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Produktart: Buch
Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 05.2014
AuflagenNr.: 1
Seiten: 48
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback

Inhalt

Die Novellentheorie und -forschung nähert sich dem Gattungsbegriff Novelle mit zum Teil völlig unterschiedlichen Grundannahmen. So gibt es derzeit eine schier unüberschaubar anmutende Fülle von widerstreitenden Theorien und Meinungen über die Novelle. Dabei ist die Aussage, es herrsche Klarheit und Einigkeit bei der Definition des Begriffs Novelle als ein Pol zu sehen, dessen Gegenpol in der Auffassung liegt, selbst in der germanistischen Forschung habe man inzwischen einen Idealtypus Novelle aufgegeben. Zwischen beiden Polen findet sich die gesamte Spannbreite der verschiedenartigsten Ansätze. In der jüngeren Novellenforschung mehren sich die Stimmen, die dafür plädieren, neue Wege zu beschreiten, um der Verwirrung der Lage zu entkommen. Das vorliegende Buch stellt die unterschiedlichen Ansätze vor und kommentiert diese kritisch.

Leseprobe

Textprobe: Kapitel 2, Novellentheorien des 20. Jahrhunderts: Sind es im 19. Jahrhundert vorwiegend die Dichter selbst, die mit Beiträgen zur Theorie der Novelle aufwarten, so setzt zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine rege Forschungstätigkeit der Wissenschaftler zu diesem Thema ein, die sich bis heute fortsetzt. Eine erste grobe Einteilungsmöglichkeit der verschiedenartigsten Forschungsarbeiten bietet sich über ihre Haupttendenzen an. So lassen sich zwei Richtungen festhalten: der historische und der normative Ansatz. Dazu kommen Syntheseversuche aus beiden, wobei eine Schwerpunktbildung entweder zum historischen oder zum normativen Ansatz zu beobachten ist. Innerhalb der beiden Hauptansätze normativ oder historisch wie auch innerhalb der Syntheseversuche gibt es dann noch eine ganze Reihe von Arbeiten, die sich offiziell zum historischen Ansatz bekennen, in ihrer Vorgehensweise aber streng normativ sind oder aber normative, die eigentlich historisch sind. Als weiteren Ansatz gibt es dann noch die wiederum unterschiedlich begründete These vom ‘Tod der Novelle’, die die Existenz der Gattung Novelle an sich nicht bestreitet, die Möglichkeit der Novellenproduktion für das 19. und 20. Jahrhundert aber ablehnt. Außerdem lassen sich innerhalb der gleichen theoretischen Grundausrichtung Positionen feststellen, die sich in ihren Grundannahmen und Ergebnissen antagonistisch gegenüberstehen. Wie schon in Kapitel eins kurz angeführt, ist es für einen großen Teil der Forscher seit Friedrich Schlegel üblich, die Novelle auf Boccacio zurückzuführen, und zwar unabhängig davon, welcher sonstigen Forschungsrichtung sie zuzurechnen sind. Der Romanist Walter Pabst legt 1949 einen streng historisch orientierten Forschungsbericht vor, in dem er vor allem den formalkritisch ausgerichteten deutschen Theoretikern daraus einen Vorwurf macht. Eine Vielzahl von ihnen berufe sich völlig zu Unrecht auf Boccacio und sei auf starre Gattungsgesetze fixiert. Dabei näherten sich die Forscher von der immer gleichen Position her der Novelle, nämlich auf der Suche nach eben diesen Gattungsgesetzen, die anhand fester Merkmalskataloge überprüft und an der lebendigen Dichtung durchgemessen werden sollen. Seine abschließende Erkenntnis lautet, dass es nur eine ‘Individualität der Form’ gebe – auch wenn sich durchaus innerhalb von Epochen Ähnlichkeiten bei den verschiedenen Werken zeigen würden – die letztlich ‘Freiheit der Form’ bedeute. In dem sich an seinen Forschungsbericht anschließenden Buch zur Antinomie von Novellenforschung und Novellendichtung geht er insofern noch einen Schritt weiter, als er die Existenz der ‘Novelle an sich’ in einer definierbaren Form explizit verneint: ‘Denn es gibt weder die romanische Urform der Novelle noch die Novelle überhaupt. Es gibt nur Novellen.’ Dass sich Theorie und Dichtung in antinomischer Weise zueinander verhalten, versucht er anhand zahlreicher Beispiele zu verdeutlichen, auch und gerade anhand von Boccacios Novellistik, die frei von Gattungsgesetzen und poetischen Regeln, häufig sogar im Widerstand gegen diese, entstanden sei. So hätten die Dichter häufig entweder in einer scheinbaren Verbeugung vor der Kritik und ihren Dogmen ihren Werken einleitend ein paar Worte zur theoretischen Konzeption des jeweiligen Werkes vorangestellt, die bestätigen sollten, dass sie sich an die theoretischen Vorgaben hielten, um von der eigentlichen dichterischen Aussage abzulenken oder sie hätten in offener Auflehnung zur Kritik gestanden. Lediglich die mittelmäßigen Dichter hätten sich den formalästhetischen Prinzipien bedenkenlos untergeordnet. Pabsts Schlussfolgerungen können nicht ohne Weiteres auf die deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts übertragen werden, da diese nicht unter dem Zwang einer starren literarischen Doktrin zu sehen sind wie die Dichter der Renaissance oder des Barocks, wohl aber muss berücksichtigt werden, dass, zumindest seit Friedrich Schlegel und Goethe, die Dichter sich an Boccacio und Cervantes – bewusst oder unbewusst – orientieren. Zur gegenteiligen Auffassung innerhalb der historischen Forschung gelangt Fritz Martini. Er glaubt, dass eine historisch bedingte und für die jeweilige Epoche typische Form der Novelle existiere. Martini entwickelt seine novellentheoretischen Überlegungen anhand der deutschen Literatur des bürgerlichen Realismus. Er stellt heraus, dass die gemeinsame historische Situation, sei sie nun soziologisch, weltanschaulich, psychologisch oder künstlerisch betrachtet, den Formtypus Novelle im 19. Jahrhundert begünstigt habe. Bei allen existierenden Variationen und Formdifferenzierungen gebe es dennoch einen gemeinsamen Nenner, der die Vorherrschaft der Novelle erklärbar mache. So könne nur in ihr formal und thematisch gezeigt werden, was die Zeitgenossen bewegt habe, nämlich das zunehmende Bewusstsein für eine gesellschaftliche und psychologische Determinierung des Menschen, der in einer immer komplizierter werdenden Welt nach Sinnbezügen suche und der Isolation im Einzelschicksal durch die Verbindung zum Gemeinsamen, Typischen – repräsentiert in der symbolisierenden Form der Novelle – entkommen wolle. So erkläre sich, warum die Novelle in dieser Zeit zu einer solchen Blüte gelangt sei.

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