weg nach Hause zurück. Während der Vater sich freut, reift in der Stiefmutter erneut der Entschluss, Hänsel und Gretel auszusetzen. Ein Gespräch zwischen Vater und Stiefmutter wird erneut von den Kindern belauscht. Das Sammeln von Kieselsteinen ist dieses Mal jedoch nicht möglich, da die Stiefmutter vorsorglich die Tür verschlossen hat. Als Alternative greift Hänsel zu seinem letzten Stück Brot und bröselt es als Wegweiser ab. Erneut werden sie am Feuer zurückgelassen. Als sie sich nachts auf den Weg nach Hause machen wollen, können sie die Brotkrümel nicht mehr finden, da diese von Vögeln aufgepickt wurden. Ziellos laufen sie durch den Wald und werden von dem Gesang eines Vogels zu einer Lichtung geführt, auf der sich ein kleines Häuschen befindet. Das Haus besteht aus Brot und Kuchen, und Hänsel und Gretel greifen zu. Als eine Stimme von drinnen tönt, lassen sich die beiden nicht stören. Erst als eine alte Frau aus dem Häuschen kommt, schrecken die Kinder vor ihrem Anblick zurück. Die Alte hat rote Augen, als Hexe erweist sie sich jedoch erst am nächsten Tag. Denn Hänsel wird von ihr in einen Käfig gesperrt, um ihn zu mästen und dann genüsslich zu verspeisen. Jeden Morgen muss er seinen Finger herausstrecken, damit die Hexe testen kann ob er schon zugenommen hat. Um sie zu täuschen, steckt er jedoch einen dünnen Stock heraus. Da er nicht wie vermutet zunimmt, verliert die Hexe ihre Geduld und beschließt Gretel zu kochen. Ihr sagt sie, sie wolle Brot backen und dafür müsse das Feuer angeheizt werden. Als sie die Hitze des Ofens testen soll, bittet Gretel die Hexe um Hilfe. Diese steckt ihren Kopf in den Ofen und wird von Gretel hinein geschubst. Die Hexe verbrennt und nachdem Hänsel befreit ist verlassen sie mit dem Schmuck der Hexe das Hexenhaus. Auf ihrem Weg nach Hause stoßen sie auf ein Gewässer, das sie auf dem Rücken einer Ente überqueren. Zuhause erwartet sie der glückliche Vater, die Stiefmutter ist in der Zwischenzeit gestorben. Motiv-Verwandtschaften und historische Belege: Nicht nur das Märchen ‘Hänsel und Gretel’ ist nahezu jedem ein Begriff sondern auch der Märchentyp ist weit verbreitet. Die stoffliche Überlieferung stammt von Wilhelm Grimms späterer Frau Dorothea Wild. 1810 erschien die Urfassung des Märchens in der Oelenberger Handschrift mit dem Titel ‘Brüderchen und Schwesterchen’, 1857 veröffentlichten die Brüder Grimm die Endfassung unter dem heute bekannten Titel ‘Hänsel und Gretel’. Das Märchen lässt sich auf viele Überlieferungen zurückführen. In das Märchen aufgenommene Motive, wie die Wegmarkierung, finden sich deshalb schon in der Antike. Es besteht zwar kein kausaler Zusammenhang, verdeutlicht jedoch, wie weit im Märchen verwendete Motive zurückreichen können. Das Märchen von ‘Hänsel und Gretel’ ist vor allem in Mittel-, Nord- und Südeuropa beheimatet. Der Kern dieses Märchens ist die Befreiung der Geschwister aus der Gewalt einer Hexe. Trotz inhaltlicher Unterschiede in Europa ist die Geschichte mit dem Motiv der Kinder im Haus des Bösewichts weit verbreitet. Als Bösewicht gilt oft ein männlicher Kinderfresser (Oger), in vielen Fällen ist es jedoch die in Deutschland bekannte Hexe. Allen Märchen von ‘Hänsel und Gretel’ ist jedoch eine Bedrohung durch unheimliche Mächte eigen, die versuchen die Mächte zu nutzen, um Vorteile daraus zu ziehen. Deutlichere Parallelen zeigen sich hingegen in Basiles ‘Nannillo und Nannilla’ aus dem Jahr 1634, das wörtlich übersetzt ‘Knäblein und Mägdlein’ bedeutet. Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Märchen finden sich in Inhalt und Struktur. Sie bestehen aus jeweils zwei Hauptfiguren, einem Mädchen und einem Jungen, die von ihrer Stiefmutter ausgesetzt werden und sich aufgrund einer fehlenden Wegmarkierung im Wald verirren. Eine Hexe spielt auch in diesem Märchen noch keine Rolle, das Motiv der bösen Stiefmutter findet jedoch Berücksichtigung. Während die Stiefmutter in ‘Hänsel und Gretel’ nach der Heimkehr der Geschwister nicht mehr am Leben ist, wird sie in Basiles Märchen für ihre Taten bestraft. Das Märchen ‘Le petit poucet’ (‘Der kleine Däumling’) von Charles Perrault aus dem Jahr 1697 ist als direkter Vorläufer des ‘Hänsel und Gretel’-Märchens anerkannt und Parallelen deshalb zahlreich. Perrault schrieb seine Märchensammlung jedoch zunächst nicht für Kinder sondern sah als Rezipienten vor allem Erwachsene, die erheitert werden sollten. Aber auch Perraults Märchen waren volkstümliche Überlieferungen, waren Warngeschichten mit Warngestalten. Die Brüder Grimm haben viel aus dem Perraultschen Märchen übernommen und die Handlung danach ausgerichtet, sie haben jedoch auch Neuerungen eingebracht und Änderungen vorgenommen. Denn auch bei Perrault nimmt die Hexe noch keinen Platz ein, ein anderer Bösewicht übernimmt deren Part. In ‘Le petit poucet’ treffen die beiden Kinder auf einen Menschenfresser und übernachten in dessen Haus. Die Wahl, einem Menschenfresser und einer Hexe diese Rolle zuzuweisen ist von den Autoren nicht willkürlich geschehen sondern hat eine inhaltliche Bedeutung. In beiden Fällen stimmen die Geschlechter der Personen überein die die Kinder in den Wald schicken und von denen sie bedroht werden. Hänsel und Gretel werden von ihrer Stiefmutter in den Wald geschickt und von der Hexe bedroht. Die Kinder in ‘Le petit poucet’ erfahren ihre Bedrohung durch den Menschenfresser und ihr Vater schickt sie von Zuhause fort. Die Entstehung von Perraults Märchen lässt sich auf historische Begebenheiten zurückführen. Im 17. Jahrhundert herrschten in Frankreich existenzbedrohende Zustände. Dass das Land von der Pest und Hungersnöten gebeutelt war, wirkte sich auf die Märchen aus die er schrieb. In ‘Le petit poucet’ hat die Familie mit der Hungersnot zu kämpfen, und weil nicht genügend Essen für alle zur Verfügung steht, werden die Kinder von Zuhause fort geschickt. Die Brüder Grimm haben die Motive dieser historischen Zustände jedoch nicht einfach übernommen. Auch zu der Zeit als Wilhelm und Jakob Grimm ‘Hänsel und Gretel’ schrieben, herrschten in Hessen Armut und Hungersnöte, ausgelöst durch Verknappung der Lebensmittel und den angeleierten Export ins Ausland.

Über den Autor

Denise Turner, geb. Hofmann, M.A., wurde 1983 in Gießen geboren. Ihr Studium der Germanistik an der Justus-Liebig-Universität Gießen schloss die Autorin im Jahr 2009 mit dem akademischen Grad der Magistra Artium erfolgreich ab. Bereits während des Studiums befasste sich die Autorin mit Frauenbildern in der Neueren Deutschen Literatur. Ihre umfassenden Erfahrungen motivierten sie, sich der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen.

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