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Geisteswissenschaften
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Verlag:
Bachelor + Master Publishing
Imprint der Bedey & Thoms Media GmbH
Hermannstal 119 k, D-22119 Hamburg
E-Mail: info@diplomica.de
Erscheinungsdatum: 02.2013
AuflagenNr.: 1
Seiten: 64
Sprache: Deutsch
Einband: Paperback
Die europäische Bevölkerung ist im Mittelalter gleich zweifach von der Pest heimgesucht worden. Zunächst in der Mitte des 6. Jahrhunderts, als Pest des Justinian bezeichnet, und ein weiteres Mal im späten Mittelalter, dem 14. Jahrhundert. Beide Male kam die Seuche aus dem Osten und hatte ähnlich verheerende Folgen. Wobei der erste große Seuchenzug, welcher vermutlich zum Zusammenbruch des Römischen Reiches beitrug, gewissermaßen den Beginn und der Folgende das Ende des Mittelalters markierte. Dieses Buch behandelt weder die Verbreitung der Pest, noch die Toten oder die Ansteckung, kurz - nicht die Pest als Krankheit, sondern im Besonderen die viel bedeutenderen Folgewirkungen der Pest. Gemeint sind damit die sowohl gesellschaftlichen und kulturellen als auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pest im Mittelalter. Dabei geht es ebenso um die direkten Folgeerscheinungen für die Zeitgenossen, wie Geißlerzüge und Judenpogrome, als auch um die weiter reichenden und längerfristigen Folgewirkungen des nächsten Jahrhunderts. Das 14. Jahrhundert erlebte neben den zahlreichen Krisen, teils ausgelöst durch die Pest, teils durch Klimaveränderungen oder gesellschaftliche Veränderungen, auch einen weitreichenden technischen Fortschritt, der schon die Zeitgenossen von einer neuen Zeit sprechen ließ. So fanden die Feuerwaffe und die mechanische Uhr Einzug in das Leben der Menschen und prägte dieses enorm. Beide zeigten den Menschen die eigene Vergänglichkeit auf. Die eine, weil sie die Zeit der Menschen einteilte und die andere, weil sie eine neue Art des Tötens einführte. Die durch die Pest eingeleitete und von Herlihy benannte Verwandlung Europas gab der europäischen Bevölkerung die Chance, ihre Gesellschaft neu und unter anderen Gesichtspunkten wieder aufzubauen.
Textprobe: Kapitel 2.1., Ein Mangel an Arbeitskräften: Durch die hohe Mortalitätsrate während der Pest fehlte es in der Zeit nach der Pest akut an Arbeitskräften. Das 14. Jahrhundert war nämlich gänzlich auf die Ernte angewiesen, nicht nur für die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln, sondern auch für das entsprechende Saatgut des Folgejahres. Infolge der Pest allerdings konnte eine Bestellung der Felder und ein Aussäen im Frühjahr auf Grund der fehlenden Arbeitskräfte nicht mehr gewährleistet werden. 'Deshalb wurden sie [die Bauern] in ihren Sitten wie die Städter locker und kümmerten sich nicht mehr um ihren Besitz und ihre Arbeit. […] wo[durch] das Getreide vernachlässigt dastand und weder geschnitten, geschweige denn geerntet wurde.' Zum einen ist an dieser Stelle des Dekamerons ersichtlich, welche Haltung Boccaccio gegenüber der Sittenhaftigkeit der Städter vertritt. Viel interessanter hingegen, dass Boccaccio eben jenes 'nicht Bestellen' der Felder nicht mit der hohen Sterblichkeitsrate in einen Zusammenhang bringt, sondern als Grund dafür den Sittenverfall angibt. Weiter führt Boccaccio als Ursache für das mangelnde Säen des Folgejahres an, dass die Bauern den Tod bereits erwarteten und deshalb all jenes verzehrten, was sie vorfanden. Dieser Aspekt ist durchaus einleuchtend. Denn es hat sicherlich auch Sicht der Bauern wenig Sinn ergeben für das nächste Jahr auszusäen, wenn sie davon ausgingen, das nächste Jahr gar nicht erleben zu werden. In der einschlägigen Literatur wird in diesem Zusammenhang wiederholt von einem Mangel an Arbeitskräften gesprochen, weswegen diese Arbeit im weiteren Verlauf dies ebenfalls als solches benennen wird. Letztendlich werden beide Faktoren sowohl der Sittenverfall als auch der steigende Mangel an Arbeitskräften während der Pestwelle, ausschlaggebend für die niedrigen Erträge der Ernte der Folgejahre gewesen sein. Obwohl das Wort Sittenverfall an dieser Stelle lediglich in Ermangelung eines besseren Begriffs gebraucht wird und keinesfalls wertend gemeint sein soll. Der von Boccaccio angesprochene Sittenverfall, wird zwar wie von ihm beschrieben stattgefunden haben, ist aus Sicht dieser Arbeit aber nicht als Sittenverfall zu bezeichnen. Zunächst hatte die durch die hohe Sterblichkeitsrate bedingte Lebensmittelknappheit lediglich Auswirkungen auf die Versorgung der Städte. Zwar war die Zahl der Konsumenten ebenso gesunken, wie die Zahl der Produzenten, doch es fand keine Anpassung des zu leistenden Umfangs in der landwirtschaftlichen Produktion an den Rückgang der Arbeitskräfte statt, sodass es zu einer vorübergehenden Preissteigerung kam. Die wiederum nach der Pestepidemie erheblich unter den vorherigen Stand fiel. Zum Teil war dies darin begründet, dass die weniger ertragreichen Ackerflächen aufgegeben wurden, was wiederum die Durchschnittsproduktion anstiegen ließ und dadurch zu einem enormen Überangebot der landwirtschaftlichen Erzeugnisse führte, in dessen Folge des Preise wieder rasant fielen. In den Städten hingegen kam es durch die erhöhte Mortalitätsrate zu einer Konzentration zahlreicher Erbschaften, deren Begünstigte nur noch in geringer Zahl am Leben waren, sodass es vermehrt zu einer Anhäufung erheblicher Privatvermögen kam. Boccaccio fügt diesem Phänomen in seinem Dekameron noch einen weiteren Aspekt hinzu: 'Wieviele denkwürdige Geschlechter, wieviele reiche Erbschaften, wieviele berühmte Vermögensschätze blieben ohne rechtmäßigen Nachfolger!' Demnach blieben die Erbschaften also nicht nur in wenigen Händen, für einige gab es gar keine rechtmäßigen Erben mehr. Darüber, was dann mit dem Vermögen geschah, lässt sich nur spekulieren. Vermutlich eignete sich den Besitz dann ein unrechtmäßiger Erbe an oder er fiel der Stadt zu. Laut Zinn bedeutete die Dezimierung der Bevölkerung in der Tat, dass die durchschnittliche Kapitalausstattung pro Kopf, bzw. pro Arbeitskraft abrupt in die Höhe schnellte, da die materielle Hinterlassenschaft der Toten den Reichtum der Überlebenden mehrte. Zweifellos verteilte sich die Steigerung des Reichtums recht ungleichmäßig, sodass sie meist, die bereits vermögenderen Mittel- und Oberschichten begünstigte. Im Allgemeinen führte dies zu einem Wachstum der Nachfrage nach gewerblichen Produkten, da der vereinzelte Anstieg des Vermögens eine Menge an ungenutztem Kapital freisetzte, was nun zum Kauf verschiedenster Produkte, bis hin zu Luxusgütern führte. Dabei stiegen die Preise für handwerkliche Produkte erheblich an, weil die reduzierten Vertreter der Handwerksberufe die erhöhte Nachfrage nach deren Angebot nicht zu decken vermochten. Die Historiker sind sich in sofern einig, dass die Bauern und Grundbesitzer, angesichts der fallenden Agrarpreise, erhebliche Einkommenseinbußen hinzunehmen hatten. Vasold bezeichnet die fallenden Preise für Agrarprodukte und die im Gegensatz dazu steigenden Preise für gewerbliche Produkte, als eine Verzerrung des Preisgefüges. Die weiteren Auswirkungen auf die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte sowie auf einzelne Berufsgruppen werden allerdings recht unterschiedlich bewertet. Insbesondere für die Löhne der Landarbeiter gibt es zwei gegensätzliche Thesen. Eine These nimmt an, dass die Löhne der Landarbeiter stiegen, da die Landflucht und die Mortalitätsrate dafür sorgten, dass es einen Mangel an Arbeitskräften auf dem Land, ähnlich denen der Handwerksberufen in der Stadt, gab und somit die Landarbeiter höhere Löhne fordern konnten. Die Gegenthese geht im Gegensatz dazu davon aus, dass eben jene Löhne der Landarbeiter nicht stiegen, da, um das nicht Bestellen der Felder zu verhindern, 1350 in einer landesherrlichen Verordnung Höchstlöhne festgesetzt worden sind. Diese Höchstlöhne durften und sollten das Lohnniveau vor der Pest nicht übersteigen. Außerdem ist den Bauern der Abzug verboten worden, um ein Suchen nach anderen Grundherren und besseren Bedingungen vorzubeugen. Überdies gab es vor der Pest auf dem Land einen erheblichen Bevölkerungsüberschuss, der zwar durch die Pest zunächst abgebaut worden war, wegen der Minderung der landwirtschaftlichen Arbeitsfläche allerdings immer noch vorhanden war. Bevölkerungsüberschuss gab es auf dem Land nicht zwangsläufig, weil es dort wirklich zu viele Menschen gab, sondern vielmehr, da die landwirtschaftliche Nutzfläche immer weiter zurück ging und es zu einer Verengung des Nahrungsspielraums kam. Die Landflucht setzte jedoch nicht nur dadurch ein, sondern auch, weil etliche der Abhängigkeit zum Grundherren entgehen wollten, denn in der Stadt winkten persönliche Freiheit und die Möglichkeit zum beruflichen Aufstieg, was ebenfalls einen gesellschaftlichen Aufstieg bedeutete. Die Städte profitierten von dieser Entwicklung ebenso, denn sie waren vor allem wegen den dort herrschenden schlechten hygienischen Verhältnissen, die eine hohe Sterblichkeit bedingten, auf die Zuwanderung angewiesen. Ferner war auf dem Land die Relation Geburten- und Sterberate wesentlich ausgewogener. Vertiefend wird dieses Thema im weiteren Verlauf der Arbeit, genauer im dritten Kapitel, beleuchtet. An dieser Stelle wird bereits deutlich, wie groß die Auswirkungen solcher Epidemien auf die Wirtschafts- und Sozialstruktur waren. Nicht nur der Mangel an Quellen macht es schwer die Auswirkungen einzuschätzen, sondern auch, wie Manfred Vasold argumentiert, weil Getreidepreise ein schlechter Indikator für die Bevölkerungsentwicklung gewesen seien, da diese den demographischen Schwund keineswegs sofort anzeigen würden. Demnach fielen die Getreidepreise in Europa tatsächlich, deutlich erkennbar allerdings erst ab 1375. Ferner wandeln sich die Getreidepreise nicht proportional zur demographischen Veränderung, selbst wenn die Bevölkerungszu- bzw. – abnahme ebenso die Nachfrage reguliert. Erschwerend zur Entwicklung des Getreidepreises kommt hinzu, dass es zu der Zeit in Europa zusätzlich eine Klimaanomalie gab, welche auf Grund von kälteren Witterungsverhältnissen, vielfach für schlechte Ernten sorgte. Somit hätten sich theoretisch der Preisverfall infolge der absinkenden Bevölkerung einerseits und die Preissteigerung infolge der schlechten Witterung andererseits sogar ausgleichen können. Dies taten sie aber nicht, was im Dritten Kapitel noch dargelegt wird, denn die Überproduktion und sinkenden Löhne der Landarbeiter hielten an.
Die Autorin Nina Schmeichler wurde in Berlin geboren, wo sie auch ihr Abitur machte. Sie studiert derzeit an der Universität Greifswald Deutsch und Geschichte auf Lehramt und wird dieses Studium im Juli 2013 mit dem 1. Staatsexamen abschließen. Im Zuge ihres Studiums schrieb sie zahlreiche Hausarbeiten zu verschiedensten Themen der Germanistik und Geschichte. Für das Thema Pest interessiert sie sich schon eine geraume Zeit und belegte dazu mehrere Seminare und ließ sich dazu im Laufe des Studiums des Öfteren prüfen.
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