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- Unheimlicher Horror: Motive, Plots und literarische Verfahren zur Erzeugung von Schrecken bei H.P. Lovecraft
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 06.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Ausgehend von evolutionär bedingten Reaktionen auf Assoziationen und instinktives Verhalten nach Konfrontation von lebensbedrohlichen Dingen und unmoralisch auffallendem Verhalten, bedient sich Lovecraft empirischer Fakten, um sie für literarischen Horror zu nutzen. Zur Klärung der Frage nach Motivation und Art und Weise dieser speziellen Literaturerschaffung bestätigt in dieser Arbeit ein biographischer Einblick, dass die individuelle Umgebung und Erziehung Lovecrafts ausschlaggebend zur Gestaltung seiner Horrorliteratur war. Dazu dienen allgemeine Theorien über Bestandteile und Unterschiede zwischen erlesener und realer Angst. Ebenso ist Lovecrafts Essay (Unheimlicher Horror – Das übernatürliche Grauen in der Literatur) über die richtige Art und Weise, den Leser in einen authentischen und jenseits von konventionalisierten, gesellschaftlich gewohnten Regeln, zu ängstigen, Teil der Lösung. Wie schafft es Lovecraft, Emotionen und Horror beim Leser zu erzeugen?
Textprobe: Kapitel 4, Unheimlicher Horror nach Lovecraft: Im vorangegangenen Kapitel stehen Angst und Ekel im Mittelpunkt. Deren Nutzen und Einbettung in Schauer- und Horrorliteratur sind essenziell für wirksame Literatur, die den Leser authentische Emotionen erfahren lassen soll. Auch HPL bedient sich einer Bandbreite von Möglichkeiten, die seine Leserschaft seit jeher gruseln und ekeln lassen. Die vorher generellen Erläuterungen zu den einzelnen Facetten der Angsterzeugung und bewussten Verwendung von Ekelhaftem, sollen nun durch Anmerkungen Lovecrafts zur Gestaltung von Horror und Gruselatmosphäre ergänzt und zusammengeführt werden. Maßgeblich dient dazu sein Essay Unheimlicher Horror. Im Vorwort der Deutschen Ausgabe von 1987 heißt es: ‘Was macht eigentlich den Schrecken in der Literatur aus? In seinem 1927 geschriebenen, kenntnisreichen Essay untersucht Howard Phillips Lovecraft die Struktur der Horrorerzählung und zeichnet die Entwicklungslinien des Genres seit den Anfängen im 18. Jahrhundert nach dabei kommt der Verfasser zu ebenso pointierten und verblüffenden Einsichten in die Kunst, schreibend Angst und Panik zu verbreiten […]. ‘ HPL beschreibt in diesem Schriftstück detailreich, was seiner Meinung nach zu einer Horrorgeschichte gehört und wie es dem Autor gelingt, die richtigen Fragmente der Angsterzeugung und Schauerantizipation erfolgreich zusammenzusetzen. Führt man nun diese Ansichten mit den Theorien aus dem vorherigen Kapitel zusammen, erhält man ein schlüssiges Bild von der Art und Weise, welche Lovecrafts Geschichten ihre Horroranteil verdanken. Anfangs weist er daraufhin, dass gewisse Prämissen erfüllt sein müssen, oder zumindest sollten, um eine lückenlose Rezeption bis in den Genuss der Prosa erlangen zu können. Er sagt, dass eine gute Schauergeschichte sich lösen soll, vom Wunsch eine natürliche Erklärung für abnorm beschriebene Handlungsteile finden zu müssen, wie es im 18. Jahrhundert mit dem explained horror stets betrieben wurde. Auch eine höhere Moral und der Auftrag des Autoren an sich selbst die Tugendhaftigkeit ob an zu stellen, ist seiner Meinung nach nur tradierte Prosa ohne jeglichen Anspruch an Genialität. In seinem Essay heißt es, ‘Atmosphäre ist die Hauptsache, denn das letztendliche Kriterium der Authentizität ist nicht das Knüpfen eines Handlungsfadens, sondern die Schaffung einer bestimmten Empfindung.’ Ein tiefes Gefühl des Unbehagens aus Beschreibungen heraus, welche nicht die Absicht haben auf ein bestimmtes Ziel hinzuarbeiten, sondern tief verwurzelte Ängste zu aktivieren, ist demnach effizienter und auch authentischer, als Erzählmustern zu folgen, welche die Gewohnheit des Lesers bestätigen und eine Voraussicht des weiteren Geschehens bieten. Allgemein fasst Lovecraft zusammen, dass ‘eine unheimliche Geschichte, deren Absicht es ist, zu belehren oder eine soziale Wirkung hervorzurufen oder eine, in der das Grauen schließlich auf natürliche Weise wegerklärt wird, keine genuine Erzählung von kosmischer Angst ist […].’ Wahrhaft unheimliche Erzählungen, behauptet Lovecraft, sollten mehr bieten, als ‘heimlichen Mord, blutige Gerippe oder eine weißverhüllte Gestalt, die – den Regeln gehorchend – mit Ketten rasselt.’ Er spricht immer wieder darauf an, dass es darauf ankommt, dass der Leser Mächten und Geschehnissen ausgesetzt werden soll, welche sich nicht erklären lassen und die jenseits von wissenschaftlich Untersuchbarem und Fassbaren liegen. Implizit kommt er hier wieder zurück auf seine Aussage, dass die stärkste Angst des Menschen die Angst vor dem Unbekannten sei, und dies gilt es zu nutzen. Angst in der Literatur soll nach Lovecraft die Teile im Leser ansprechen, die im Unterbewusstsein noch immer weiterwirken, auch wenn Wissenschaft und Moderne kaum noch Spielraum für Unentdecktes lassen. Wenn sich zu dieser Angst noch Staunen und Neugier addieren, entsteht ein Ganzes aus den vielen Teilstücken und eine standhafte Geschichte hat Potenzial. Unheimliches geht aus dem evolutionären Fakt hervor, dass bereits zu Zeiten, als die Naturgesetze noch nicht messbar waren und Literatur nicht erfunden war, der Mensch, Gefühle und Instinkte zu Reaktionen auf seine Umwelt entwickelte. Dabei waren Lust und Schmerz primitive Ur-Gefühle, welche über Leben und Tod entschieden. Die Entwicklung von Entscheidungen über Zustände, die der Mensch verstand bildeten sich und Erscheinungen konnten Entscheidungen zugeordnet werden. Noch vor vielen Jahren war es bekanntermaßen eher der Fall, dass Individuen Ursache und Wirkung nicht nachvollziehen konnten, da es an Technik, Intellekt und Erfahrungen mangelte. Das Unbekannte hatte Aberglaube und religiöse Erklärungsversuche zur Folge, da so die von Lovecraft oft erwähnte Angst vor dem Unbekannten gemildert und verdrängt werden konnte. Und auch die modernen Zeiten terminierten nicht den Teil der Erscheinungen und Vorkommnisse, die unerklärlich blieben. Mit den Worten Lovecrafts: ‚[...] denn obwohl der Bereich des Unbekannten seit Tausenden von Jahren ständig schrumpft, bleibt doch der größte Teil des äußeren Kosmos in ein unendliches Reservoir des Geheimnisvollen getaucht, während ein unermeßlicher Restbestand von starken ererbten Assoziationen an allen Dingen und Prozessen klebt, die einst geheimnisvoll waren - ganz egal, wie gut man sie nun auch erklärt haben mag. Und mehr noch: in unseren Nervenzellen sind in der Tat die alten Instinkte physiologisch verankert, so daß sie doch insgeheim weiterwirken, selbst wenn dem Bewußtsein jeglicher Anlaß zum Staunen ausgetrieben würde.‘ Somit liegen der essenzielle Teil der Angsterzeugung und nachhaltigen Gruselstimmung, sowie das physisch bemerkbare Unbehagen in dem bewussten Nutzen der menschlichen Urinstinkte, Ängste und nicht zuletzt im Miteinbeziehen der naturgegebenen Neugier. Dabei ist es, so empfiehlt Lovecraft dringend, notwendig sich von literarischen Konventionen zu lösen und dem Leser literarisches Neuland zu bieten, ungewohnte Schauerantizipationen zu kreieren und dem Wunsch nach ‘Happy-End, belohnte[r] Tugend – und ganz allgemein ei¬ner hohlen moralischen Lehrhaftigkeit’ , nicht nachzukommen. Ziel der Autoren und deren prosaischen Texten, sollte es demnach auch nicht sein, dass sie ‘populäre Maßstäbe und Werte akzeptierten, daß sie […] bestrebt waren, eigene Gefühle in die Geschichte einfließen zu lassen und sich auf die Seite jener zu schlagen, die die erkünstelten Ideen der Mehrheit verteidigten.’ Zur Meinung Lovecrafts, über die angemessene Art eine Schauergeschichte aufzubauen, gesellten sich biographische Ängste und psychische Probleme, die zu Anfang der Arbeit Einzug erhielten. In Verbindung mit den Angst- und Ekeltheorien, deren sich Lovecraft seinerzeit theoretisch nicht vollends bewusst war (aufgrund der Tatsache, dass keine nennenswerte Forschung darüber bestand), kristallisierte sich sein individueller Stil heraus.
Ramon Klein, B.A., wurde 1987 in Dortmund geboren. Sein Studium der Literatur, Kultur und Medien an der Universität Siegen schloss der Autor im Jahre 2014 mit dem akademischen Grad des Bachelor of Arts erfolgreich ab. Bereits während des Studiums sammelte der Autor umfassende praktische Erfahrungen in der Literaturwissenschaft und dem kreativen Schreiben. Fasziniert von literarischen Techniken, den Leser zu beeinflussen und Konventionen abzustreifen, arbeitete Ramon theoretische und praktische Verfahren heraus welche der Leserschaft ein emotionales und innovatives Leseerlebnis garantieren, wobei er den Schwerpunkt auf Angst- und Ekelerzeugung legte. Dazu verfasste er wissenschaftliche Arbeiten in der Medien- und Kulturwissenschaft. Einige der dabei gewonnenen Erkenntnisse verarbeitete er in seiner Abschlussarbeit, die hier in Buchform vorliegt.