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- Über einen für die Traurigkeit bestimmten Minneritter: Gâwân aus der Sicht von Wolfram von Eschenbach und Chrétien de Troyes
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 12.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit den Themen der ritterlichen Ehre und Minne am Beispiel Gâwâns, Wolfram von Eschenbachs Held im Versroman Parzivâl . Geschrieben in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, zählt der Parzivâl zu den Meisterwerken der deutschen mittelalterlichen Literatur. Obwohl Gâwân nicht der Hauptheld dieses Werkes ist, handelt es sich bei ihm um eine sehr wichtige Figur: Wolfram malt mit beneidenswerter Meisterschaft die Tendenzen dieses Helden, echte Minne zu verwirklichen, wobei er ihn in unterschiedliche und immer schwierigere Situationen bringt. Auf dem Liebesplan sucht Gâwân ständig nach der idealen Dame. Sein letztendlicher Sieg sowohl auf dem ritterlichen als auch auf dem Liebesplan wird durch Kampf und Überwindung von Hindernissen verwirklicht. Motive der Minne und des Rittertums verflechten sich miteinander so lässt sich in der Beschreibung einiger Aventiuren auch die Anwesenheit erotischer Elemente bemerken. Wolfram verkörpert in Gâwân die Figur eines idealen Ritters, der vorbildich in jeder Hinsicht ist. Im Rahmen der Analyse der Charakterisierung Gâwâns zieht die Autorin dieser Studie auch Wolframs Quelle für sein Werk in Betracht, den Roman Le Conte du Graal von Chrétien de Troyes, in dem unter anderem Gâwâns Figur aufgebaut wird. Durch Vergleiche Wolframs Textes mit seiner Quelle weist diese Arbeit suggestiv auf Wolframs Macht des schöpferischen Anbaus hin, die sich auf dem erzählerischen Plan, aber auch auf dem Plan der Charakterisierung des Helden äußert. Die Studie zeigt, dass Wolframs Figuren viel reliefartiger differenziert werden.
Textprobe: Kapitel 1.2, Epische Literatur: Zunächst vor allem für den Adel geschrieben, und zunehmend auch für das breite Publikum, hat die epische Literatur in der späteren Zeit die Bedürfnisse der höheren Schichten der Gesellschaft in der Entwicklung nicht ausreichend zufriedengestellt. Wenn die erste Zeit der Kriegsbegeisterung vorbei war, was für das 11. Jahrhundert charakteristisch war, wendete sich das Interesse des jetzt freieren Adels und Klerus zu anderen Bereichen. Der Durst nach Produkten der dichterischen Phantasie wird unwiderstehlich stärker, neben chansons de geste, die für künstlerische Umsetzung der historischen Ereignissen gehalten wurden, und außerdem interessiert man sich für die Werke, in denen sich die reine Fiktion mit unterschiedlichsten biographischen Daten mischt. Deswegen entwickelt sich im 12. Jahrhundert eine andere, auch erzählende Literatur, die sich nach der Thematik und Form von Heldenepen unterscheidet, vor allem von denen aus der heroischen Periode. Der Akt des Übergangs vom Edelknaben zum Ritter bekommt einen festlichen Charakter, wobei eine moralische und religiöse Komponente hinzugefügt wird. Die Nachtwache des zukünftigen Ritters, die Fasten, die Predigt über seine Aufgaben, die Umarmung der Senioren und das Umbinden des Schwertes (das gesamte Prozess) sprachen nicht nur über die Geburt eines Kriegers, sondern auch eines tapferen Mannes, eines Trägers der Grundsätzen der Gerechtigkeit und eines Verteidigers der Schwachen. Im 12.Jahrhundert kommt es zu einer allgemeinen Erhöhung der Reputation und des Einflusses der Frauen. In der Abwesenheit des Herrn bekommt die Frau die Rolle der Gönnerin. Sie wird Förderin der Dichter, die sich auf ihrem Hof versammeln, manchmal aber auch selbst die Dichterin. Sie ist Erzieherin der jungen Edelknaben, die für ihre ästhetische und moralische Erziehung ihr zu verdanken haben. Die Frau wird ein wichtiger Empfänger und in diesem Sinne begannen die Schöpfer sich auf sie zu verlassen. Während die heroische Dichtung vor allem für Männer war, reden die Romane des bretonischen Zyklus und die Troubadourlyrik die Frauen an. Neue ritterliche Vorstellung von der Minne ist das Ergebnis des neuen Status der Frauen. Durch Übertragung der Beziehung Herr-Vasall auf die Liebesdomäne, fang der Mann an, seiner Frau zu gehorchen, er bettelt sie um Liebe und erwartet geduldig ihre Zuneigung mit fast masochistischer Unterwerfung hat er ihre Laune ausgehalten. Es entwickelt sich das Verständnis von Minne als einem großen, fernen, fast unerreichbaren Ideal, einer absoluten Minne, etwas was die Verwirklichung sich selbst als Ziel hat. Die einzige Belohnung für einen verliebten Mann ist oft nur die bloße Möglichkeit, eine Frau zu lieben. Im Sinne einer solchen Anschauung und des Verständnisses über die schematische Übertragung auf den Liebesplan eines untergeordneten Verhältnisses, kann die Toleranz der Minne eines Ritters gegenüber verheirateter Dame seitens ihres Ehemannes, eines mächtigen Feudalherren, verstanden werden. Viele edle Frauen waren die Besitzerinnen von großen Domänen, also sie waren unabhängig. 1.3, Einflüsse der französischen Literatur: In die französische Literatur der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gehen neue Legenden ein, die die antiken Stoffe zurückdrängen, weil sie dem modernen Leser geographisch näher waren und mit ihren geheimnisvollen Persönlichkeiten und Ereignissen die Neugier noch mehr geweckt haben. Das war der Zyklus der bretonischen Legenden (la matière de Bretagne), der in zwei Gruppen unterteilt wird: die Gedichte der ‘Tafelrunde’, d.h. Gedichte in Verbindung mit dem König Artus und seinen Rittern und die Gedichte über die Liebe zwischen Tristan und Isolde. Über die Entstehung und Weiterleitung des ‘bretonischen Stoffes’, und vor allem über den Ursprung der Legende vom König Artus, gibt es zahlreiche und komplizierte Theorien. Sicher ist, dass Artus, der nach der neuesten Forschungen keltischer Herrscher zu sein scheint (früher dachte man, dass er nur ein gewöhnlicher Führer war, welcher nur in den Legenden als König gefeiert wurde), und der sich den sächsischen Eroberern widersetzt hat, das Objekt der Bewunderung und der Hoffnungen seiner Landsleute war. Normannische Herrscher, die die Kelten gegen die Angelsachsen zu wenden pflegten, ermutigten die bretonische Tradition. Besonders die Plantagenets haben auf die Legenden über Artus Tod beharrt, mit dem Wunsch, durch Brechung des Glaubens an seine Ruhephase und sein Aufwachen, sich selbst den Platz seiner Nachfolger zu sichern. Es ist bekannt, dass sich die keltischen Legenden in Frankreich nach 1130 ausgebreitet haben. Für die Ausbreitung dieser Legenden ist das Werk ‘Historia regum Britanniae’ wichtig, das um 1136 Geoffroi de Monmouth geschrieben hat, und in ihm fiktive Heldentaten des Königs Artus beschrieben hat, angeregt durch patriotische Gefühle und Widerstand gegen die Sachsen. Chrétien de Troyes trägt den größten Verdienst für die Einführung des bretonischen Stoffes in die französische Literatur. Mit seiner Neigung zum geheimnisvollen und mythologischen, geht Chrétien ‘Le Conte du Graal’ vollständig in die Mystik. In der französischen Literatur ist er der Gründer des Zyklus über den sogenannten ‘Heiligen Gral’ (le saint Graal), eine Schale, in der sich das Blut Christi befindet, und über die Suche nach ihr, mit ihrer mystischen Symbolik. Im Roman über Parzivâl sind die weltlichen Bestrebungen des Helden im Hintergrund zugunsten überirdischer Bestrebungen, und die Figur des idealen Ritters bekommt eine andere, spirituelle Dimension. Bumke hat richtig bemerkt, dass dieses ideale Bild, in dem die Minne der höchste soziale Wert ist, von der Realität abweicht. Kein Mensch lebte als Helden der Artusromane, deren Streben sich völlig nach der Erreichung der Hochachtung in den Ritterturnieren und der Minnedienst gerichtet hat. Die Dichter haben eine märchenhafte Welt beschrieben, in der alle politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme und Konflikte, mit denen der Adel konfrontiert wurde, künstlich weggelassen wurden. Sie schafften so eine Art von Utopie. Man bekommt den Eindruck, dass sie dadurch für eine kurze Zeit die Schwierigkeiten und Belastungen der Realität vergessen wollten. Wie der Hofprediger Petrus von Blois bemerkt hat (gest. 1204), besteht im Ritterorden keine Ordnung. Denn wer am meisten unhöfliche Wörter spricht, schimpft, am wenigsten Angst vor Gott hat, die Diener Gottes und die Kirche verachtet, wird unter den Rittern als fähigste und angesehenste geschätzt. Sobald sie schworen, über die öffentliche Ordnung Sorge zu tragen, nie aus der Schlacht wegzulaufen, ihr Leben dem öffentlichen Wohl zu schenken, beginnen die Ritter zu plündern, von Dienern Gottes zu stehlen, die Armen zu unterdrücken. Indem sie den Schmerz bei anderen Leuten verursachten, realisierten sie ihre eigenen verbotenen Wünsche. Anstatt ihren Mut zu beweisen und die Stärke im Kampf gegen den Feind zu äußern, trinken sie lieber und sich streiten, faulenzen, übertreiben beim Essen und Trinken. Durch ihre schlechte Lebensweise beschädigten sie ihren guten Ruf. Wenn die Rittern in den Krieg gingen, haben sie auf ihre Pferde keine Waffen sondern Wein beladen, keine Speere, sondern Käse usw. Solches Verhalten haben sowohl Kleriker als auch Dichter verurteilt. Deswegen reichten sie nach der fernen Vergangenheit, nach der Zeit, in der König Artus und die Ritter der Tafelrunde gelebt haben. Dadurch wollten die Dichter die soziale Praxis beeinflussen. Während des 12. Jahrhunderts kommt es zur intensiven Säkularisierung der deutschen Literatur. Zur Beschleunigung dieses Prozesses haben mehrere wichtige gesellschaftliche und politische Änderungen beigetragen, vor allem die Erhöhung der kaiserlichen Macht zur Zeit der Dynastie Hohenstaufen. Kaiserlicher Hof, obwohl im ständigen Konflikt mit den Päpsten, wird zum Mittelpunkt einer neuen, säkulären Kultur, deren Ideal der mittelalterliche Ritter darstellt. Ethische Ideale der ritterlichen Gesellschaft waren heitere gesellschaftliche Stimmung (hôhe muot), Beständigkeit (staete), Treue (triuwe), und Mut (tapferkeit), mit dem sie ihre ritterliche Ehre (êre) zu verteidigen strebten. Die Gemessenheit beim Verhalten (mâze) und die Fähigkeit der Beherrschung sich selbst (zuht), eigener Gefühle, Worte und Werke, führten zur Schaffung von edlen höfischen Sitten (hövescheit), die als geweihte Lebensnormen aufgenommen wurden. Neben genannten Tugenden haben die Ritter am Hofe als Gönner oder Dichter die höfische Liebeslyrik Minnesang und höfische Epen gepflegt und entwickelt, die oft höfische Romane genannt wurden. Ihre Blütezeit fand im späten 12. und frühen 13. Jahrhundert statt. Der höfische Roman in Deutschland erreicht seinen Höhepunkt mit Werken von Hartmann, Gottfried und Wolfram. Die meisten von diesen Romanen wurden aus Frankreich übernommen, mit einer Verspätung von 30 Jahren. Der Stoff für diese Romane wurde zuerst aus der Antike genommen (Alexander der Große, Trojanischer Krieg, Eneida), und dann aus alten keltischen Sagen, die zusammen mit flüchtigen Briten nach Bretagne angekommen sind. 2., Das Gralsepos ‘Parzival’: Wolfram zählt zu den größten deutschen und europäischen Dichtern des Mittelalters. Er wurde 1170 in der Stadt Eschenbach geboren, nach seinen eigenen Mitteilungen war armer Herkunft und der Dienst des Grafen von Wertheim. Er behauptete, dass er weder lesen noch schreiben kann. Dies dürfte nicht wörtlich verstanden werden, da seine Werke großes literarisches Können und Geschicklichkeit zeigen. Einige Zeit lang wanderte er durch Deutschland als reisender Ritter und genoss die Neigung des Grafen Hermann von Thüringen. Eine Zeit lang verbrachte er am Hofe des Gönners in Wartburg. Da traf er wahrscheinlich Reinmar und Walter von der Vogelweide. Er starb 1220 und wurde in Eschenbach begraben. Als Minnesänger hinterließ Wolfram einige Minnelieder. Die wichtigsten sind die Tagelieder. Außerdem hat er drei epische Werke nach französischen Vorbildern geschrieben. Das erste und wichtigste Wolframs Werk ist ‘Parzivâl’ (entstand zwischen 1200-1210). Es ist ein Meisterwerk Deutschlands und eins der berühmtesten Werke der Weltliteratur, in dem Wolfram die Artus-Sage mit der Gral-Sage verbunden und einige Elemente eines keltischen Märchens hinzugefügt hat. Der Dichter gibt keine zuverlässigen Informationen über seine Quellen für dieses Werk. Einmal hat er sich geäußert, dass er keine Vorbilder hat (115,29-30) auf der anderen Seite beruft er sich oft auf aventiure maere und erwähnt sonst unbekannten Kyot als seinen Gewährsmann. Bisherige Studien (Rachbauer?, Fourquet?, Mergell?) zeigen, dass Wolframs Hauptquelle für Parzivâl das Werk Chrétien de Troyes ‘Le Conte du Graal’ war. Eschenbach benutzte auch andere sekundäre Quellen. Ab dem 11. Buch distanzierte er sich immer mehr von französischer Quelle. Man merkt den Einfluss der deutschen Quellen, Veldeke und Hartmann. In Bezug auf die Typologie zählt Parzivâl zu den Doppel-Romanen. Als literarische Gattung tritt dieser Roman in der Antike auf im Mittelalter zum ersten Mal bei Chrétien de Troyes, vorbereitet in Lancelot und aufgeführt in ‘Le Conte du Graal’. Wolfram übernimmt das Schema des Doppel-Romans, entwickelt ihn aber nicht im Sinne von Chrétien.
Tatjana Georgievska wurde 1990 in Belgrad, Serbien, geboren, wo sie ihre schulische Ausbildung absolvierte. Sie studierte Deutsche Philologie an der Universität Wien und schloss 2013 ihren Bachelor ab. Im selben Jahr begann sie ihr Masterstudium der deutschen Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Autorin verfasste außerdem Poesie und wurde dreimal zu einer der zehn besten DichterInnen Serbiens gewählt. Ihre vielfältigen fachlichen Hintergründe liegen in den Gebieten Literaturwissenschaft, Geschichte, Kunst, Sprache, Film und Theater.