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- Thomas Tallis' "Spem in alium" im Kontext der zeitgenössischen Mehrchörigkeit
Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 07.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 52
Abb.: 10
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die vierzigstimmige Motette Spem in alium von Thomas Tallis, organisiert in acht Chören zu fünf Stimmen, stellt nach vorherrschender Meinung den Höhepunkt der Vokalpolyphonie des 16. Jahrhunderts dar. Dabei wird sie jedoch häufig außerhalb des Kontextes einer großbesetzten Mehrchörigkeit in Europa gesehen, aus der besonders Alessandro Striggios Motette Ecce beatam lucem und seine kürzlich wiederentdeckte Missa sopra ‘Ecco si beato giorno‘ hervorzuheben sind. Dieses Buch versucht, die Lücke zu schließen und einen Vergleich zwischen Tallis und Striggio anzustellen. Dazu soll zunächst näher auf die historischen Hintergründe von Thomas Tallis‘ Spem in alium und der italienischen Vokalpolyphonie des 16. Jahrhundert eingegangen werden. Daraufhin werden Funktion und Aussage des Textes analysiert, ein kurzer Exkurs geht hier auf die Verwendung als königliche Huldigungsmusik mit dem Text ‘Sing and glorify‘ ein. Es folgt die Analyse der Motette, die sich in drei Unterabschnitte zur äußeren Struktur und Symmetrie, zu den Harmonieverläufen und schließlich zur Organisation der vierzig Stimmen im Detail gliedert. Abschließend beschäftigt sich das Werk mit Alessandro Striggios Ecce beatam lucem und versucht, in einer vergleichenden Analyse musikalische Anhaltspunkte für einen möglichen Einfluss Striggios auf Tallis aufzuzeigen. Aufgehängt ist dieser Vergleich an den in Briefen dokumentierten Englandaufenthalt Striggios 1567 im Zuge einer Reise zu den großen Fürsten- und Königshöfen Europas als ‘Botschafter‘ der Medici.
Textprobe: Kapitel 3.a, Eine musikalische Analyse von Thomas Tallis’ Spem in alium - Die Struktur der Motette in Symmetrie, Choraufstellung und Raumwirkung: Ein Stück wie Spem in alium lässt sich nur in einem umfassenden systematischen Ansatz in der Analyse vollständig erfassen und verstehen. Dazu ist es nötig, zunächst die Voraussetzungen der äußeren Struktur darzustellen und in einem gewissermaßen phänomenologischen Ansatz zu fragen, wie die Musik vom Zuhörer wahrgenommen wird. Da die Motette durchgehend nach dem Prinzip der Raumwirkung gestaltet ist, braucht es zunächst eine Verortung der Ausführenden, also Sänger und/oder Musiker, und der Zuhörer. Der Notentext selbst liefert auf diese Frage keine eindeutige Antwort wie auch Markus Roth anmerkt ist sowohl eine Aufstellung im halben als auch ganzen Kreis mit den Zuhörern in der Mitte möglich. Auch lassen sich die Chöre theoretisch sowohl von links nach rechts als auch von rechts nach links aufstellen, im letzteren Fall also mit oder gegen den Uhrzeigersinn. Jener letztere Fall des kompletten Rundes erzielt zu Beginn der Motette die meiste Wirkung, denn der sukzessive Einsatz von vierzig Stimmen in der zweiteiligen, imitatorischen Exposition erweist sich im Kreis effektvoller als im frontallastigen Halbkreis. Dieser ist umgekehrt jedoch im für die Raumwirkung spektakulärsten Teil der Motette, dem spezzati-Abschnitt mit der Anrufung ‘Domine Deus’, für die Einhaltung der Symmetrie sinnvoller. Das primäre und wirkungsvollste Gestaltungsmittel von Spem in alium ist der Wechsel von scheinbar eigenständigen, polyphonen Linien über den homophonen Blocksatz je zweier Chöre im spezzati-Wechselspiel zum mächtigen, vom Klang und der Harmonik bestimmten tutti. Nur an fünf Stellen erklingen alle vierzig Stimmen gemeinsam diese Passagen gliedern das Stück als akustische Ereignisse gleichsam in symmetrische Untereinheiten, die den Berechnungen Roths zufolge nach dem goldenen Schnitt angelegt sind. Die dritte und kürzeste Tuttistelle in Mensur 85 f. bildet demnach das Zentrum der Motette, von dem aus wiederum das zweite tutti im goldenen Schnitt zwischen dem ersten und dritten sowie das vierte zwischen dem dritten und dem Beginn des Schlusstuttis liegt. Auch findet sich in der Literatur an vielen Stellen der Hinweis, dass die 138 Breven des Stücks nach der mittelalterlichen Zahlensymbolik, in der jedem Buchstaben eine Zahl zugeordnet wird, für ‘Thomas Tallis’ stehen. Derartige Berechnungen sind häufig sehr interpretationsfähig und wenig aussagekräftig, hier gewährt ihnen die streng symmetrische Anlage der Motette aber eine gewisse Grundlage. In jedem Fall steht die ordnende Funktion der Tuttipassagen außer Frage, daher lohnt sich ein besonderes Augenmerk auf ihren Einsatz und ihre Position in der Motette. Das erste tutti ‘praeter in te’ steht in Mensur 40, was als weiteres Indiz für eine komplett durchdachte Anlage gelten kann. Es erscheint unvermittelt und bildet doch eindeutig den Zielpunkt der zweiteiligen Exposition, die durch Imitation der Soggetti ‘Spem in alium’ in den Chören I-IV und ‘praeter in te’ ab Mensur 23 in den Chören V-VIII gekennzeichnet ist. Diese beiden Soggetti stehen sich gestisch als öffnend und schließend gegenüber, wie im Folgenden noch näher thematisiert wird. Dies drückt sich auch harmonisch aus: Ausgehend von G-Dur, der ersten Stufe in g-mixolydisch, endet die erste Imitation in Mensur 24 auf F-Dur, von wo aus im weiteren Verlauf u.a. G-Dur und a-Moll erreicht werden. Allgemein ist das b als gleichberechtigte Variante der dritten Stufe den Chören V-VIII zugeordnet, womit die Harmonik räumlich verortet wird. Die Chöre III und IV nehmen in Mensur 35 das erste Tutti in a-Moll vorweg, ebenso die Chöre VII und VIII mit sukzessivem Einsatz in den Mensuren 37-39, in G-Dur mit kurzer Moll-Eintrübung direkt zum Tutti überleitend. Dies schmälert jedoch nicht die Wirkung des Einsatzes der Chöre I-VI in Mensur 40, der als erstes akustisches Großereignis die ganze Pracht der vierzig Stimmen zur Schau stellt. Gleichsam überraschend ist das plötzliche Abbrechen nach ‘Deus Israel’, woraufhin nach und nach die umgekehrte Imitation von Chor VIII bis zu Chor III auf eine Variante des ersten Soggettos in zurückhaltendem d-Moll ‘qui irasceris et proptius eris’ intoniert.
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